Spinaler Schock

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als spinaler Schock wird ein Zustand definiert, der sich nach einer Rückenmarksläsion mit partieller oder vollständiger Durchtrennung der Nervenbahnen in den Körperteilen unterhalb der Läsionsstelle einstellt, so dass auch Fremd- und Eigenreflexe vollkommen ausgeschaltet sind. Die Skelettmuskulatur und auch die viszeromotorische vegetative Muskulatur unterliegen dem spinalen Schock und sind vollständig gelähmt. Die Dauer des spinalen Schocks beträgt einige Stunden bis mehrere Monate mit einem Mittelwert von vier bis sechs Wochen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein spinaler Schock?

Ein spinaler Schock ist mit gravierenden Symptomen und Beschwerden verbunden, die in der Regel eine Behandlung und Betreuung in einem Schockraum oder auf der Intensivstation erforderlich machen.
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Ein spinaler Schock, der sich nach einer Rückenmarksläsion einstellt, zeichnet sich durch eine vollständige nervliche Blockade bestimmter Körperregionen aus. Es sind die Körperregionen, deren nervliche Versorgung durch die Läsion des Rückenmarks direkt betroffen ist. Durch den spinalen Schock wird nicht nur die willkürliche Skelettmuskulatur, sondern auch die unwillkürliche viszeromotorische Muskulatur gelähmt.

Darüber hinaus sind sensorische Empfindungen und die vegetativen Regelkreise der Grundfunktionen wie Thermoregulation und ähnlichem außer Kraft gesetzt. Sämtliche betroffene Muskulatur verliert ihren Grundtonus, ihre Grundspannung. Der spinale Schock unterscheidet sich deutlich von der sich später eventuell zeigenden Querschnittslähmung.

Bei einem spinalen Schock ist - ohne Rücksicht auf noch bestehende Nervenverbindungen oder möglicherweise noch intakte Regelkreise und Sensorik - das gesamte nervliche willkürliche und unwillkürliche Netzwerk einschließlich Sympathikus und Parasympathikus vollkommen blockiert ist. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der spinale Schock einem Schutzmechanismus entspricht.

Möglicherweise wird so verhindert, dass sich Fehlreaktionen oder falsch reagierende Regelkreise bilden. Die vorübergehende Totalabschaltung ermöglicht eine spätere allmähliche Wiederauflösung der Blockade, was einer allmählichen und versuchsweisen Wiederzuschaltung bestimmter Nervengruppen entspricht.

Ursachen

Physiologisch wird ein spinaler Schock durch ein massenhaftes Austreten von Kaliumionen aus den Zellen in den Interzellularraum ausgelöst. Die Ursachen dafür, dass dieser Mechanismus in Gang gesetzt wird, liegen meist in einer Läsion des Rückenmarks durch Unfall. Ein spinaler Schock kann sich einstellen, wenn das Rückenmark vollständig oder partiell durchtrennt wird, so dass Nervenleitungen gekappt werden.

Auch eine plötzliche Stauchung des Rückenmarks kann einen spinalen Schock auslösen, obwohl alle Nervenverbindungen noch mechanisch intakt sind – wie sich später herausstellen kann. Unfälle, die mit äußeren Einwirkungen zu tun haben, sind nicht die alleinigen Verursacher eines spinalen Schocks. Gewebswucherungen innerhalb des Spinalkanals oder an der Ein- und Austrittsstelle der Nerven können zu einer Verdrängung und letztlich zu einer Quetschung der Nerven mit Funktionsverlust führen und unter Umständen einen spinalen Schock auslösen.

Eine ähnliche Symptomatik kann sich bei einem plötzlichen und massiven Bandscheibenvorfall ergeben. Eine weitere Auslöseproblematik kann sich bei der ansonsten schonenden Peridural- oder Spinalanästhesie ergeben. In seltenen Fällen kommt es zu schockartigem Blutdruckabfall, der wahrscheinlich auf der Auslösung eines spinalen Schocks beruht.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ein spinaler Schock ist mit gravierenden Symptomen und Beschwerden verbunden, die in der Regel eine Behandlung und Betreuung in einem Schockraum oder auf der Intensivstation erforderlich machen. Die unten beschriebenen Symptome und Anzeichen beziehen sich immer auf Körperregionen unterhalb der Ebene, an der die Rückenmarksläsion stattfand.

Zunächst lässt sich bei allen betroffenen Muskelpartien eine vollständige Lähmung mit auffallend schlaffem Tonus feststellen. Wegen des Ausfalls sympathischer Reize fällt der Blutdruck stark ab und die Herzfrequenz ist meist verlangsamt. Symptomatisch ist ein unwillkürlicher und unkontrollierbarer Harn- und Stuhlabgang.

Die Thermo- und Schweißregulation sind gestört. Kurzfristig fühlt sich die Haut warm und gut durchblutet an, weil sich wegen der fehlenden sympathischen Reize die peripheren Gefäße weiten und es dadurch bei niedrigen Außentemperaturen zu einem rapiden Wärmeverlust kommen kann.

Diagnose & Krankheitsverlauf

In den meisten Fällen tritt ein spinaler Schock aufgrund eines Unfalls ein, so dass die erste Diagnose noch am Unfallort mit möglicherweise unzureichenden Hilfsmitteln durchgeführt wird. Eine belastbare Diagnose, ob ein spinaler Schock vorliegt, kann erst nach der Erstversorgung und Einlieferung in den Schockraum oder in die Intensivstation getroffen werden.

Der Verlauf des spinalen Schocks hängt sehr stark von Schwere und Ort der Rückenmarksläsion, von der Erstversorgung und von der Konstitution des Verletzten ab. Bei geringfügigeren Verletzungen oder bei einer Rückenmarksstauchung kann sich der spinale Schock bereits nach wenigen Stunden wieder lösen, so dass sich die normalen Körperfunktionen wieder einstellen.

Bei gravierenderen Verletzungen mit späterer Querschnittslähmung kann ein spinaler Schock im Extremfall bis zu mehreren Monaten anhalten. Im Mittel löst sich der Schock nach wenigen Wochen.

Komplikationen

Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine sehr schwerwiegende Beschwerde. In den meisten Fällen kann keine Behandlung ausgeführt werden, falls die Nervenbahnen schon vollständig durchtrennt wurden. Die Betroffenen leiden dabei in erster Linie an starken Lähmungen.

Sie treten dabei in der Regel direkt unterhalb der betroffenen Ebene auf und können den Alltag des Patienten erheblich erschweren. Damit kommt es zu Bewegungseinschränkungen, sodass die meisten Betroffenen auf eine Gehhilfe oder auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Auch der Blutdruck fällt durch diesen Schock ab und es kommt zu einer verringerten Herzfrequenz, sodass die Betroffenen das Bewusstsein verlieren können.

Weiterhin gehen auch Reize oder Reflexe verloren. In vielen Fällen leiden die Betroffenen ebenfalls an psychischen Beschwerden oder an Depressionen aufgrund des Bewegungsverlustes. Da in der Regel keine direkte Behandlung der Lähmungen möglich ist, werden nur die restlichen Symptome behandelt. Besondere Komplikationen treten dabei nicht auf.

Die Betroffenen sind allerdings auch auf eine psychologische Behandlung angewiesen. Weiterhin kann keine allgemeine Aussage über die Lebenserwartung getroffen werden. In der Regel hängt der weitere Verlauf der Erkrankung auch stark von der Ursache dieses Schocks ab.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei solch einem Schock muss immer unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden. Nur durch eine schnelle und direkte Behandlung dieser Beschwerde können weitere Komplikationen verhindert werden. Im schlimmsten Fall werden die Nervenbahnen vollständig durchtrennt, sodass der Patient danach vollständig querschnittsgelähmt ist.

Der Arzt ist dann zu kontaktieren, wenn es zu starken Lähmungen der Muskeln in verschiedenen Körperregionen kommt. Diese Lähmungen betreffen meist die Körperregionen unter der Hüfte, sodass der Betroffene seine Beine nicht mehr bewegen kann. Die Muskeln erschlaffen und können nicht mehr bewegt werden. In vielen Fällen kann auch ein starker oder sogar ein unkontrollierter Harndrang auf diesen Schock hindeuten. Weiterhin zeigen einige Betroffene auch eine unkontrollierte Schweißproduktion. Treten diese Beschwerden auf, so muss sofort der zu behandelnde Arzt im Krankenhaus kontaktiert werden.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung des spinalen Schocks beschränkt sich zunächst auf eine Notfallversorgung unter Berücksichtigung der übrigen Verletzungen, besonders der Rückenmarksverletzungen. Die Erst- oder Notfallversorgung zielt auf Erhalt beziehungsweise Wiedererlangung der Vitalfunktionen wie Atmung und Kreislauf ab. Zusätzlich spielt die Wärmeregulation eine große Rolle.

Es muss dafür gesorgt werden, dass der Wärmeverlust durch eine Spezialdecke minimiert wird oder sogar Wärme zugeführt wird, um die Körpertemperatur möglichst in einem noch akzeptablen Bereich über 35 Grad Celsius zu halten. Eine weitere Behandlung richtet sich in der Regel an den diagnostizierten Verletzungen aus. Eine direkte medikamentöse oder sonstige Therapie zur zügigen Auflösung des spinalen Schocks ist nicht bekannt.


Vorbeugung

Direkte vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung eines spinalen Schocks sind nicht existent. Ein indirekter vorbeugender Schutz besteht darin, Risikosportarten und sonstige Situationen mit Verletzungsrisiko der Wirbelsäule zu meiden. Regelmäßiger leichter Sport mit Rückengymnastik baut weitestgehend Bandscheibenproblemen vor. Es bleiben dennoch Restrisiken, die sich nicht völlig vermeiden lassen und dem allgemeinen Lebensrisiko zugeordnet werden können.

Nachsorge

Der spinale Schock entsteht durch Gewalteinwirkung auf die Wirbelsäule. Zu den charakteristischen Symptomen zählen Lähmungserscheinungen, Unbeweglichkeit, Atemnot sowie eingeschränkte Tätigkeit der inneren Organe. Dieser Zustand muss in jedem Fall ernst genommen werden. Er erfordert eine unmittelbare ärztliche Versorgung. Eine Nachsorge ist notwendig, um bleibende Schäden zu vermeiden.

Meistens wird das Rückenmark durch einen Unfall beschädigt. Ein spinaler Schock tritt etwa eine Stunde nach der Verletzung auf. Er dauert von wenigen Tagen bis zu sechs Wochen an. Erst nach diesem Zeitraum kann der Schweregrad der Querschnittslähmung bestimmt werden. Solange wird der Patient im Krankenhaus ärztlich betreut. Die Nachsorge setzt bereits während des Klinikaufenthalts ein.

Folgeschäden lassen sich bei frühzeitiger Therapie gezielter bekämpfen. Die Muskelreflexe kehren schrittweise wieder zurück. Bei einem günstigen Verlauf heilt der spinale Schock folgenlos aus. Eine leichte Prellung des Rückenmarks zieht keine Spätfolgen nach sich. Der Patient wird aus der Klinik entlassen. Regelmäßige Kontrollen durch einen Neurologen sollte er dennoch wahrnehmen.

In schweren Fällen bleiben dauerhafte Schäden an der Wirbelsäule zurück. Die Nachsorge dauert bei Querschnittslähmungen ein Leben lang an. Dabei erlernt der Betroffene einen angemessenen Umgang mit der Lähmung. Es gibt keine allgemein gültige Behandlung. Sie fällt bei jedem Patienten unterschiedlich aus. Der Orthopäde passt sie individuell an.

Das können Sie selbst tun

Bei einem spinalen Schock sind die Möglichkeiten der Selbsthilfe für den Betroffenen sehr gering. Primär geht es um eine Stärkung der Psyche und die Optimierung der inneren Einstellung für den Umgang mit der Erkrankung. Die Ansätze der Selbsthilfe sind sehr begrenzt, da es außerhalb einer medizinischen Versorgung keine Behandlungsmethoden gibt, die eine Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes ermöglichen. Die mentale Unterstützung ist daher besonders wichtig.

Vorbeugend können regelmäßige Übungen zur Unterstützung des Skelettsystems sowie des Muskelapparates durchgeführt werden. Therapeutische Übungen zur Stabilisierung und ein rechtzeitiges Reagieren bei einer starken körperlichen Beanspruchung sind dabei besonders hilfreich. Zustände der Überanstrengung sollten daher vermieden werden.

Sobald jedoch die Erkrankung diagnostiziert wurde, hat der Betroffene kaum Möglichkeiten zur Kontrolle seines eigenen Körpers. Die Lähmungen und der Bewegungsverlust hindern ihn dabei, ausreichende Aktivitäten durchzuführen. Sofern die Muskulatur in einigen Bereichen des Körpers bewegt werden kann, sollte diese regelmäßig trainiert werden. Erlernte Trainingseinheiten können auch eigenverantwortlich außerhalb einer Therapie durchgeführt werden.

Wichtig sind eine positive Grundeinstellung zum Leben und der Glaube daran, dass Verbesserungen trotz aller Widrigkeiten möglich sind. Der Schockzustand stellt eine Notfallsituation dar. Das Vertrauen zu dem behandelnden Ärzten ist in dieser Zeit besonders wichtig. Mit ihnen sollte möglichst eng zusammengearbeitet werden.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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