Sehnerventzündung
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Eine Sehnerventzündung (fachsprachlich: Neuritis nervi optici; auch: Retrobulbärneuritis) ist eine Autoimmunentzündung des Sehnervs (Nervus opticus).
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Was ist eine Sehnerventzündung?
Sie tritt häufig als Frühsymptom der Multiplen Sklerose auf, kommt aber auch ohne diese Grunderkrankung vor. Nach einer Sehnervenentzündung kann eine gewisse Sehnervenatrophie mit Einschränkung der Sehschärfe zurückbleiben.
Bei der Sehnerventzündung liegt eine Autoimmunentzündung des zweiten Hirnnervs (Nervus opticus) vor. Zunächst findet sich eine Schädigung der Myelinscheiden, die den Nerv elektrisch isolieren und seine hohe Nervenleitgeschwindigkeit ermöglichen.
Im fortschreitenden Verlauf sind auch die eigentlichen Nervenfasern (Axone) von der Entzündung betroffen und können untergehen.
Ursachen
Dabei handelt es sich um eine sogenannte Entmarkungskrankheit, bei der im gesamten Zentralnervensystem (ZNS) die Myelinscheiden durch chronische Entzündungen untergehen. Auch die Ätiologie der MS ist trotz großer Forschungsanstrengungen noch nicht geklärt.
Eine Sehnervenentzündung manifestiert sich typischerweise zwischen dem 18. und 45. Lebensjahr. Die Inzidenz liegt bei ca. 3 von 100.000 Personen. Frauen sind drei- bis viermal häufiger betroffen als Männer.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Eine Sehnerventzündung kann sich durch verschiedene Symptome äußern. Zunächst macht sich die Erkrankung durch zunehmende Augenschmerzen bemerkbar, die hinter den Augen lokalisiert sind und bei Augenbewegungen oder Druck stärker werden. Die Schmerzen werden als dumpf oder pochend beschrieben, wobei die Beschwerden im Verlauf der Erkrankung stärker werden.
Daneben kommt es zu Sehstörungen, die im weiteren Verlauf zu einer vollständigen Erblindung führen können. In der Mitte des Auges entwickelt sich eine blinde Stelle, welche das Sichtfeld stark einschränkt. Im Detail äußern sich die Sehbeschwerden dadurch, dass Farben nur noch abgeschwächt wahrgenommen werden und ineinander verschwimmen.
Liegt der Neuritis nervi optici eine Multiple Sklerose zugrunde, wird das Sehvermögen langfristig beeinträchtigt. Zwischenzeitlich kann sich die Sehfähigkeit spontan verbessern, insbesondere nach akuten Krankheitsschüben. Eine Entzündung des Sehnervs führt zudem zu Kopfschmerzen und Schwindel, gelegentlich tritt auch eine Übelkeit auf.
Die eigentliche Entzündung bedingt Allgemeinsymptome wie leichtes Fieber und Unwohlsein. Wird die Sehnerventzündung frühzeitig behandelt, klingen die Symptome rasch wieder ab. Bei fehlender Behandlung können sich chronische Beschwerden entwickeln, und im Extremfall kommt es zur Erblindung eines oder beider Augen. Typischerweise ist nur ein Auge von der Neuritis nervi optici betroffen.
Diagnose & Verlauf
Das erste Symptom einer Sehnerventzündung ist ein rasch einsetzender Sehschärfeverlust (Visusverlust). Die Patienten sehen verschwommen und haben z. T. leichte Schmerzen oder Druckgefühle beim Bewegen der Augen.
Häufig treten Kopfschmerzen und ein Wahrnehmen von Lichtblitzen auf. Typisch ist auch eine vorübergehende Verschlimmerung der Symptome bei erhöhter Körpertemperatur, z. B. in der Sauna, in der Badewanne oder beim Sport. Im Extremfall kommt es zum völligen Erblinden. In 7% der Fälle tritt die Sehnerventzündung beidseitig auf. Die augenärztliche Untersuchung des Augenhintergrunds kann unauffällig sein; nur in 35% der Fälle ist eine geschwollene Papille sichtbar.
Die Diagnose kann durch Magnetresonanztomografie (MRT) gesichert werden, denn im MRT lassen sich Demyelinisierungsherde erkennen. Neben bildgebenden Verfahren liefert eine Liquordiagnostik Hinweise auf das Vorliegen einer Multiplen Sklerose. Elektrophysiologische Ableitungen können eine verminderte Nervenleitgeschwindigkeit feststellen. Ansonsten wird die Sehnervenentzündung allein aufgrund ihrer klinischen Symptomatik und ihres typischen Verlaufs diagnostiziert.
Nach dem raschen Einsetzen hält die Entzündung in der Regel 1-2 Wochen an und zeigt dann eine Spontanremission. Nach 5 Wochen ist keine Besserung mehr zu erwarten. Das Ausmaß der zurückbleibenden Schädigung hängt davon ab, inwiefern die Entzündung bereits die Axone des Sehnervs befallen hatte. Denn während sich Myelinscheiden regenerieren können, sind Axone des in der Regel irreparabel.
95% der Betroffenen erreichen nach der Abheilung wieder eine Sehschärfe von mindestens 0,5. 70% erzielen nach einer überstandenen Sehnervenentzündung sogar wieder einen Visus von mindestens 1,0.
Komplikationen
Die gefährlichste Komplikation einer Sehnerventzündung ist die vollständige Erblindung des Patienten. Im Allgemeinen verschlechtert sich das Sehvermögen bei einer Entzündung der Sehnerven rasch. Dadurch erhöht sich das Risiko von Unfällen und Stürzen im Alltag und Berufsleben. Wenn sich die Entzündung auf weitere Körperregionen ausbreitet, kann es unter anderem zu Infekten im Nasenrachenraum, Mittelohrentzündungen und selten auch zu Hautirritationen mit Juckreiz, Schwellungen und Rötungen kommen.
Weitere Komplikationen hängen von der Ursache der Entzündung ab. Liegt den Beschwerden eine multiple Sklerose zugrunde, so kommt es zwangsläufig zum Verlust des Sehvermögens. Auch eine Papillits hat Seheinbußen zur Folge, die allerdings meist weniger schwerwiegend ausfallen. Bei einer Retrobulbärneuritis kommt es mitunter zu starken Augenschmerzen und vorübergehenden Sehbeschwerden. Auch die Behandlung einer Sehnerventzündung birgt Risiken.
Im Rahmen der Kortison-Therapie können Nebenwirkungen wie Schwellungen und Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Nach der Einnahme von Antibiotika und Virostatika kann es zu verschiedenen Beschwerden kommen – unter anderem Kopf-, Hals-, Muskel- und Gliederschmerzen, Hautrötungen und Juckreiz sowie allergische Reaktionen. Eine längere Einnahme dieser Präparate hat dauerhafte Schäden an Nieren, Leber und Herz zur Folge.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine Sehnerventzündung sollte immer von einem Arzt untersucht und behandelt werden. Nur durch eine richtige medizinische Behandlung können weitere Komplikationen ausgeschlossen werden, die die Heilung verhindern könnten. Daher sollte schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen einer Sehnerventzündung ein Arzt aufgesucht werden. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene unter Schmerzen an den Augen leidet. In den meisten Fällen verstärken sich diese Schmerzen dabei, wenn der Betroffene seine Augen bewegt oder wenn der Druck auf den Augen zunimmt.
Ebenfalls deuten plötzliche Sehbeschwerden auf die Sehnerventzündung hin und müssen ebenfalls durch einen Arzt untersucht werden, falls sie über einen längeren Zeitraum ohne einen besonderen Grund anhalten. Viele Betroffene leiden bei einer Sehnerventzündung auch an Fieber, an Kopfschmerzen und auch an Übelkeit. Sollte die Sehnerventzündung nicht behandelt werden, kann es im schlimmsten Fall auch zu einer Erblindung kommen. Die Krankheit kann durch einen Augenarzt relativ gut behandelt werden.
Behandlung & Therapie
In der Regel bildet sich eine Sehnerventzündung auch ohne ärztliches Eingreifen spontan zurück. Durch medikamentöse Therapie mit hochdosierten Steroiden kann die Dauer der Sehnerventzündung zwar verkürzt werden, jedoch haben Studien gezeigt, dass sich das Endergebnis hierdurch nicht verbessert, die Patienten also keine bessere Sehschärfe zurückbehalten als ohne Behandlung.
Daher muss im Gespräch mit dem Patienten die Krankheitsabkürzung sorgfältig gegen die Nebenwirkungen einer Steroidtherapie abgewogen werden. Sofern im MRT mindestens zwei Demyelinisierungsherde zu sehen sind, sollte die Gabe hochdosierter Steroide auf jeden Fall angeboten werden, um MS-Neumanifestationen hinauszuzögern.
Bei einer sogenannten atypischen Sehnerventzündung, die auch nach 4 Wochen keine Besserung zeigt, muss an einen infektiösen Hintergrund gedacht werden. Hier können Antibiotika und/oder Steroide helfen. Liegt der Sehnerventzündung eine Multiple Sklerose zugrunde, muss selbstverständlich die Grundkrankheit behandelt werden. Diese ist nicht heilbar, kann aber verzögert und gelindert werden.
Vorbeugung
Da weder die Sehnervenentzündung noch die ihr häufig zugrunde liegende Multiple Sklerose ganz verstanden sind, ist auch unbekannt, wie man dieser Erkrankung vorbeugen kann. Als Auslöser der nicht MS-bedingten Sehnervenentzündung werden allerdings u. a. chronische Intoxikationen mit Alkohol, Tabak oder Chinin, diverse Infektionskrankheiten und arterielle Hypotonie diskutiert. Zur Prävention einer Sehnervenentzündung sollten also diese Risikofaktoren vermieden werden.
Nachsorge
Eine Sehnerventzündung muss vollständig auskuriert werden. Die Nachsorge durch den behandelnden Augenarzt stellt sicher, dass das Leiden entsprechend auskuriert wurde. Zunächst findet ein Patientengespräch statt. Hierbei wird geklärt, ob der Patient Beschwerden hat und ob die verordneten Medikamente Nebenwirkungen hervorrufen. Abhängig von den Erkenntnissen kann der Arzt weitere Maßnahmen ergreifen.
Das Ziel der Anamnese ist es, einen möglichst vollständigen Überblick über den Gesundheitszustand des Patienten zu erhalten. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung wird der betroffene Sehnerv blickdiagnostisch untersucht und gegebenenfalls mit weiteren bildgebenden Verfahren untersucht. Typische Symptome wie das eingeschränkte Sehvermögen, aber auch Gefühlsstörungen müssen von dem Arzt abgeklärt werden.
Hierfür kommt je nach Bedarf ein Sehtest infrage. Die Nachsorge erfolgt in der Regel durch den Augenarzt, der bereits die Behandlung der Optikus-Neuritis übernommen hat. Sollten im Rahmen der Nachsorge Komplikationen auftreten, müssen unter Umständen weitere Fachärzte hinzugezogen werden.
So kann eine chronische Erkrankung auf ein Virusleiden hindeuten, welches von einem Internisten abgeklärt und behandelt werden muss. Bei anderen Begleiterscheinungen können Neurologen oder HNO-Ärzte in die Behandlung involviert werden. Die Nachsorge orientiert sich an der Schwere der Entzündung und den Symptomen.
Das können Sie selbst tun
Eine Sehnerventzündung beeinträchtigt die Lebensqualität enorm, da die Patienten plötzlich ein herabgesetztes Sehvermögen wahrnehmen und zusätzlich an Schmerzen im Bereich der Augen leiden. Betroffene sollten im eigenen Interesse dazu beitragen, dass die Erkrankung so schnell wie möglich abheilt. Denn andernfalls sind langfristige Schäden des Sehsinns möglich.
Zunächst sind die vom Arzt verschriebenen Medikamente regelmäßig einzunehmen. Bei Nebenwirkungen ist sofort ein Mediziner zu kontaktieren oder eine Notfall-Praxis aufzusuchen. Auch bei ausbleibenden Komplikationen ist es sinnvoll, ärztliche Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen. Dadurch kann der Arzt den Stand des Heilungsprozesses feststellen und gegebenenfalls die Dosis der verordneten Medikamente anpassen. Neben der Einnahme der medizinischen Wirkstoffe spielen Ruhe und Schonung eine essenzielle Rolle, um die Heilung zu beschleunigen. Patienten mit Sehnerventzündung bleiben nach Möglichkeit in den eigenen vier Wänden und halten Bettruhe.
Schonung ist nicht nur für das Immunsystem von Bedeutung, sondern vor allem auch für den Sehsinn. Keinesfalls dürfen Patienten Bildschirme wie Handy oder Computer betrachten. Zudem ist das Auge vor reizenden Einflüssen wie Wind, scharfen Essensdämpfen, Wärme, Kälte und grellem Licht zu schützen. Nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt kann eine Augenklappe oder Schlafmaske sinnvoll sein, um den erkrankten Augen ausreichend Ruhe zu gönnen.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Dahlmann, C., Patzelt, J.: Basics Augenheilkunde. Urban & Fischer, München 2014
- Lang, G. K.: Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2014