Riechkolben

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Riechkolben oder Bulbus olfactorius verarbeitet Sinnesreize aus der Nase und ist Teil der Riechbahn. Er befindet sich an der Frontallappen-Basis des Gehirns und besitzt mit den Mitral-, Pinsel- und Körnerzellen spezielle Typen von Neuronen. Schäden und Funktionsbeeinträchtigungen im Riechkolben führen zu verschiedenen Riechstörungen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Riechkolben?

Der Riechkolben bildet eine Zwischenstelle in der Verarbeitung olfaktorischer Reize: In ihm laufen die Informationen aus den Riechfäden zusammen.
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Der Geruchssinn ist einer von fünf Sinnen des Menschen und ermöglicht die olfaktorische Wahrnehmung. Mit ihrer Hilfe erkennen Menschen genießbare Nahrung und nehmen Pheromone wahr.

Darüber hinaus spielt das Riechen eine wichtige Rolle für den Geschmackssinn und beim Erkennen unsichtbarer Gefahren wie Fäulnis oder Rauch. Die Fachsprache kennt den Riechkolben auch als Bulbus olfactorius. Der Name leitet sich von den lateinischen Begriffen für „Zwiebel“ (bulbus) und „riechen“ (olfacere) ab.

Anatomie & Aufbau

Anatomisch spaltet sich der Riechkolben in zwei strukturelle Einheiten: Den Hauptriechkolben (Bulbus olfactorius im eigentlichen Sinne) sowie den Nebenriechkolben (Bulbus olfactorius accessorius). Der Riechkolben liegt an der Basis des Frontallappens des Gehirns, wo er eine längliche Struktur bildet, die aus dem umliegenden Gewebe hervorragt.

Er liegt auf der Siebplatte (Lamina cribrosa) des Siebbeins (Os ethmoidale); das Siebbein stellt einen Teil des menschlichen Schädels dar. Der Knochen bildet an dieser Stelle keine undurchlässige Barriere, sondern verfügt über Kanäle für die Riechnerven (Nervi olfactorii). Die Riechnerven verbinden den Riechkolben mit den Sinneszellen in der Nase. Entgegen eines weit verbreiteten Irrtums sind die Riechzellen nicht über die gesamte Innenwand der Nase verteilt, sondern beschränken sich auf die Riechschleimhaut (Regio olfactoria). Die Fila olfactoria oder Riechfäden sind die Axone dieser Zellen und bilden zusammen den Riechnerv oder Nervus olfactorius.

Erst im Riechkolben befindet sich eine Synapse, an der das Nervensignal aus dem Riechnerv auf die Mitralzellen des Bulbus olfactorius übergeht. Die Mitralzellen befinden sich in der vierten Schicht von außen. Darüber liegen die äußere plexiforme Schicht, die Glomerularschicht/Knäuelschicht sowie die Nervenschicht. Weitere im Inneren des Riechkolbens, unterhalb der Mitralzellschicht, liegen de innere plexiforme Schicht sowie die Körnerzellschicht.

Funktion & Aufgaben

Der Riechkolben bildet eine Zwischenstelle in der Verarbeitung olfaktorischer Reize: In ihm laufen die Informationen aus den Riechfäden zusammen. Für die Funktion des Bulbus olfactorius ist vor allem eine der insgesamt sechs Schichten entscheidend: die Mitralzellschicht. Ihre Zellen besitzen eine pyramidenähnliche Gestalt und sammeln Signale von jeweils 1000 einzelnen Sinneszellen.

An den kugeligen Glomeruli olfactorii, die in dieser Schicht liegen, befinden sich die Synapsen zwischen den Mitralzellen des Riechkolbens und den Riechfäden. In entgegengesetzter Richtung, zu höheren Hirnarealen hin, verlässt der Tractus olfactorius den Riechkolben. Der Tractus olfactorius besteht aus rund 30.000 einzelnen Nervenfasern, die je einer Mitralzelle entspringen, und bildet das Nadelöhr zur weiteren Verarbeitung der Geruchsinformationen. Nur über den Riechkolben und den Tractus olfactorius können diese Sinnesreize den Riechhügel (Tuberculum olfactorium), den Nuclei septales und den Gyrus parahippocampalis erreichen.

Das Riechhirn ist eng mit Bereichen des Gehirns verknüpft, die Emotionen verarbeiten; die Wahrnehmung von Gerüchen erzeugt deshalb oft automatische Gefühlsreaktionen und kann Erinnerungen triggern. Dieser Vorgang kann positive, neutrale und negative Erinnerungen betreffen, ist besonders gut jedoch aus dem Zusammenhang mit der Posttraumatischen Belastungsstörung bekannt. Bei dieser psychischen Krankheit können olfaktorische Wahrnehmungen und andere Auslöser dazu führen, dass Betroffene schwer belastende Ereignisse wiedererleben. Auch im positiven Sinne können Gerüche auf diesem Weg das Allgemeinbefinden fördern.


Krankheiten

Vielfältige Läsionen durch Verletzungen, neurodegenerative und entzündliche Krankheiten, Fehlbildungen und andere pathologische Zustände können die Funktion des Riechkolbens beeinträchtigen oder ganz unterbinden. Die Medizin spricht in beiden Fällen von einer zentralen Dysosmie; bei dieser Art von Riechstörung sind die Riechnerven sowie die Sinneszellen unter Umständen vollständig intakt, doch die Verarbeitung auf zerebraler Ebene ist gestört.

Dysosmie stellt einen Überbegriff dar und lässt sich in quantitative und qualitative Störungen gliedern. Zu den quantitativen Geruchsstörungen gehören die Hyposmie, die sich durch verschlechterte olfaktorische Wahrnehmung auszeichnet, sowie die Anosmie, bei der Betroffene faktisch oder praktisch (funktionelle Anosmie) nichts mehr riechen. Gesteigerte Riechfähigkeit oder Hyperosmie kann sich während der Schwangerschaft manifestieren oder auf Krankheiten zurückgehen, an denen das zentrale Nervensystem beteiligt ist. Beispiele sind Psychosen – psychische Störungen, die mit Wahngedanken, Halluzinationen und Negativsymptomatik wie Affektverflachung einhergehen – sowie Epilepsie.

Alle Geruchsstörungen stellen nur dann Krankheiten dar, wenn sie pathologisch ausgeprägt sind. Zum Beispiel besitzen Menschen mit Hyperosmie nicht einfach einen guten Geruchssinn, sondern leiden unter der Geruchsstörung und ihren Folgen.

Neben den drei quantitativen Geruchsstörungen existieren verschiedene qualitative Störungen der olfaktorischen Wahrnehmung. Menschen mit Euosmie nehmen Reize als angenehm wahr, die mehrheitlich als unangenehm gelten; den umgekehrten Fall bezeichnet die Medizin als Kakosmie. Personen, die unter Geruchsagnosie leiden, können Düfte zwar wahrnehmen, jedoch nicht erkennen oder zuordnen. Darüber hinaus können Störungen im Riechkolben zur Phantosmie führen, d. h. zur Wahrnehmung von Gerüchen, die nicht vorhanden sind.

Die Phantosmie kann durch fehlerhafte Reizung des Riechkolbens entstehen, bei der elektrische Signale ungewollt in den Neuronen entstehen oder über falsche Verbindungen zu ihnen gelangen. Im Gegensatz dazu ist der auslösende Geruch bei Parosmie zwar vorhanden, doch die subjektive Wahrnehmung ist verändert. Wenn Menschen unter Einfluss von bestimmten Emotionen einen Duft mit einem anderen Verwechseln (aber nicht unter anderen Bedingungen), sprechen Ärzte von Pseudoosmie.

Quellen

  • Arnold, W., Ganzer, U.: Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Klinke, R., Silbernagl, S.: Lehrbuch der Physiologie. Thieme, Stuttgart 2005

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