Radioimmuntherapie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 25. Juli 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Radioimmuntherapie ist eine relativ neue Behandlungsmethode von Krebspatienten. Der Vorteil gegenüber herkömmlichen Behandlungsmethoden wie der Chemotherapie oder der herkömmlichen Strahlentherapie liegt in der hohen Selektivität des Verfahrens. Ziel der Therapie ist es, in der Umgebung der Tumorzellen eine hohe Dosis radioaktiver Strahlung zu erzeugen, welche die Tumorzellen abtötet.
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Was ist Radioimmuntherapie?
Man verwendet sogenannte konjugierte Radiopharmaka. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus einem Trägermolekül und einem Radioisotop. Bei den Trägermolekülen handelt es sich in der Regel um Antigene oder Peptide.
Diese docken spezifisch an Oberflächenstrukturen der Tumorzellen an, woraufhin das Radioisotop, meist ein Beta-Strahler kurzer Reichweite, die Tumorzelle zerstört.
Der Antikörper muss so strukturiert sein, dass er ausschließlich an Tumorzellen bindet und gesundes Gewebe verschont. Die Kopplung der beiden Komponenten erfolgt über ein Zwischenmolekül.
Geschichte & Entwicklung
Die Radioimmuntherapie (RIT) ist eine innovative Behandlungsform, die die Prinzipien der Immuntherapie und der Strahlentherapie kombiniert, um Krebszellen gezielt zu zerstören. Die Entwicklung der RIT begann in den 1950er Jahren, als Wissenschaftler die Idee aufgriffen, radioaktive Isotope an Antikörper zu binden, die spezifisch gegen Krebszellen gerichtet sind.
In den 1970er Jahren machte die Technologie erhebliche Fortschritte, als Monoklonale Antikörper entwickelt wurden. Diese Antikörper konnten speziell gegen Antigene auf Krebszellen gerichtet werden, wodurch eine präzisere Abgabe der Radioisotope möglich wurde. Die Entdeckung und Herstellung monoklonaler Antikörper durch César Milstein und Georges Köhler, die 1984 den Nobelpreis für Medizin erhielten, war ein entscheidender Durchbruch.
Die erste erfolgreiche Anwendung der RIT erfolgte in den späten 1980er Jahren, als radioaktiv markierte Antikörper zur Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen eingesetzt wurden. Die US-amerikanische Zulassung des ersten RIT-Medikaments, Ibritumomab Tiuxetan (Zevalin), durch die FDA im Jahr 2002 markierte einen Meilenstein in der Geschichte der Radioimmuntherapie. Kurz darauf folgte die Zulassung von Tositumomab (Bexxar) im Jahr 2003.
Seitdem hat die Radioimmuntherapie weitere Fortschritte gemacht, insbesondere in der Entwicklung neuer radioaktiver Isotope und Antikörper, die eine effektivere und sicherere Behandlung ermöglichen. Aktuelle Forschungen konzentrieren sich auf die Anwendung von RIT bei verschiedenen Krebsarten und die Verbesserung der Technologie zur Minimierung von Nebenwirkungen und Maximierung der therapeutischen Wirksamkeit.
Einsatz & Indikation
Eine Radioimmuntherapie (RIT) wird in der Regel bei bestimmten Arten von Krebs durchgeführt, insbesondere bei Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL), wenn andere Behandlungsmethoden nicht erfolgreich waren oder der Krebs rezidiviert. RIT wird eingesetzt, wenn herkömmliche Therapien wie Chemotherapie und Strahlentherapie nicht ausreichend wirksam sind oder zu starke Nebenwirkungen verursachen.
RIT wird häufig in folgenden Situationen als notwendig erachtet:
Rezidiv von Krebs: Bei Patienten, deren Krebs nach einer anfänglichen Behandlung wieder auftritt, kann RIT eine wirksame Option sein, um verbliebene Krebszellen zu zerstören.
Therapieresistenz: Wenn Krebszellen resistent gegen Standardbehandlungen wie Chemotherapie geworden sind, kann RIT helfen, diese Zellen gezielt zu bekämpfen.
Fortgeschrittenes Stadium: Bei fortgeschrittenen Krebsstadien, in denen der Tumor auf herkömmliche Therapien nicht anspricht oder metastasiert ist, bietet RIT eine gezielte Behandlungsmöglichkeit, um Tumorzellen zu reduzieren.
Palliativmedizin: In einigen Fällen wird RIT auch zur Linderung von Symptomen und zur Verbesserung der Lebensqualität bei Patienten mit unheilbaren Krebsarten eingesetzt.
Die Entscheidung für eine RIT basiert auf verschiedenen Faktoren, einschließlich des Typs und Stadiums des Krebses, des allgemeinen Gesundheitszustands des Patienten und der bisherigen Behandlungsverläufe. Vor der Durchführung einer RIT wird eine gründliche Untersuchung durchgeführt, um sicherzustellen, dass der Patient für diese Therapie geeignet ist und um das optimale Behandlungsschema festzulegen.
Vorteile & Nutzen
Die Radioimmuntherapie (RIT) bietet mehrere Vorteile gegenüber herkömmlichen Behandlungs- und Untersuchungsmethoden, insbesondere bei der Behandlung von Krebs.
Zielgerichtete Therapie
Einer der größten Vorteile der RIT ist ihre Zielgerichtetheit. Die Verwendung von monoklonalen Antikörpern, die spezifisch an Krebszellen binden, ermöglicht eine präzise Abgabe der radioaktiven Isotope direkt an die Tumorzellen. Dies minimiert Schäden an gesundem Gewebe und reduziert Nebenwirkungen im Vergleich zur konventionellen Strahlentherapie.
Effektivität bei Rezidiven und resistenten Tumoren
RIT ist besonders effektiv bei Krebserkrankungen, die nach einer initialen Behandlung wiederkehren oder gegen herkömmliche Therapien resistent sind. Diese Methode bietet eine zusätzliche Behandlungsoption für Patienten, bei denen andere Therapien versagt haben.
Kombinierte Wirkmechanismen
RIT kombiniert die zytotoxische Wirkung der Strahlung mit der immunologischen Wirkung der Antikörper. Diese doppelte Angriffsmethode kann zu einer effektiveren Zerstörung von Krebszellen führen als eine alleinige Strahlentherapie oder Chemotherapie.
Einmalige Behandlung
Im Gegensatz zu herkömmlichen Chemotherapien, die über mehrere Zyklen verabreicht werden, kann RIT oft in einem einzigen Behandlungszyklus durchgeführt werden. Dies kann die Belastung für den Patienten verringern und die Behandlung komfortabler gestalten.
Geringere systemische Toxizität
Durch die gezielte Abgabe der Strahlung direkt an die Krebszellen weist RIT eine geringere systemische Toxizität auf. Dies bedeutet, dass Patienten weniger allgemeine Nebenwirkungen wie Übelkeit, Haarausfall und Immunsuppression erleben, die bei Chemotherapien häufig sind.
Diese Vorteile machen die Radioimmuntherapie zu einer vielversprechenden Option für die Behandlung bestimmter Krebsarten, insbesondere in Fällen, in denen herkömmliche Behandlungen unzureichend sind.
Funktion, Wirkung & Ziele
Im Falle einer Chemotherapie werden alle sich schnell teilenden Zellen des Körpers angegriffen. Dazu zählen neben den Tumorzellen auch die Schleimhautzellen von Mund, Magen und Darm sowie Zellen der Haarwurzeln. Es kommt somit fast immer zu starken Nebenwirkungen wie Durchfall, Haarausfall, Schleimhauterkrankungen und Blutbildveränderungen.
Eine Bestrahlung des Tumors von außen mittels Röntgenstrahlung, Elektronen- oder Protonenstrahlung schädigt meist auch Teile des umliegenden, gesunden Gewebes. Außerdem ertragen bestimmte Organe jeweils nur eine gewissen Toleranzdosis, die nicht überschritten werde darf. Man verwendet in der Strahlentherapie mittlerweile oftmals mehrere schwache Strahlen, die sich im zu behandelnden Tumor kreuzen und addieren. Doch die Belastung für gesundes Gewebe bleibt in vielen Fällen signifikant.
Im Fall der Radioimmuntherapie spüren die in den Blutkreislauf injizierten Antikörper gezielt die Tumorzellen im gesamten Körper auf. So können die konjugierten Radiopharmaka auch zuvor durch Bildgebung und klinische Untersuchungen unentdeckte Krebsherde im Körper des Patienten ausfindig machen, da über den Blutkreislauf der gesamte Körper abgesucht wird.
Die Tumorzellen werden im Körperinneren aus unmittelbarer Nähe bestrahlt und sind folglich einer besonders hohen Strahlendosis ausgesetzt, während gesundes Gewebe verschont bleibt. Da die Radioisotope sich direkt an den Tumorzellen anlagern, braucht man insgesamt eine niedrigere Strahlungsintensität wegen des geringeren Abstandes zur Strahlungsquelle.
Darüber hinaus werden auch Tumorzellen in den benachbarten Lymphknoten, die über Antigene nicht zu erreichen sind, von der Strahlung erreicht. Man bezeichnet dies als „Kreuzfeuereffekt“.
Die verwendete radioaktive Substanz zerstrahlt mit einer Halbwertszeit von typischerweise Stunden oder Tagen und wird zu einem großen Teil über die Nieren im Urin ausgeschieden.
In manchen Fällen werden zusätzliche Medikamente und Flüssigkeit verabreicht, um die Nieren zu schützen.
Damit eine Radioimmuntherapie möglich ist, muss zunächst eine Oberflächenstruktur der Tumorzelle ausfindig gemacht werden, die ausschließlich dort vorkommt. Daraufhin muss ein Antigen produziert werden, welches nur an diese Art von Oberflächenstruktur bindet. Das Auffinden solcher spezifischer Oberflächenstrukturen an den jeweiligen Tumorzellen und die Produktion geeigneter Antigene sind die Hauptschwierigkeiten bei der Entwicklung dieser Therapie.
Dies ist für einige Tumorarten, wie das Non-Hodgkin-Lymphom beispielsweise, gelungen. Die Oberflächenstruktur ist in diesem Fall die CD-20 Struktur und bei dem verwendeten Betastrahler handelt es sich um Yttrium. Die Behandlung kann in diesem Fall sogar ambulant erfolgen.
Es gibt vielversprechende Ansätze, die Radioimmuntherapie mit einer Chemotherapie zu kombinieren. Es sind bisher nur sehr wenige Krebsarten bekannt, bei denen eine Radioimmuntherapie erfolgreich Anwendung fand. Die erste und lange Zeit einzige war das Non-Hodgkin-Lymphom. Die Radioimmuntherapie ist eine recht neue Therapie, die erst seit Beginn des 21. Jahrhunderts regelmäßig zur Krebsbehandlung eingesetzt wird. In vielen vorklinischen und neuerdings auch einigen klinischen Studien hat sie sich, verglichen mit einer Chemotherapie, als effizienter herausgestellt.
Sie ist ein vielversprechendes Konzept für die Zukunft der Tumorbehandlung und weltweit Gegenstand intensiver Forschung. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Erforschung neuer Möglichkeiten bei der Herstellung der Trägermoleküle.
Durchführung & Ablauf
Die Radioimmuntherapie verläuft in mehreren klar definierten Schritten, die sorgfältig geplant und überwacht werden, um die bestmögliche Wirksamkeit und Sicherheit zu gewährleisten.
Vorbereitung
Vor der Behandlung wird der Patient gründlich untersucht, um sicherzustellen, dass er für die RIT geeignet ist. Dies umfasst Bluttests, Bildgebung und eine Bewertung des allgemeinen Gesundheitszustands. Der spezifische monoklonale Antikörper, der an ein radioaktives Isotop gekoppelt ist, wird basierend auf dem Typ des Krebses ausgewählt.
Infusion des Antikörpers
Der erste Schritt der eigentlichen Behandlung ist die Verabreichung des Antikörpers. Der Patient erhält eine Infusion eines „kalten“ (nicht radioaktiven) Antikörpers, um mögliche Reaktionen des Immunsystems zu reduzieren und die Bindung des später verabreichten radioaktiven Antikörpers an die Krebszellen zu verbessern.
Verabreichung des radioaktiven Antikörpers
Nach einer festgelegten Zeitspanne, die oft ein bis zwei Wochen beträgt, wird der radioaktiv markierte Antikörper intravenös verabreicht. Der Patient wird während der Infusion überwacht, um sicherzustellen, dass keine akuten Nebenwirkungen auftreten.
Verteilung und Wirkung
Der radioaktive Antikörper zirkuliert durch den Körper und bindet spezifisch an die Krebszellen. Die Strahlung, die vom radioaktiven Isotop abgegeben wird, zerstört die Krebszellen gezielt und minimiert dabei Schäden an gesundem Gewebe.
Nachsorge und Überwachung
Nach der Behandlung werden regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen durchgeführt, um den Behandlungserfolg zu überwachen und mögliche Nebenwirkungen zu kontrollieren. Bluttests und bildgebende Verfahren werden verwendet, um die Reaktion des Tumors auf die Therapie zu beurteilen.
Strahlenschutzmaßnahmen
Während der Behandlung und für eine gewisse Zeit danach müssen spezifische Strahlenschutzmaßnahmen beachtet werden, um die Exposition anderer Personen gegenüber der Radioaktivität zu minimieren. Dies kann Einschränkungen im engen Kontakt mit anderen Menschen beinhalten, insbesondere mit Schwangeren und Kindern.
Die gesamte Prozedur der Radioimmuntherapie ist darauf ausgelegt, die gezielte Zerstörung von Krebszellen zu maximieren und gleichzeitig die Belastung für den Patienten so gering wie möglich zu halten.
Risiken & Nebenwirkungen
Die häufigste Nebenwirkung ist Übelkeit. Insgesamt sind die zu erwartenden Nebenwirkungen im Vergleich zu Chemotherapie und Bestrahlung für gewöhnlich weniger gravierend.
Alternativen
Es gibt mehrere alternative Verfahren zur Radioimmuntherapie (RIT), die in Betracht gezogen werden können, falls eine RIT nicht möglich ist oder nicht die gewünschte Wirkung zeigt.
Chemotherapie ist eine weit verbreitete Behandlungsmethode, die Medikamente verwendet, um schnell wachsende Krebszellen im gesamten Körper zu zerstören. Chemotherapeutische Mittel können intravenös oder oral verabreicht werden und sind bei vielen Krebsarten wirksam.
Konventionelle Strahlentherapie nutzt hochenergetische Strahlen, um Krebszellen gezielt zu zerstören. Sie kann extern mit einem Linearbeschleuniger oder intern durch Brachytherapie angewendet werden. Diese Methode ist besonders effektiv bei lokalisierten Tumoren.
Immuntherapie stärkt das körpereigene Immunsystem, um Krebszellen zu bekämpfen. Zu den Ansätzen gehören Checkpoint-Inhibitoren, CAR-T-Zelltherapie und Krebsimpfstoffe. Diese Behandlungen sind besonders bei bestimmten Arten von Leukämien und Lymphomen vielversprechend.
Zielgerichtete Therapie
Zielgerichtete Therapien greifen spezifische Moleküle an, die an Krebswachstum und -ausbreitung beteiligt sind. Beispiele sind Tyrosinkinase-Inhibitoren und monoklonale Antikörper ohne radioaktive Markierung. Diese Therapien bieten eine präzisere Behandlung mit weniger Nebenwirkungen als herkömmliche Chemotherapie.
Bei hormonabhängigen Krebsarten wie Brust- oder Prostatakrebs kann eine Hormonersatztherapie (HRT) eingesetzt werden, um die Hormonproduktion zu blockieren oder die Wirkung von Hormonen zu verhindern, die das Tumorwachstum fördern.
Chirurgische Eingriffe
Chirurgie ist oft die erste Wahl zur Entfernung von Tumoren, insbesondere bei soliden Tumoren, die auf andere Behandlungen nicht ansprechen. Minimal-invasive Techniken wie laparoskopische Chirurgie reduzieren die Erholungszeit und postoperative Komplikationen.
Photodynamische Therapie (PDT)
PDT verwendet lichtempfindliche Substanzen und Licht, um Krebszellen zu zerstören. Diese Methode wird häufig bei oberflächlichen Tumoren und präkanzerösen Läsionen der Haut und Schleimhäute eingesetzt.
Diese alternativen Verfahren bieten vielfältige Optionen zur Behandlung von Krebs, abhängig von der spezifischen Art und dem Stadium der Erkrankung sowie den individuellen Bedürfnissen und dem Gesundheitszustand des Patienten.
Quellen
- Bücheler, E., et al.: Einführung in die Radiologie: Diagnostik und Interventionen. Thieme, Stuttgart 2006
- Sauer, R.: Strahlentherapie und Onkologie. Urban & Fischer, München 2009
- Zink, C.: Schering Lexikon Radiologie. AWB Wissenschaftsverlag, Berlin 2005