Hunger
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. November 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Jeder Organismus benötigt eine ausreichende Energiezufuhr, um die Körperprozesse vernünftig durchführen zu können. Alles, was er über die Nahrung aufnimmt, wird im Körper weiterverarbeitet und als Energie für den Alltag genutzt. Stellt der Mensch – oder ein anderes Lebewesen – dem Körper nicht ausreichend Nährstoffe zu Verfügung, setzt Hunger oder das Hungergefühl ein. Hunger ist von Appetit zu unterscheiden.
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Was ist Hunger?
Hunger ist ein Warnsignal des Körpers. Es handelt sich um eine vom Gehirn ausgelöste, als unangenehm wahrgenommene Empfindung, die den Betroffenen dazu bringt, Nahrung aufzunehmen.
Die Empfindung wird von Neurotransmittern im Hypothalamus (Zwischenhirn) gesteuert. Hierbei handelt es sich um das hauptsächliche Steuerungssystem des zentralen Nervensystems, das für die gesamte Funkion und Aufrechterhaltung des inneren Organismus verantwortlich ist.
Die Hunger- und Sättigungsgefühle werden durch komplexe Zusammenspiele im Körper gesteuert, die bis heute nicht alle zu Genüge erforscht sind. Eine nicht ausreichende Füllung des Magens wird mit Magenknurren angezeigt, löst aber an sich nicht das bekannte Hungergefühl aus. Als Marker hierfür dienen mitunter die im Blut enthaltenen Glucose- und Insulinmengen.
Versorgt der Mensch den Körper nicht ausreichend mit Nährstoffen, hat das auf Dauer fatale Folgen, die im Extremfall im Hungertod enden können. Dieser ist in den industrialisierten Ländern nicht mehr zu befürchten, wohingegen Menschen in armen Ländern der Erde noch von Hungersnöten bedroht sein können.
Das Wissen um Nahrungszufuhr als hungerstillende Maßnahme ist im Körper der Lebewesen verankert. So besitzen auch Tiere den Instinkt, regelmäßig auf Jagd zu gehen, um ein Verhungern zu verhindern. Manche Tiere schaffen Vorräte für harte Zeiten oder den Winter, um in diesen Zeiträumen keinen Hunger leiden zu müssen.
Nicht nur Hunger bringt den Menschen dazu, zu essen. So hat die Sozialisation und Gesellschaft Nahrung zu einem Genussmittel erhoben, das auch andere Zwecke verfolgt als die Sicherstellung des Überlebens. Daher ist der Appetit als psychisches Phänomen vom Hunger zu unterscheiden.
Funktion & Aufgabe
Die Funktion des Hungergefühls ist es, die ausreichende Nährstoffversorgung des Körpers sicherzustellen. Damit einher geht das Sättigungsgefühl, das bei Stillung des Hungers eintritt und dem Menschen die ausreichende Aufnahme an Nährstoffen anzeigt.
Ohne das Hungergefühl bestünde die Gefahr, den Körper nicht genügend zu versorgen. Dieser zieht die Energie, die zum Erfüllen der täglichen Aufgaben benötigt werden, aus der Nahrung. Wird der Hunger über längere Zeit nicht gestillt, kommt es zu körperlichen Beschwerden, die sich unterschiedlich stark ausprägen und je nach Dauer rapide zunehmen, denn der Körper zehrt dann von den körpereigenen Energiereserven.
Wie lange das Sättigungsgefühl anhält, ist von Person zu Person unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören einerseits die körperliche Verfassung, andererseits aber auch die Aktivität. Je aktiver der Mensch ist, umso mehr Energie verbraucht und benötigt er. Daher haben aktive Menschen einen höheren Kilokalorienbedarf, der über die Nahrung abgedeckt werden muss.
In Verbindung zum normalen Hungergefühl steht zudem der Heißhunger, der sich durch einen exzessiven Drang nach sofortiger Nahrungsaufnahme auszeichnet. Hierbei handelt es sich allerdings um einen Prozess, der eher mit Appetit als mit eigentlichem Hunger zu beschreiben ist. Mediziner unterscheiden dabei zwischen physisch und psychisch bedingtem Heißhunger.
Außerdem gibt es eine Mischform aus beidem. Zu erstgenanntem zählen beispielsweise hormonell bedingter Heißhunger oder solcher, der durch Unterzuckerung ausgelöst wird. Psychische Auslöser hingegen können beispielsweise emotionaler Stress oder verschiedene Essstörungen sein.
Krankheiten & Beschwerden
Hält das Hungergefühl über längere Zeit an, ohne befriedigt zu werden, schüttet das Gehirn Hormone aus, die für Stress sorgen. Der Körper kann im Hungerzustand jedoch auch stimmungsaufhellende Hormone ausschütten, die in hohem Maße zu rauschartigen Zuständen führen können. Hier liegt eine Gefahr für das Erkranken an verschiedene Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie.
Dauerhaft verminderte Nahrungsaufnahme führt zu Depressionen, Aggressionen und Stimmungsschwankungen. Zusätzlich zu den körperlichen Schädigungen und einem Verlust des Körpergewichts sind auch der Rückgang des Lustempfindens und Schlafstörungen keine Seltenheit. Auf Dauer wird außerdem das Sättigungsgefühl gestört. Dies kann zu Heißhungerattacken führen.
Krankheiten, die mit einer Störung des Hungergefühls und Essverhaltens einhergehen sind Magersucht (Anorexia Nervosa), Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) und Essattacken. Zudem kommt es bei dauerhaftem Nahrungsmangel zu einem sogenannten Hungerstoffwechsel. Der Stoffwechsel stellt sich um und ist gezwungen, die nötige Energie aus den eigenen Reserven zu ziehen. Über einen längeren Zeitraum hinweg stellt sich hierbei der gesamte Stoffwechsel um.
Unterernährung kann außerdem besonders in jüngerem Alter zu einer Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Entwicklung führen. Je nach Ausmaß bedingt eine Unterernährung massive Organschädigungen und kann schlussendlich im Hungertod enden.
Der Zusammenhang zwischen Hunger und Stress
Hunger und Stress stehen in einer engen, bidirektionalen Beziehung, die erhebliche Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit haben kann. Stress kann Hunger beeinflussen, und umgekehrt kann Hunger die Wahrnehmung und Reaktion auf Stress verstärken.
Unter Stress schüttet der Körper Hormone wie Cortisol und Adrenalin aus. Cortisol steigert häufig das Verlangen nach kalorienreichen und zuckerhaltigen Lebensmitteln, da diese kurzfristig das Belohnungssystem des Gehirns aktivieren. Gleichzeitig kann chronischer Stress den natürlichen Hunger- und Sättigungsrhythmus stören, was dazu führt, dass manche Menschen übermäßig essen, während andere unterdrückten Appetit erleben. Beides kann langfristig die Gesundheit gefährden, etwa durch Gewichtszunahme, Mangelernährung oder Stoffwechselstörungen.
Hunger selbst kann wiederum die Stressreaktion verstärken. Ein sinkender Blutzuckerspiegel löst die Freisetzung von Stresshormonen aus, um Energie bereitzustellen. Dies führt nicht nur zu körperlichen Symptomen wie Zittern oder Schwäche, sondern auch zu emotionaler Reizbarkeit und Konzentrationsproblemen. In extremen Fällen, etwa bei chronischem Hunger, wird die Stressantwort dauerhaft aktiviert, was das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und Angstzustände erhöht.
Ein weiteres Problem entsteht durch die Wechselwirkung von Hunger und sozialem Stress. Menschen, die unter Armut oder unsicheren Lebensbedingungen leiden, erleben oft einen Teufelskreis aus chronischem Stress und Hunger. Die physiologischen Folgen dieses Zusammenspiels können schwerwiegende Gesundheitsprobleme verursachen, darunter Fettleibigkeit (aufgrund des „Stressessens“) oder Krankheiten durch Unterernährung.
Auf hormoneller Ebene sind auch das Hormon Ghrelin und das Stresssystem eng verbunden. Ghrelin, das als „Hungerhormon“ bekannt ist, steigert nicht nur den Appetit, sondern wirkt auch stresslindernd. Dies könnte erklären, warum manche Menschen in stressigen Zeiten eher essen, um sich zu beruhigen. Allerdings erhöht ein langfristiger Anstieg von Ghrelin das Risiko für Übergewicht und damit verbundene Gesundheitsprobleme.
Der Zusammenhang zwischen Hunger und Stress ist komplex und erfordert eine ganzheitliche Betrachtung. Neben physiologischen Faktoren spielen auch psychologische und soziale Aspekte eine entscheidende Rolle, was die Relevanz dieses Themas für die individuelle und gesellschaftliche Gesundheit unterstreicht.
Der Einfluss von Hunger auf die Psyche
Hunger hat nicht nur körperliche, sondern auch erhebliche psychische Auswirkungen, die sowohl kurzfristig als auch langfristig die Gesundheit beeinflussen können. Wenn der Körper über längere Zeit nicht ausreichend Energie erhält, wird das Gehirn stark beeinträchtigt, da es auf eine kontinuierliche Versorgung mit Glukose angewiesen ist.
Kurzfristiger Hunger führt häufig zu Konzentrationsproblemen, Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen. Diese Symptome entstehen durch den sinkenden Blutzuckerspiegel, der die Fähigkeit des Gehirns, effizient zu arbeiten, einschränkt. Studien zeigen, dass bereits wenige Stunden ohne Nahrung die kognitive Leistung, wie etwa das Kurzzeitgedächtnis und die Problemlösungsfähigkeit, beeinträchtigen können. Zusätzlich wird die emotionale Stabilität reduziert, was sich in verstärktem Ärger oder Unruhe äußern kann.
Langfristiger Hunger hat tiefgreifendere psychologische Folgen. Chronische Unterernährung wird mit erhöhten Raten von Depressionen und Angstzuständen in Verbindung gebracht. Ein ständig aktiviertes Stresssystem, verursacht durch die Unsicherheit über die nächste Mahlzeit, verstärkt diese mentalen Belastungen. Besonders Kinder, die in ihrer Wachstumsphase Hunger erleben, zeigen oft Entwicklungsverzögerungen, Lernprobleme und eine eingeschränkte soziale Anpassungsfähigkeit. Hunger beeinträchtigt in diesen Fällen die neurologische Entwicklung, da wichtige Nährstoffe wie Eisen und Omega-3-Fettsäuren fehlen, die für die Gehirnentwicklung essenziell sind.
Hunger kann auch soziale und emotionale Isolation fördern. Menschen, die Hunger erleben, fühlen sich oft stigmatisiert oder schämen sich für ihre Lebensumstände, was ihre mentale Gesundheit weiter belastet. Diese Isolation kann zu einer Abwärtsspirale führen, in der sich Armut, Hunger und psychische Belastungen gegenseitig verstärken.
Auf der physiologischen Ebene interagiert Hunger mit Hormonen wie Ghrelin und Leptin, die nicht nur das Hungergefühl regulieren, sondern auch die Stimmung beeinflussen. Ein hoher Ghrelinspiegel, der bei Hunger auftritt, kann kurzfristig stresslindernd wirken, doch chronisch erhöhte Werte sind mit depressiven Verstimmungen verbunden. Gleichzeitig hemmt ein Mangel an Leptin, das für Sättigungsgefühle zuständig ist, das emotionale Wohlbefinden.
Der Einfluss von Hunger auf die Psyche zeigt, wie eng körperliche und geistige Gesundheit miteinander verknüpft sind. Um Hunger effektiv zu bekämpfen, müssen daher sowohl die körperlichen als auch die psychologischen Folgen adressiert werden.
Hunger und seine Auswirkungen auf das Immunsystem
Hunger beeinflusst das Immunsystem erheblich und kann die Anfälligkeit für Infektionen und Krankheiten erhöhen. Wenn der Körper nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt wird, fehlen die Bausteine, die für eine optimale Immunfunktion notwendig sind. Dies betrifft sowohl akuten als auch chronischen Hunger, wobei die Folgen bei langfristiger Unterernährung schwerwiegender sind.
Proteine spielen eine zentrale Rolle im Immunsystem, da sie für die Bildung von Antikörpern, Enzymen und Immunzellen benötigt werden. Ein Proteinmangel, der bei Hunger häufig auftritt, führt zu einer verringerten Anzahl weißer Blutkörperchen, was die Immunabwehr schwächt. Menschen mit chronischem Hunger sind daher weniger in der Lage, Infektionen wie Atemwegs- oder Hautinfektionen abzuwehren.
Auch Mikronährstoffe wie Zink, Eisen, Vitamin A und Vitamin C sind essenziell für die Immunfunktion. Ein Mangel an Zink beeinträchtigt beispielsweise die Aktivierung von T-Zellen, die für die Bekämpfung von Viren und Bakterien notwendig sind. Ein Eisenmangel kann die Produktion von Sauerstofftransportmolekülen reduzieren, was die Energiebereitstellung für das Immunsystem beeinträchtigt. Vitamin-A-Mangel schwächt die Barrierefunktion von Schleimhäuten, was den Eintritt von Krankheitserregern erleichtert.
Bei Hunger schaltet der Körper in einen Überlebensmodus, bei dem Energie auf lebenswichtige Funktionen konzentriert wird. Das Immunsystem, das ebenfalls viel Energie benötigt, wird dabei vernachlässigt. Dies führt zu einer erhöhten Sterblichkeitsrate bei Infektionen, da der Körper nicht effektiv auf Erreger reagieren kann.
Besonders betroffen sind Kinder, deren Immunsystem noch in der Entwicklung ist. Chronischer Hunger bei Kindern kann zu einer dauerhaften Schwächung des Immunsystems führen, die selbst bei späterer ausreichender Ernährung schwer umkehrbar ist. Unterernährte Kinder leiden zudem häufig unter wiederkehrenden Durchfallerkrankungen und Atemwegsinfekten, die durch die geschwächte Abwehr begünstigt werden.
Neben der erhöhten Anfälligkeit für Infektionen kann Hunger auch Autoimmunreaktionen fördern. Ein Mangel an bestimmten Nährstoffen kann die Balance des Immunsystems stören und entzündliche Prozesse im Körper verstärken. Diese Entzündungen belasten den Körper zusätzlich und können langfristig chronische Erkrankungen begünstigen.
Die Verbindung zwischen Hunger und Immunsystem verdeutlicht, wie wichtig eine ausgewogene Ernährung ist, um den Körper vor Krankheiten zu schützen und die Gesundheit zu erhalten.
10 Dinge, die Sie über das Hungergefühl wissen sollten
Was verursacht das Hungergefühl?
Das Hungergefühl wird hauptsächlich durch das Hormon Ghrelin ausgelöst, das vom Magen ausgeschüttet wird, wenn der Blutzuckerspiegel sinkt. Es signalisiert dem Gehirn, dass der Körper Energie benötigt.
Wie beeinflusst Hungern den Blutzuckerspiegel?
Hungern führt zu einem Absinken des Blutzuckerspiegels. Der Körper reagiert darauf, indem er gespeicherte Glykogenreserven in Glukose umwandelt. Bei längerer Nahrungskarenz greift er auf Fett- und Muskelgewebe zurück, um Energie zu gewinnen.
Welche körperlichen Symptome treten bei Hunger auf?
Typische Symptome sind Magengrummeln, Schwäche, Zittern und Konzentrationsprobleme. Bei längerem Hungern können Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme und ein allgemeines Schwächegefühl auftreten.
Kann Hungern die mentale Gesundheit beeinflussen?
Ja, Hungern kann zu Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen und Konzentrationsstörungen führen. Langfristig kann es das Risiko für Depressionen und Angstzustände erhöhen.
Wie reagiert der Körper auf chronisches Hungern?
Bei chronischem Hungern verlangsamt der Körper den Stoffwechsel, um Energie zu sparen. Dies kann zu Muskelabbau, Organfunktionsstörungen und einem geschwächten Immunsystem führen.
Ist gelegentliches Hungern schädlich?
Kurzzeitiges Hungern, wie beim intermittierenden Fasten, kann bei gesunden Menschen Vorteile haben, wie eine verbesserte Insulinsensitivität. Bei längeren Phasen ohne Nahrung kann es jedoch schädlich sein.
Warum fühlen manche Menschen keinen Hunger?
Ein fehlendes Hungergefühl kann durch Erkrankungen, Stress, Depressionen oder Nebenwirkungen von Medikamenten verursacht werden. In solchen Fällen ist Vorsicht geboten, da unzureichende Nahrungsaufnahme zu Mangelernährung führen kann.
Kann Hungern das Immunsystem schwächen?
Ja, bei Nährstoffmangel werden weniger Immunzellen produziert, und die Abwehrkraft gegen Infektionen nimmt ab. Der Körper wird anfälliger für Krankheiten.
Wie unterscheidet sich emotionaler von physischem Hunger?
Physischer Hunger entsteht durch einen Energiebedarf des Körpers, während emotionaler Hunger durch Stress, Langeweile oder emotionale Belastungen ausgelöst wird.
Was sind die langfristigen Folgen von Hungern?
Längerfristiges Hungern kann zu Organversagen, Nährstoffmängeln, Wachstumsstörungen (besonders bei Kindern) und chronischen Erkrankungen wie Osteoporose führen. Auch die Herzgesundheit kann durch den Abbau von Muskelmasse beeinträchtigt werden.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013