Schreien

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Schreien bezeichnet eine Lautäußerung in hoher Lautstärke. Mit dem Schreien sind meist starke emotionale Empfindungen verbunden, je nach Lebensalter des Menschen hat Schreien eine andere kommunikative Bedeutung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Schreien?

Schreien bezeichnet eine Lautäußerung in hoher Lautstärke. Mit dem Schreien sind meist starke emotionale Empfindungen verbunden.

Ein Schrei ist eine Lautäußerung des Menschen in erhöhter Lautstärke. Säuglinge schreien durchdringend und ausdauernd, um auf sich aufmerksam zu machen und sich die Pflege eines Erwachsenen zu sichern. Je älter der Mensch wird, desto weniger schreit er aus Hilfebedarf, das Schreien wandelt sich dann zum Warnsignal oder zum Mittel der Kommunikation über weite Strecken.

Je lauter ein Mensch schreien kann, desto weiter weg können andere Menschen sein, mit denen er kommunizieren will. Im evolutionären Sinne hatte diese Art der Lautäußerung auch einen schützenden Effekt: je größer, bunter und lauter ein Feind sich zeigen konnte, als desto bedrohlicher wurde er wahrgenommen. Schreien half dem Menschen, Feinden im Kampf und in der Verteidigung als bedrohlich zu erscheinen.

Noch heute schreien Menschen etwa im Streit. Weiterhin wird Schreien im Erwachsenenalter mit starken emotionalen Regungen verbunden - intensive Wut, Trauer oder Freude können zur Erhebung der Stimmlautstärke bis hin zum Schreien führen.

Funktion & Aufgabe

Eine besondere Bedeutung hat das Schreien für Neugeborene und Säuglinge. Sie können sich noch nicht in klaren Worten artikulieren, anfangs können sie kaum unterschiedliche Bedürfnisse ausdrücken. Binnen einiger Wochen lernen Eltern, das Schreien ihres Säuglings zu interpretieren und Unterschiede zu erkennen. Ein Säugling schreit laut und durchdringend, um sich die Aufmerksamkeit von Erwachsenen zu sichern, insbesondere die der Eltern. Die Vermutung liegt nahe, dass das Schreien bei den Eltern das Bedürfnis wecken soll, es abzustellen - daher befriedigen sie die Bedürfnisse des Kindes und lernen selbst, dass das Kind dann aufhört zu schreien.

Säuglinge schreien aus Hunger, Einsamkeit oder auch aus Schmerz. Im Kindesalter geht das Schreien in die Trotzphase über, in der Kleinkinder lernen, mit dem Gefühl der Wut und Aggression zurecht zu kommen. Im Verlauf des späteren Lebens schreien Kinder schließlich aus starken Gefühlen oder aus Schmerz. Sie lernen, dass Schreien Dominanz ausdrücken kann, weshalb im Streit oder heftigen Diskussionen oft die Stimme erhoben wird.

Je mehr der junge Mensch lernt, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden, desto gewählter setzt er das Schreien ein, wenn es nicht der reinen Kommunikation über größere Entfernungen hinweg dient. Im Erwachsenenalter hat das Schreien einen strategischen Nutzen. Es drückt Dominanz gegenüber dem Gesprächspartner aus und kann ein Ventil sein, um hohe emotionale Belastungen zu steuern.

Während beim Rufen noch die Tonlage gesteuert werden kann, ist das beim tatsächlichen Schreien nicht mehr möglich, sodass bei Erwachsenen vielfach nicht mehr die Kommunikation, sondern der Umgang mit Emotionen dabei im Vordergrund steht.


Krankheiten & Beschwerden

Bereits im Säuglingsalter kann Schreien zum Problem werden. So genannte Schreibabys schreien öfter und mehr als andere Babys in ihrem Alter. Manchmal hat ihr Schreien einen konkreten Grund, andere Schreibabys lassen sich durch nichts beruhigen und schreien über Stunden hinweg, ohne dass ihnen von den Eltern geholfen werden kann.

Meistens gibt es fürs exzessive Schreien jedoch einen greifbaren Grund, dem eine Schreiambulanz auf die Spur kommen kann, um Abhilfe zu schaffen. Es können körperliche Ursachen wie von außen nicht erkennbare Schmerzen in Frage kommen, manchmal kann ein anderer Umgang mit dem Baby das Schreien verringern. Schreibabys entwickeln dieses Problem meistens in den ersten Lebenswochen und -monaten, seltener tritt exzessives Schreien im Kindesalter auf.

Die Trotzphase kann erneut schwierig werden, da manche Kinder es schwerer haben als andere, den Umgang mit Wut zu erlernen. Der Grund ihres Schreiens ist für die Eltern dann zwar nachvollziehbarer, zehrt aber dennoch nicht weniger an den Nerven und kann das Eltern-Kind-Verhältnis extrem belasten.

Im Kindes- und Erwachsenenalter stecken hinter häufigem Schreien meistens Probleme, starke Emotionen wie Wut und Aggression zu bewältigen. Betroffene haben im Kindesalter nur unzureichend gelernt, damit umzugehen, und nutzen lautes Schreien nun als Ventil. Mit ihrem Problem sind manchmal auch andere aggressive Verhaltensweisen verbunden, die sie schneller an den Tag legen als andere Menschen unter vergleichbarer emotionaler Belastung. Derartige Probleme treten oft erstmalig im Jugendalter auf, es gibt allerdings auch schon Kinder, die ungewöhnlich aggressiv reagieren.

Weniger auffällig sind Erwachsene, die zwar weniger aggressiv sind, dafür aber ungewöhnlich schnell ihren Gesprächspartner anschreien. Auch sie haben nicht gelernt, anders mit Emotionen wie Wut umzugehen, und nutzen die erhobene Stimme daher, um ihre Dominanz im Gespräch auf einfachem Wege zu erreichen. Mit gezielter Psychotherapie kann ihnen geholfen werden, Wut auf gesellschaftlich akzeptierte Arten auszudrücken und einen weniger aggressiven Umgang mit ihr zu finden, um im Gespräch mit anderen ruhiger zu bleiben. Menschen, die oft und schnell mit Schreien im Gespräch reagieren, bekommen deswegen in der Regel Probleme in der alltäglichen Kommunikation und lassen sich daher freiwillig behandeln, sobald sie diesen Zusammenhang erkennen.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Netter, F.H. et. al.: NETTERs Allgemeinmedizin. Thieme, Stuttgart 2006

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