Spleißen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Spleißen stellt einen entscheidenden Vorgang während der Transkription im Zellkern von Eukaryoten dar, bei welchem aus der prä-mRNA die reife mRNA hervorgeht. Dabei werden Introns, die nach der Transkription noch in der prä-mRNA enthalten sind, entfernt und die verbliebenen Exons zur fertigen mRNA kombiniert.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Spleißen?

Der erste Schritt der Genexpression ist die sogenannte Transkription. Dabei wird RNA synthetisiert, wobei ihr die DNA als Vorlage dient.

Das zentrale Dogma der Molekularbiologie besagt, dass der Fluss der genetischen Information vom Informationsträger DNA über die RNA hin zum Protein erfolgt. Der erste Schritt der Genexpression ist die sogenannte Transkription. Dabei wird RNA synthetisiert, wobei ihr die DNA als Vorlage dient. Die DNA ist der Träger der genetischen Information, welche mit Hilfe eines Codes aus den vier Basen Adenen, Thymin, Guanin und Cytosin dort gespeichert ist. Der RNA-Polymerase-Proteinkomplex liest während der Transkription die Basensequenz der DNA ab und stellt die entsprechende „Prä-Messenger-RNA“ (kurz prä-mRNA) her. Dabei wird anstelle von Thymin stets Uracil eingebaut.

Gene setzen sich zusammen aus Exons und Introns. Exons sind diejenigen Teile des Erbguts, die tatsächlich genetische Information codieren. Dagegen stellen Introns nicht-codierende Abschnitte innerhalb eines Gens dar. Die auf der DNA gespeicherten Gene werden also durchzogen von langen Abschnitten, welche keinen Aminosäuren im späteren Protein entsprechen und nicht zur Translation beitragen.

Ein Gen kann bis zu 60 Introns aufweisen, mit Längen zwischen 35 und 100.000 Nukleotiden. Durchschnittlich sind diese Introns zehnmal länger als Exons. Die im ersten Schritt der Transkription entstandene prä-mRNA, auch oft als unreife mRNA bezeichnet, enthält noch sowohl Exons als auch Introns. Hier beginnt der Prozess des Spleißens.

Die Introns müssen aus der prä-mRNA entfernt werden und die verbleibenden Exons müssen miteinander verknüpft werden. Erst dann kann die reife mRNA den Zellkern verlassen und die Translation initiieren.

Das Spleißen wird zumeist mit Hilfe des Spliceosoms (deutsch: Spleißosom) ausgeführt. Dieses ist aufgebaut aus fünf snRNPs (small nuclear Ribonucleoprotein particles). Jeder dieser snRNPs besteht aus einer snRNA und Proteinen. Auch einige andere Proteine, die nicht Teil der snRNPs sind, sind Bestandteil des Spliceosoms. Spliceosomen werden unterteilt in Major und Minor Spliceosom. Das Major Spliceosom verarbeitet über 95% aller menschlichen Introns, das Minor Spliceosom übernimmt hauptsächlich die ATAC-Introns.

Für die Erklärung des Spleißens wurde Richard John Roberts und Phillip A. Sharp im Jahr 1993 der Nobelpreis für Medizin verliehen. Für ihre Forschung zum alternativen Spleißen und der katalytischen Wirkung von RNA erhielten Thomas R. Cech und Sidney Altman 1989 den Nobelpreis für Chemie.

Funktion & Aufgabe

Beim Vorgang des Spleißens bildet sich das Spliceosom jedes Mal aufs Neue aus seinen Einzelteilen. Bei Säugetieren lagert sich zunächst das snRNP U1 an der 5‘-splice site an und leitet die Bildung des restlichen Spliceosoms ein. Das snRNP U2 bindet an die Verzweigungsstelle des Introns. Daraufhin bindet außerdem das tri-snRNP.

Das Spliceosom katalysiert die Reaktion des Spleißens durch zwei nacheinander stattfindende Umesterungen. Im ersten Teil der Reaktion greift ein Sauerstoffatom aus der 2‘-OH-Gruppe eines Adenosins aus der "branch point sequence" (BPS) ein Phosphoratom einer Phosphodiesterbindung in der 5'-splice site an. Dadurch wird das 5‘-Exon freigesetzt und das Intron zirkuliert. Das Sauerstoffatom der nun freien 3'-OH-Gruppe des 5'-Exons bindet nun an die 3'-splice site, wodurch die beiden Exons verbunden werden und das Intron freigesetzt wird. Das Intron wird dabei in eine schligenförmige Konformation, Lariat genannt, gebracht, welche anschließend abgebaut wird.

Im Gegensatz dazu spielen beim autokatalytischen Spleißen (self-splicing) Spliceosomen keine Rolle. Hier werden die Introns durch die Sekundärstruktur der RNA selbst von der Translation ausgeschlossen. Das enzymatische Spleißen von tRNA (Transfer-RNA) tritt bei Eukaryoten und Archeae, jedoch nicht bei Bakterien auf.

Der Vorgang des Spleißens muss mit äußerster Präzision exakt an der Exon-Intron-Grenze stattfinden, da eine Abweichung um nur ein einziges Nukleotid zur fehlerhaften Codierung von Aminosäuren und damit zur Bildung von vollständig anderen Proteinen führen würde.

Das Spleißen einer prä-mRNA kann aufgrund von Umwelteinflüssen oder Gewebeart unterschiedlich ausfallen. Das bedeutet, dass aus derselben DNA-Sequenz und damit derselben prä-mRNA unterschiedliche Proteine gebildet werden können. Dieser Prozess wird als alternatives Spleißen bezeichnet. Eine menschliche Zelle enthält etwa 20.000 Gene, ist aber aufgrund von alternativem Spleißen in der Lage, mehrere hunderttausend Proteinen zu bilden. Etwa 30% aller menschlichen Gene weisen alternatives Spleißen auf.

Das Spleißen hat eine große Rolle im Verlauf der Evolution gespielt. Exons codieren häufig einzelne Domänen von Proteinen, welche sich auf verschiedene Arten und Weisen miteinander kombinieren lassen. Das bedeutet, dass sich aus wenigen Exons eine große Vielfalt von Proteinen mit gänzlich verschiedenen Funktionen erzeugen lässt. Dieser Vorgang wird exon-shuffling genannt.


Krankheiten & Beschwerden

Manche Erbkrankheiten können in engem Zusammenhang mit Spleißen entstehen. Mutationen in den nichtcodierenden Introns führen normalerweise zu keinen Fehlern bei der Bildung von Proteinen. Tritt jedoch eine Mutation in einem Teil eines Introns auf, welcher wichtig ist für die Regulierung des Spleißens, so kann dies zu einem fehlerhaften Spleißen der prä-mRNA führen. Die daraus resultierende reife mRNA codiert dann fehlerhafte oder im schlimmsten Fall schädliche Proteine. Dies ist beispielsweise der Fall bei einigen Arten der beta-Thalassämie, einer erblichen Blutarmut. Andere Vertreter von Krankheiten, die auf diesem Wege entstehen, sind zum Beispiel das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) Typ II und die spinale Muskelatrophie.

Quellen

  • Buselmaier, W. et al.: Humangenetik für Biologen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2005
  • Hennig, W.: Genetik. Springer, Berlin 1995
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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