Hormonersatztherapie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. Oktober 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Eine Hormonersatztherapie (HET) kann während der Wechseljahre einer Frau und weit darüber hinaus zum Einsatz kommen. Dies ist der Zeitraum, in dem die Eierstöcke allmählich ihre Hormonproduktion aufgeben und die körpereigene Produktion der Hormone Östrogen und Gestagen zum Erliegen kommt. Eine Hormonersatztherapie wird unter Anderem eingesetzt, um Beschwerden der Wechseljahre wie Hitzewallungen, Libidoverlust, Schlafstörungen und Scheidentrockenheit zu lindern.
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Was ist eine Hormonersatztherapie?
Bei einer Hormonersatztherapie soll der Mangel an Östrogen und Gestagen in den Wechseljahren einer Frau, die etwa im Alter zwischen 45 und 55 Jahren stattfinden, sowie in der darauffolgenden Zeit (Postmenopause) ausgeglichen werden.
Mit der stockenden Hormonproduktion in den Wechseljahren treten bei Frauen häufig belastende biologische Veränderungen ein, die durch eine Hormonersatztherapie verlangsamt werden können. Die Hormonersatztherapie wird entweder in Form von Tabletten, Hormonpflastern oder Vaginalzäpfchen bzw. Scheidencremes verabreicht und besteht meistens aus einer Kombination von Östrogenen und Gestagenen.
Durch eine Hormonersatztherapie soll nicht die vorherige Hormonkonzentration im Körper wieder erzeugt werden, sondern es wird beabsichtigt, die durch Hormonmangel entstehenden Beschwerden zu beseitigen.
Geschichte & Entwicklung
Die Hormonersatztherapie (HRT) hat ihren Ursprung in der frühen Forschung des 20. Jahrhunderts, als die Wissenschaft begann, die Funktion von Hormonen zu verstehen. Die Entdeckung der weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron in den 1920er und 1930er Jahren markierte einen bedeutenden Fortschritt. 1930 extrahierte der amerikanische Gynäkologe James Collip Östrogen aus tierischen Eierstöcken, was die Grundlage für die Hormontherapie legte. In den 1940er Jahren wurde synthetisches Östrogen verfügbar, das hauptsächlich zur Linderung von Wechseljahrsbeschwerden bei Frauen eingesetzt wurde.
Die HRT erlangte in den 1960er Jahren größere Verbreitung, als der US-amerikanische Arzt Robert Wilson in seinem Buch „Feminine Forever“ für die Hormonbehandlung warb, um Alterserscheinungen bei Frauen zu verhindern. Dies führte zu einem Boom der HRT, obwohl die langfristigen Auswirkungen noch unklar waren.
In den 1970er und 1980er Jahren wurde jedoch zunehmend Kritik laut, insbesondere aufgrund des erhöhten Risikos für Brustkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dies führte in den 1990er Jahren zu umfassenden klinischen Studien, darunter die Women's Health Initiative, deren Ergebnisse 2002 veröffentlicht wurden. Diese Studien zeigten, dass HRT mit erhöhten Gesundheitsrisiken verbunden ist, was zu einem Rückgang der Verschreibungen führte.
Einsatz & Indikation
Eine Hormonersatztherapie (HRT) wird hauptsächlich durchgeführt, um Symptome zu lindern, die durch hormonelle Veränderungen im Körper entstehen, insbesondere bei Frauen in den Wechseljahren. In dieser Lebensphase sinkt der natürliche Östrogen- und Progesteronspiegel, was zu Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Scheidentrockenheit und einem erhöhten Risiko für Osteoporose führen kann. HRT wird eingesetzt, um diese Symptome zu mildern und die Lebensqualität zu verbessern.
Die Therapie wird auch in bestimmten Fällen bei Frauen nach einer chirurgischen Entfernung der Eierstöcke (Oophorektomie) notwendig, da dies zu einem plötzlichen Hormonmangel führt. Außerdem kann HRT bei Frauen mit frühzeitigem Eintritt in die Wechseljahre (vor dem 40. Lebensjahr) zum Einsatz kommen, um die negativen Auswirkungen eines vorzeitigen Hormonverlusts zu minimieren.
Neben Frauen in den Wechseljahren wird HRT auch bei Männern angewendet, die unter einem erheblichen Testosteronmangel (Hypogonadismus) leiden, der zu Symptomen wie Müdigkeit, Depressionen, Muskelschwäche und verringertem Sexualtrieb führen kann.
Die Entscheidung für eine HRT wird nach einer individuellen Abwägung getroffen, wobei die Intensität der Symptome, das persönliche Gesundheitsprofil und potenzielle Risiken berücksichtigt werden.
Vorteile & Nutzen
Die Hormonersatztherapie (HRT) bietet gegenüber anderen Behandlungsmethoden einige spezifische Vorteile, insbesondere bei der Linderung von Wechseljahrsbeschwerden. Einer der größten Vorteile ist die direkte Behandlung der Ursache der Symptome – dem Hormonmangel. Dadurch kann HRT effektiv Hitzewallungen, Nachtschweiß, Schlafstörungen und Scheidentrockenheit reduzieren, was die Lebensqualität vieler Frauen erheblich verbessert. Keine andere Therapieform zielt so gezielt auf die Wiederherstellung des natürlichen Hormonspiegels ab.
Ein weiterer bedeutender Vorteil der HRT ist der Schutz vor Osteoporose. Der Hormonverlust in den Wechseljahren führt zu einer beschleunigten Knochendichteabnahme, was das Risiko von Knochenbrüchen erhöht. HRT kann diesem Prozess entgegenwirken und das Risiko für Frakturen, insbesondere der Hüfte und Wirbelsäule, verringern.
Im Vergleich zu pflanzlichen oder alternativen Behandlungsmethoden, die oft weniger wirksam sind und wissenschaftlich nur begrenzt belegt wurden, bietet die HRT gut dokumentierte Ergebnisse und wird von medizinischen Fachgesellschaften empfohlen. Zudem können personalisierte Behandlungspläne entwickelt werden, bei denen Art, Dosierung und Dauer der Hormontherapie individuell auf die Bedürfnisse und das Gesundheitsprofil der Patientin abgestimmt werden, was eine flexible und gezielte Therapie ermöglicht.
Funktion, Wirkung & Ziele
Bis vor zehn Jahren galt die Hormonersatztherapie als Ideallösung, um Beschwerden der Wechseljahre zu verringern. Mittlerweile aber ist belegt, dass mit dieser Therapie auch erhebliche Gefahren verbunden sein können. Viele Frauen gehen dennoch auf eine Hormonersatztherapie ein, entweder weil sie unter starken Wechseljahresbeschwerden leiden oder aber weil sie überzeugt worden sind, dass eine Hormonersatztherapie sie vor Osteoporose (Abnahme der Knochendichte), Herzinfarkt oder Depressionen schützen könne.
Tatsächlich treten durch eine Hormonersatztherapie weitaus weniger Symptome wie Schweißausbrüche, Libidoverlust und Stimmungsschwankungen auf. Auch das Abnehmen der Knochendichte verlangsamt sich erwiesenermaßen im Laufe dieser Therapie.
Mit einer Hormonersatztherapie in und nach den Wechseljahren kann außerdem das kosmetische Ziel verfolgt werden, Falten zu verhindern und somit ein verjüngtes Aussehen zu erhalten. Weiterhin wird die Therapie auch eingesetzt, um Harnwegsinfekte zu reduzieren.
Bevor eine Hormonersatztherapie verordnet wird, erfolgt eine eingehende gynäkologische Untersuchung durch den Frauenarzt sowie in vielen Fällen mit Hilfe einer Blutuntersuchung die Feststellung des Hormonspiegels. Der Arzt bespricht dann mit der Patientin Nutzen und Risiko einer Hormonersatztherapie. Auf Grund von möglichen Risiken muss individuell bestimmt werden, welches die niedrigste effektive Dosis für die jeweilige Patientin ist und für wie lange sie die Therapie durchführen sollte.
Bei Frauen über 60 wird empfohlen, keine Hormonersatztherapie mehr einzusetzen. Als Behandlungsdauer wird eine Durchschnittszeit zwischen 3 und fünf Jahren angesetzt, nach der die Hormone allmählich reduziert und dann ganz abgesetzt werden.
Die Hormonersatztherapie kann über verschiedene Präparate verabreicht werden. Die früher in den Anfangsjahren verabreichten Dosierungen werden heutzutage als zu hoch eingeschätzt. Mittlerweile wird so niedrig wie nur möglich dosiert, um Gefahren und Nebenwirkungen zu verringern.
Die Hormonersatztherapie wird häufig in Tablettenform verabreicht. Eine durch Hormonmangel bedingte Trockenheit der Scheide wird meistens nicht mit Tabletten, sondern einer östrogenhaltigen Creme behandelt, die den Körper wesentlich weniger belastet als Tabletten. Inzwischen gibt es auch niedrig dosierte Hormonpflaster, die möglicherweise ebenfalls weniger Nebenwirkungen haben.
Durchführung & Ablauf
Eine Hormonersatztherapie (HRT) beginnt mit einer ausführlichen medizinischen Beratung durch den Arzt, bei der die Symptome, das persönliche Gesundheitsprofil und potenzielle Risiken der Patientin oder des Patienten besprochen werden. Abhängig von den individuellen Bedürfnissen und Zielen wird dann die Art der Hormonersatztherapie festgelegt.
Es gibt verschiedene Formen der HRT. Frauen können Östrogen allein oder in Kombination mit Progesteron erhalten, wobei Letzteres für Frauen mit intakter Gebärmutter notwendig ist, um das Risiko für Gebärmutterschleimhautkrebs zu senken. Die Hormone können auf unterschiedliche Weise verabreicht werden: als Tabletten, Pflaster, Gele, Cremes oder als Hormonspirale. Bei Männern erfolgt die Testosterontherapie meist in Form von Gels, Pflastern oder Injektionen.
Während der Therapie werden die Hormone regelmäßig eingenommen oder aufgetragen, wobei die Dosierung und der Verabreichungsweg individuell angepasst werden. Eine regelmäßige Kontrolle durch den Arzt ist entscheidend, um den Verlauf der Therapie zu überwachen und mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen.
Die Dauer der HRT hängt von den Symptomen und dem allgemeinen Gesundheitszustand ab. Oft wird sie für einige Jahre durchgeführt, wobei der Arzt die Dosis schrittweise reduziert, um die Patientin sanft vom Hormonmangel zu entwöhnen und das Absetzen der Therapie zu erleichtern.
Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren
Neueste Studien zeigen, dass die Risiken einer Hormonersatztherapie womöglich größer sind als ihr Nutzen. Offenbar sind mit Hormonersatztherapie behandelte Patientinnen stärker gefährdet, an Brustkrebs oder Eierstockkrebs zu erkranken oder einen Herzinfarkt zu erleiden als jene Frauen, die keine Hormonersatztherapie erhalten.
Es hat sich auch gezeigt, dass ein erhöhtes Risiko bei einigen Vorerkrankungen wie z.B. Übergewicht, Arteriosklerose und Bluthochdruck besteht. Weiterhin besteht erhöhte Gefahr, auf Grund der Hormonersatztherapie einen Herzinfarkt, eine Thrombose oder Gallenblasenprobleme zu bekommen. Auf keinen Fall sollte mit einer Hormonersatztherapie behandelt werden, wenn ein hormonabhängiger Tumor vorliegt wie z.B. bei Brustkrebs oder Gebärmutterkrebs. Eine Behandlung von Osteoporose durch Hormonersatztherapie sollte nur dann durchgeführt werden, wenn bereits hohe Bruchgefahr der Knochen besteht und andere Medikament nicht in Frage kommen.
Aus all dem lässt sich schließen, dass vor Beginn einer Hormonersatztherapie Nutzen und Risiken gründlich erwogen werden müssen. Unter Umständen kann bei starken Wechseljahrsbeschwerden eine gut überlegte, zeitlich begrenzte Hormonersatztherapie eingesetzt werden.
Alternativen
Es gibt mehrere alternative Verfahren zur Hormonersatztherapie, die vor allem dann in Betracht gezogen werden, wenn eine HRT aufgrund von gesundheitlichen Risiken oder persönlichen Präferenzen nicht möglich ist. Eine häufige Alternative ist der Einsatz von pflanzlichen Präparaten und Phytoöstrogenen. Diese Substanzen, die in Pflanzen wie Soja, Leinsamen und Rotklee vorkommen, ahmen die Wirkung von Östrogen im Körper nach und können helfen, Wechseljahrsbeschwerden wie Hitzewallungen und Nachtschweiß zu lindern. Ihre Wirksamkeit ist jedoch oft geringer als bei HRT, und die wissenschaftliche Datenlage ist uneinheitlich.
Eine weitere Option sind nicht-hormonelle Medikamente. Beispielsweise können Antidepressiva, insbesondere SSRIs und SNRIs, in niedrigen Dosen verschrieben werden, um Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen zu behandeln. Auch Clonidin, ein blutdrucksenkendes Mittel, und Gabapentin, ein Mittel gegen Nervenschmerzen, können Hitzewallungen reduzieren.
Zur Vorbeugung von Osteoporose, die eine häufige Folge des Hormonmangels ist, können kalzium- und vitamin-D-Präparate sowie Bisphosphonate oder Denosumab zum Einsatz kommen. Diese Medikamente stärken die Knochendichte und verringern das Risiko von Knochenbrüchen.
Zusätzlich kann eine gesunde Lebensweise, die regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und Stressreduktion einschließt, zur Linderung von Wechseljahrsbeschwerden beitragen und das allgemeine Wohlbefinden fördern.
Quellen
- Grüne, S., Schölmerich, J.: Anamnese, Untersuchung, Diagnose. Springer, Heidelberg 2007
- Mader, F., Weißgerber, H.: Allgemeinmedizin und Praxis. Springer, Heidelberg 2014
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015