Schwellenpotential
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 24. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Schwellenpotential
Das Schwellenpotential beschreibt eine spezifische Ladungsdifferenz an der Membran erregbarer Zellen. Wenn sich das Membranpotential im Zuge der Depolarisation bis zu einem bestimmten Wert abschwächt, wird über die Öffnung spannungsabhängiger Ionen-Kanäle ein Aktionspotential induziert. Der jeweils zu erreichende, für die Generierung eines Aktionspotentials notwendige Wert ist aufgrund des Alles-oder-Nichts-Prinzips wesentlich für die Erregungsleitung.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist das Schwellenpotential?
Der zelluläre Innenraum ist von dem ihn umgebenden Außenmedium durch eine Membran getrennt, die für bestimmte Substanzen nur bedingt durchlässig ist. So können Ionen, also geladene Teilchen, diese nicht unkontrolliert passieren. Durch die ungleiche Verteilung der Ionen zwischen dem Inneren und dem Äußeren der Zelle baut sich ein messbares elektrochemisches Potential auf, das als Schwellenpotential bezeichnet wird.
Solange die Zelle nicht angeregt wird, ist dieses Ruhe-Membranpotential negativ. Der an der Zelle eintreffende elektrischen Impuls aktiviert diese bzw. versetzt sie in einen angeregten Zustand. Das negative Ruhe-Membranpotential wird durch eine veränderte Ionendurchlässigkeit depolarisiert, also positiver. Ob eine neuronale Antwort zustande kommt, hängt vom Ausmaß dieser Vordepolarisation ab. Nur wenn ein bestimmter kritischen Wert erreicht bzw. überschritten wird, erfolgt gemäß dem Alles-oder-Nichts-Prinzip die Bildung eines Aktionspotentials. Andernfalls geschieht nichts. Dieser für die Erregungsleitung mittels Aktionspotentialen notwendige, spezifischen Wert wird als Schwellenpotential bezeichnet.
Funktion & Aufgabe
Sobald im Zuge der Vordepolarisation das Schwellenpotential erreicht oder überschritten wird, kommt es zu einer Art Kettenreaktion. Schlagartig öffnet sich eine Vielzahl spannungsabhängiger Natrium-Ionen-Kanäle. Der temporäre, lawinenartige Natrium-Einstrom entlang des Spannungsgefälles verstärkt die Depolarisation bis hin zum vollständigen Zusammenbruch Ruhe-Membranpotentials. Ein Aktionspotential wird aufgebaut, d.h. für etwa eine Millisekunde kommt es durch den Überschuss positiver Ladungen im Zellinneren zu einer Umkehrung der Polarität.
Nachdem erfolgreich ein Aktionspotential ausgelöst wurde, erfolgt die allmähliche Wiederherstellung des ursprünglichen Membranpotentials. Während der Natrium-Einstrom langsam versieht, öffnen sich verzögerte Kalium-Kanäle. Der zunehmende Kalium-Ausstrom kompensiert den abnehmenden Natrium-Einstrom und wirkt der Depolarisation entgegen. Im Verlauf dieser sogenannten Repolarisation wird das das Membranpotential wieder negativ und fällt sogar kurzzeitig unter den Wert des Ruhepotentials.
Die Natrium-Kalium-Pumpe stellt dann die ursprüngliche Ionenverteilung wieder her. Die Erregung breitet sich in Form des Aktionspotentials über das Axon zur nächsten Nerven-oder Muskelzelle aus.
Die Erregungsleitung erfolgt dabei einem gleichbleibenden Mechanismus. Zum Ausgleich der Depolarisation wandern benachbarte Ionen zum Bildungsort des Aktionspotentials. Diese Abwanderung von Ionen führt in der Nachbarregion ebenfalls zu einer Depolarisation, die bei Erreichen des Schwellenpotentials zeitlich versetzt ein neues Aktionspotential induziert.
Bei marklosen Nervenzellen lässt sich eine kontinuierliche Weiterleitung der Erregung entlang der Membran beobachten, wohingegen die Erregung bei Nervenfasern, die von einer Myelinscheide umhüllt sind, von Schnürring zu Schnürring springt. Der jeweilige Abschnitt der Membran, an dem das Aktionspotential ausgelöst wird, ist bis zur Wiederherstellung des Ruhe-Membranpotentials nicht erregbar, was die Weiterleitung der Erregung in nur eine Richtung gewährt.
Krankheiten & Beschwerden
Eine Hypokalämie, also ein Kaliummangel, wirkt sich durch eine Abschwächung des Ruhe-Membranpotentials verzögernd auf die Depolarisation sowie beschleunigend auf die Repolarisation aus, was mit einer verlangsamten Erregungsleitung und der Gefahr von Muskelschwäche oder Lähmungserscheinungen einhergeht. Bei Erkrankungen, die die Myelinscheide von Nervenfasern schädigen (z.B. Multiple Sklerose), werden die darunter liegenden Kalium-Kanäle freigelegt, was einen unkontrollierten Ausstrom der Kalium-Ionen aus dem Zellinneren zur Folge hat und damit auch das vollständige Ausbleiben oder die Abschwächung des Aktionspotentials.
Darüber hinaus können genetisch bedingte Mutationen der Kanalproteine für Natrium und Kalium, abhängig von der Lokalisation der betroffenen Kanäle, unterschiedlich starke Funktionseinschränkungen verursachen. Etwa gehen Defekte der Kalium-Kanäle im Innenohr mit Innenohrschwerhörigkeit einher. So bedingen krankhaft veränderte Natrium-Kanäle in der Skelettmuskulatur sogenannte Myotonien, die durch eine vermehrte oder anhaltende Anspannung sowie verzögerte Erschlaffung der Muskulatur gekennzeichnet sind. Ursache dafür ist ein ungenügender Verschluss oder eine Blockade der Natrium-Kanäle und dadurch die Generierung übermäßiger Aktionspotentiale.
Eine Störung der Natrium-oder Kalium-Kanäle in der Herzmuskulatur kann Arrhythmien, also Herzrhythmusstörungen wie beispielsweise eine erhöhte Herzfrequenz (Tachykardie), auslösen, da nur die regelrechte Erregungsleitung im Herzen einen gleichmäßigen, unabhängigen Herzrhythmus garantiert. Bei einer Tachykardie können unterschiedliche Elemente innerhalb der Weiterleitungskette gestört sein: beispielsweise der Rhythmus der automatischen Depolarisation oder die zeitliche Kopplung der Depolarisation von Muskelzellen oder die Häufigkeit der Erregung durch fehlende Ruhephasen.
In der Regel erfolgt eine Therapie mit Natriumkanalblockern, welchen den Natrium-Einstrom hemmen und so einerseits das Membranpotential stabilisieren sowie andererseits die Wieder-Erregbarkeit der Zelle hinauszögern. Grundsätzlich können alle Typen von Ionenkanälen selektiv blockiert werden. Bei spannungsabhängigen Natrium-Kanälen geschieht dies über sogenannte Lokalanästhetika. Aber auch Nervengifte wie etwa das Gift der Mamba (Dendrotoxin) oder das Gift des Kugelfischs (Tetrodotoxin) können die Erregbarkeit der Zelle herabsetzen oder ausschalten, indem sie den Natrium-Einstrom hemmen und die Entstehung eines Aktionspotentials verhindern.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016