Rydel-Seiffer-Stimmgabel

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 25. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Rydel-Seiffer-Stimmgabel ist eine (fast) normale Stimmgabel mit den Grundfrequenzen 64 und 128 Hz, den natürlichen C- und c-Schwingungen, die ein wenig von der heute üblichen Konzertschwingung, die auf dem Kammerton a mit 440 Hz basiert, abweichen. Die Rydel-Seiffer-Stimmgabel wird zur Diagnostik von Funktionsbeeinträchtigungen der peripheren Nerven eingesetzt sowie zur Diagnostik ob bei einer vorliegenden Beeinträchtigung des Hörvermögens eine Mittelohr- oder Innenohrschwerhörigkeit vorliegt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Rydel-Seiffer-Stimmgabel?

Die Bezeichnung Rydel-Seiffer-Stimmgabel geht auf Adam Rydel und Friedrich Wilhelm Seiffer zurück.

Die Bezeichnung Rydel-Seiffer-Stimmgabel geht auf Adam Rydel und Friedrich Wilhelm Seiffer zurück, die beide gemeinsam 1903 ein Verfahren zur Messung des Vibrationsempfindens mittels einer Stimmgabel vorschlugen. Stimmgabel und Verfahren stellen auch heute noch ein wichtiges und erstes Diagnoseverfahren zur Erkennung einer Neuropathie oder sonstiger Probleme des peripheren Nervensystems dar. Darüber hinaus lässt sich mit der Rydel-Seiffer-Stimmgabel auf einfache und sichere Art feststellen, ob es sich bei einer Hörminderung um eine Mittelohr- oder Innenohrschwerhörigkeit handelt.

Prinzipiell handelt es sich um eine Stimmgabel in der Grundschwingung c mit 128 Hz, wobei zwei Gewichte (Schwingungsdämpfer), die auf beiden Enden der Zinken befestigt werden, die Schwingung um eine Oktave auf 64 Hz reduzieren. Messungen der Vibrationsempfindlichkeit werden immer mit aufgesetzten Dämpfern, also mit einer Schwingungsfrequenz von 64 Hz durchgeführt. Die Dämpfer tragen Markierungen und eine Skala von 1 bis 8, an denen die Schwingungsstärke optisch abgelesen werden kann. Nach dem Anreißen der Stimmgabel entspricht die Schwingung der 1 und erreicht allmählich den Wert 8 unmittelbar bevor die Schwingung vollständig ausklingt.

Die Nutzung der Rydel-Seiffer-Stimmgabel basiert auf der Erkenntnis, dass bei neuropathologischen Beeinträchtigungen das Vibrationsempfinden als bester Frühindikator dienen kann. Die C-Schwingung entspricht mit 64 Hz nicht ganz der Kammertonstimmung, dessen tiefes C mit 65,4 Hz schwingt.

Formen, Arten & Typen

Alle Rydel-Seiffer-Stimmgabeln, die im Fachhandel angeboten werden, arbeiten nach dem gleichen Prinzip. Es handelt sich immer um Stimmgabeln, die bei nicht aufgesetzten Dämpfern mit 128 Hz und bei aufgeschraubten Dämpfern eine Oktave tiefer, mit 64 Hz, schwingen.

Alle für neuropathologische Untersuchungen geeignete Rydel-Seiffer-Stimmgabeln verfügen über jeweils zwei Dreiecke, die einen optischen Effekt hervorrufen, an der die jeweilige Schwingungsintensität abgelesen werden kann. Die genormte Intensitätsskala reicht von 1 (starke Schwingung) bis 8 (schwächste Schwingung).

Die Preisspanne für Rydel-Seiffer-Stimmgabeln, die für den Einsatz in der medizinischen Diagnostik geeignet sind, hält sich in engen Grenzen. Neuropathologische Messungen der peripheren Nerven erfolgen immer nur in der auf 64 Hz reduzierten Frequenz, während für die Untersuchung des Gehörs die Gewichte abgenommen werden.

Aufbau & Funktionsweise

Rydel-Seiffer-Stimmgabeln sind im Aufbau den in der Musik verwendeten Stimmgabeln sehr ähnlich. Sie verfügen allerdings immer über einen Hartgummifuß, der nach dem Anreißen der Stimmgabel auf bestimmte Körperstellen – möglichst senkrecht zur Hautoberfläche - gesetzt werden kann, um die Vibrationssensibilität an der entsprechenden Stelle bzw. eines bestimmten Nervs zu messen.

Die beiden Gewichte, die an den beiden Enden der Stimmgabel aufgesetzt und mittels Rändelschrauben festgeschraubt werden können, dienen nicht nur dem Zweck, die Schwingung von 128 Hz auf 64 Hz zu reduzieren, sondern sie ermöglichen auch das Ablesen der jeweiligen Schwingungsintensität.

Zur Messung der Vibrationssensitivität wird die Stimmgabel angerissen und mit dem Fuß auf die Endstelle des zu untersuchenden Nervs gesetzt. Falls eine systemische Neuropathie vermutet wird, kann der Fuß der angerissenen Stimmgabel beispielsweise auf eines der vier Tarsometatarsalgelenke gesetzt werden, die die Verbindung zwischen Mittelfuß- und Fußwurzelknochen herstellen.

Zur Untersuchung von Gehörschwächen dienen der sogenannte Weber- und der Rinne-Test, die beide mit abgenommenen Dämpfern, also mit 128 Hz vorgenommen werden. Bei abgenommenen Dämpfern kann die Schwingungsintensität nicht mehr abgelesen werden, was bei den Hörtests kein Problem darstellt, da es hierbei hauptsächlich um qualitative Effekte geht.


Medizinischer & gesundheitlicher Nutzen

Sensorisch werden Vibrationen von den sogenannten Vater-Pacini-Körperchen wahrgenommen. Es handelt sich dabei um marklose Enden peripherer, mit einer Markscheide umgebenen, Nerven. Die Nervenenden sind von Lamellen umgeben, eingekapselt und finden sich in unterschiedlicher Dichte in der Unterhaut (Subcutis). Die Vater-Pacini-Körperchen weisen von allen Mechanorezeptoren die höchste Sensitivität auf, so dass sie auch sehr sensibel auf Funktionseinschränkungen der sensiblen Nerven, etwa infolge einer beginnenden Neuropathie, reagieren.

Neuropathien können beispielsweise durch Stoffwechselstörungen infolge von Diabetes, durch manifesten Mangel an Vitamin B-12, durch Neurotoxine, durch bakterielle Nervenentzündungen oder auch durch chronischen Alkoholmissbrauch entstehen.

Die Erkennung und die grobe Quantifizierung derartiger Nervenschäden kann mit geringem Aufwand sehr kostengünstig – und dennoch treffsicher - durch Tests mit der Rydel-Seiffer-Stimmgabel durchgeführt werden.

Bei den Tests und der nachfolgenden Diagnose muss berücksichtigt werden, dass das Vibrationsempfinden mit zunehmendem Alter nachlässt. Während jüngere Menschen die geringste Stufe auf der Rydel-Seiffer-Stimmgabel (8/8) noch wahrnehmen sollten, stellt der Rückgang der Sensitivität auf 6/8 bei Menschen über 70 den Normalfall dar.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit betrifft die qualitative Überprüfung des Gehörs bei vorliegender Hörminderung. Eine Hörminderung kann durch Probleme mit dem äußeren Ohr (Gehörgang und Trommelfell), durch das Mittelohr (Gehörknöchelchen) oder durch das Innenohr (Gehörschnecke oder Cochlea) verursacht werden.

Während Schäden im äußeren Ohr, wie ein verstopfter Gehörgang oder ein defektes Trommelfell, relativ einfach diagnostiziert werden können, ist die Unterscheidung, ob ein Problem in der Umsetzung des empfangenen Schalls über die Gehörknöchelchen auf die Cochlea vorliegt oder ob die Hörminderung auf der Umsetzung der mechanischen Reize auf nervliche Impulse und der Weiterleitung beruht schwierig.

Der sogenannte Weber-Test und der anschließende Rinne-Test, die beide mit der Rydel-Seiffer-Stimmgabel ohne Gewichte durchgeführt werden (also mit 128 Hz), geben die Gewissheit, auf welchem Ohr Innen- oder Mittelohrschwerhörigkeit vorliegt.

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