Myelinscheide
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Anatomie Myelinscheide
Als Myelinscheide wird die Ummantelung der bis zu einem Meter langen Neurite einer Nervenzelle bezeichnet. Die Myelinscheide schützt die Nervenfaser, isoliert sie elektrisch und lässt deutlich schnellere Übertragungsgeschwindigkeiten zu als nichtmyelinisierte Nervenfasern. Myelinscheiden bestehen aus speziellen Lipiden, Phospholipiden und Strukturproteinen und werden jeweils nach etwa ein bis eineinhalb Millimeter durch einen sogenannten Ranvierschen Schnürring unterbrochen.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist die Myelinscheide?
Eine Nervenzelle oder Neuron besteht in der Regel aus dem Zellkörper, aus den Zellkörper nahen kurzen Fortsätzen (Dendriten) und aus einem Neurit, der beim Menschen eine Länge von über einem Meter erreichen kann. Während die Dendriten meist nicht ummantelt sind, werden die meisten Neurite durch eine Myelin- oder Markscheide geschützt und dann als Axon bezeichnet.
Typischerweise wird die Myelinscheide jeweils nach 0,2 bis 1,5 Millimeter Länge von einem sogenannten Ranvierschen Schnürring unterbrochen, so dass das Axon in seiner Erscheinungsform ein wenig an eine Perlenkette mit einer Aufreihung länglicher Perlen erinnert. Die Myelinscheiden isolieren den Nervenfortsatz elektrisch und bieten nicht nur Schutz, sondern erlauben auch eine wesentlich höhere Geschwindigkeit bei der Übertragung von Nervenreizen durch sogenannte saltatorische Reizübertragung, die von Schnürring zu Schnürring „springt“.
Die Aufbausubstanz der Myelinscheiden besteht hauptsächlich aus Lipiden wie Cholesterin und Phospholipiden sowie aus speziellen Strukturproteinen. Aufbau und Zusammensetzung der Myelinscheiden erinnert ein wenig an das Plasmalemm, die Zellmembrane menschlicher und tierischer Zellen.
Anatomie & Aufbau
Schwann-Zellen umwickeln jeweils einen Teilabschnitt eines Axons spiralförmig mit einer Myelinschicht, die in ihrer Zusammensetzung exakt ihrem Plasmalemm, ihrer Zellmembran, gleicht. So können Axone durchaus mit bis zu 50 doppelten Lagen der Zellmembran umwickelt sein. Im ZNS wachsen aus dem Soma der Oligodendrozyten Fortsätze heraus, die mit den Axonen Kontakt aufnehmen und sie mit einer Myelinscheide einhüllen. Ein Dendrozyt kann dabei Axonteilstücke mehrerer Axone gleichzeitig „einwickeln“.
Die regelmäßigen Unterbrechungen der Markscheiden in Form der Ranvierschen Schnürringe im Abstand von 0,2 bis 1,5 Millimeter spielen bei der Reizübertragung eine wichtige Rolle. Die Ranvierschen Schnürringe lassen sehr schmale Zwischenräume von jeweils etwa einem Mikrometer frei, an denen die Nervenbahnen praktisch blank liegen ohne elektrische Isolation.
Funktion & Aufgaben
Die Myelinscheiden der Axone nehmen mehrere Funktionen wahr, die im Einzelnen alle wichtig für das Zusammenspiel des Nervensystems sind und seine Funktionalität begründen. Die Markscheide bietet dem im Inneren verlaufenden Neuriten mechanischen Schutz und zugleich elektrische Isolation, die nur an den Ranvierschen Schnürringen unterbrochen wird.
Die regelmäßigen Unterbrechungen der Isolierung haben für die Geschwindigkeit und die Art der Weiterleitung von Aktionspotenzialen eine entscheidende Bedeutung. Im Ruhezustand verfügt das Axon im Inneren über das sogenannte Ruhepotenzial, das sich durch einen Überschuss negativ geladener Proteine und positiv geladener Kalium-Ionen auszeichnet gegenüber einem Überschuss an negativ geladenen Chlorid- und positiv geladenen Natrium-Ionen im extrazellulären Raum außerhalb der Plasmamembran des Axons. Das leicht negative Ruhepotenzial (Membranpotenzial) wird durch Ionenkanäle und durch aktiv steuerbare Natrium-Kalium-Pumpen in der Membran aufrecht erhalten.
Erhält die Nervenzelle einen bestimmten Reiz, wird sie depolarisiert, die elektrischen Verhältnisse kehren sich kurzfristig um und es entsteht das Aktionspotenzial über spannungsgesteuerte Natrium- und Kalium-Ionenkanäle, das allerdings nur etwa 0,1 bis 0,2 Millisekunden anhält. Durch das Aktionspotenzial im Axon wird der nächstfolgende Schnürring depolarisiert und ein Aktionspotenzial aufgebaut.
Das bedeutet, dass die relativ langsame und umständliche Reizweiterleitung durch kontinuierliche Weitergabe des Aktionspotenzials überbrückt wird und von der sprunghaften (saltatorischen) Reizweiterleitung von Schnürring zu Schnürring abgelöst wird. Die „Nervengeschwindigkeit“ steigert sich dadurch von etwa 1 bis 2 m/sec bei Neuriten ohne Markscheide auf bis zu 120 m/sec bei Axonen mit dicker Markscheide. Eine weitere Aufgabe der Myelinscheiden besteht in der Versorgung der Nerven.
Krankheiten
Auch weitere Ursachen wie exzessiver chronischer Alkoholkonsum, diabetische Neuropathie, Borreliose oder ein Myelinabbau als unerwünschte Nebenwirkung von Medikamenten kommen als Verursacher in Frage. Hereditäre motorisch-sensible Neuropathien äußern sich durch einen allmählichen Abbau der Myelinschichten oder es bestehen von vornherein Probleme mit dem Aufbau oder der Synthese der Markscheiden. Die genetisch bedingte Erkrankung Morbus Krabbe stellt eine Sondersituation dar, weil es nicht zu einem Abbau des Myelins kommt, sondern zu einer Anhäufung schädlicher Abbauprodukte aus dem Myelinstoffwechsel aufgrund fehlender Enzyme.
Eine Entmarkung der Axone kann auch durch toxische Einwirkungen geschehen oder durch einen Mangel an bestimmten B-Vitaminen wie B6 und B12, unter dem Alkoholiker häufig leiden. Die Autoimmunerkrankung MS, deren Ursachen (noch) nicht vollständig verstanden sind, ist in Mitteleuropa relativ häufig und betrifft Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer. Die chronisch-entzündliche Erkrankung des ZNS führt in der weißen Substanz zu mehrfachen oder vielfachen (multiplen) Zonen, die von einer Entmyelinisierung betroffen sind mit den sich daraus ergebenden symptomatischen Konsequenzen.
Quellen
- Lippert, H. et al: Anatomie. Text und Atlas. Urban & Fischer/ Elsevier, München 2017
- Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
- Wolff, H.-P., Weihrauch, T.R. (Hrsg.): Internistische Therapie. Urban & Fischer, München 2012