Stickler-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Stickler-Syndrom ist eine Erbkrankheit, die meist schon im frühesten Kindesalter diagnostiziert werden kann. Die Betroffenen leiden unter mehreren zusammenspielenden Störungen, die bei richtiger Diagnose das Stickler-Syndrom bestätigen. Wie verläuft die Erberkrankung und gibt es eine Chance auf eine Heilung?

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Stickler-Syndrom?

Die Ursache, die zur von Stickler erforschten Erbkrankheit zählt, liegt in der genetischen Mutation.
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Schon im Kinderalter zeigt sich das Stickler-Syndrom. Die Erberkrankung ist angeboren und wirkt sich auf das Bindegewebe im Körper aus. Die Erkrankung ist autosomal-dominant. Das bedeutet, dass bei dieser Form der Vererbung schon ein defektes Allel (Ausprägungsform eines Gens) auf einem der Chromosomen ausreicht, um ein Merkmal der Erkrankung auszuprägen.

Gesichtsanomalien, Augenschäden, eine Beeinträchtigung des Hörvermögens und eine Veränderung der Gelenke sind die häufigsten Symptome, die das Stickler-Syndrom aufweist.

Ursachen

Erstmals hat der deutsche Kinderarzt Gunnar B. Stickler im Jahr 1965 vom Stickler-Syndrom gesprochen. Die Anzeichen und die Symptome variieren von Mensch zu Mensch und sind auch unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Ursache, die zur von Stickler erforschten Erbkrankheit zählt, liegt in der genetischen Mutation.

Drei Gene im menschlichen Körper können von diesem Defekt betroffen sein. Dabei handelt es sich um die Gene auf den Chromosomen eins, sechs und zwölf. Je nachdem, welches Gen von diesem Defekt betroffen ist, wird das Stickler-Syndrom in verschiedene Typen unterteilt, die sich auch auf unterschiedliche Weise auf den menschlichen Körper auswirken.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Stärke und die Anzahl der einzelnen Symptome variieren von Person zu Person. Optische Anzeichen für die Erkrankung sind zum Beispiel ein flaches Gesicht und eine kleine Nase und ein kleines Kinn. Das Gehör ist stark beeinträchtigt und kann im Laufe der Erkrankung zu einem totalen Gehörverlust führen. Kurzsichtigkeit und Gelenkprobleme in jungen Jahren sind weitere Anzeichen für das Stickler-Syndrom.

Die Gaumenspalte (Fehlbildung bei Neugeborenen) und das Mitralklappenprolapssyndrom (Erkrankung der Herzklappe) sind weitere Erkrankungen, die für das Stickler-Syndrom sprechen. Viele vom Stickler-Syndrom betroffene Menschen leiden an einer Fehlbildung des Skeletts. Betroffen sind vor allem die Gelenke.

Die Patienten erkranken im frühen Alter an Arthritis und haben häufig starke Probleme mit der Wirbelsäule. Neben der Erkrankung der Wirbelsäule ist auch eine Versteifung der Gelenke ein weiteres Merkmal und muss behandelt werden. Nicht alle Symptome sind schon von Geburt an ausgeprägt, sondern treten erst im späteren Lebensabschnitt auf.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Um sicherzugehen, dass es sich um das Stickler-Syndrom handelt, reichen normale ärztliche Untersuchungen nicht aus. Die einzige Sicherheit liefert ein durchgeführter Gentest. In einem dafür zuständigen Institut wird eine molekulare Untersuchung des Blutes durchgeführt, die die Erkrankung bestätigen kann. Oft wird das Stickler-Syndrom auch mit dem Marshall-Syndrom verwechselt. Die Symptome sind ähnlich wie die des Stickler-Syndroms. Allerdings sind beim Marshall-Syndrom andere Gene von der Mutation betroffen.

Bei der Diagnose wird festgestellt, um welche Art des Stickler-Syndroms sich handelt:

  • Typ I weist ein sehr hohes Risiko einer Ablösung der Netzhaut auf.
  • Bei Typ II sind neben dem Risiko der Netzhautablösung auch eine Fehlbildung der Augen und ein möglicher Hörverlust die Folge.
  • Wird Typ III des Stickler-Syndroms festgestellt, so fehlen die gesamte Augensymptomatik und ein wahrscheinlicher Hörverlust.

Neben diesen drei Typen sind noch Typ IV und Typ V bekannt. Diese beiden Typen sind allerdings sehr selten und wurden nur bei wenigen Patienten diagnostiziert. Der Verlauf der Erberkrankung hängt vom Typ des Stickler-Syndroms ab, der beim betroffenen Menschen diagnostiziert wird. Beim Leiden an schwerere Kurzsichtigkeit führt diese in einigen Fällen zur Trübung der Linse und zur Netzhautablösung.

Erhöhter Augendruck (Glaukom) und weitere Fehlbildungen der Augen sind möglich. In schweren, aber seltenen Fällen, kann der Betroffenen erblinden. Ebenso hängt der Grad der Schwerhörigkeit vom Typ des Stickler-Syndroms ab. So kann es im Laufe der Erkrankung zu einem völligen Verlust des Hörvermögens kommen.

Komplikationen

Das Stickler-Syndrom ist mit vielgestaltigen Symptomen verbunden, die in ihrem Verlauf zu schweren gesundheitlichen Komplikationen führen können. Die anfängliche Schwerhörigkeit kann sich im Verlauf der Erkrankung zu einem vollständigen Gehörverlust entwickeln. Begleitend dazu können Kurzsichtigkeit und Gelenkprobleme auftreten, die sich mit dem Fortschreiten der Erkrankung ebenfalls verstärken.

Gelegentlich kann eine Gaumenspalte mit Fehlstellungen an den Zähnen und am Kiefer einhergehen, welche neben Schmerzen auch Einschränkungen im Alltag nach sich ziehen. Zudem können sich Sprachstörungen und Atembeschwerden entwickeln. Liegt eine Arthritis vor, so kommt es mit dem Fortschreiten des Stickler-Syndroms zu starken Wirbelsäulen-Problemen, einer Versteifung der Gelenke und anderen typischen Komplikationen.

Eine Erkrankung der Herzklappe kann ernste Herzrhythmusstörungen hervorrufen und im schlimmsten Fall zum Herzversagen führen. Im Allgemeinen leiden viele Patienten, die am Stickler-Syndrom erkrankt sind, an sozialer Ausgrenzung und entwickeln infolgedessen psychische Probleme. Die Behandlung ist oft mit Nebenwirkungen und teilweise auch mit schweren Komplikationen verbunden.

Vor allem bei chirurgischen Eingriffen können aufgrund der generell eher schlechten Konstitution der Patienten verschiedene Probleme auftreten. Gelegentlich rufen auch symptomatische Maßnahmen wie zum Beispiel ein falsch eingestelltes Hörgerät Beschwerden hervor.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Beim Stickler-Syndrom ist der Patient immer auf eine medizinische Behandlung und Untersuchung durch einen Arzt angewiesen. Sollte die Krankheit nicht behandelt werden, kann es im schlimmsten Fall auch zum Tod des Betroffenen kommen. Da es sich um eine erblich bedingte Krankheit handelt, kann sie nur symptomatisch behandelt werden. Ein Arzt ist beim Stickler-Syndrom dann aufzusuchen, wenn das Kind an starken Hörbeschwerden leidet. In der Regel kommt es auch zu Sehbeschwerden. Die meisten Patienten leiden an Kurzsichtigkeit. Sollte das Stickler-Syndrom unbehandelt bleiben, kann der Betroffene das Gehör auch vollständig verlieren.

Weiterhin deuten auch steife Gelenke oder Beschwerden an den Muskeln auf das Stickler-Syndrom hin und müssen ebenfalls von einem Arzt untersucht werden. Die meisten Patienten zeigen dabei auch Beschwerden an der Wirbelsäule und leiden an Einschränkungen in der Bewegung. Treten diese Symptome auf, sollte ein Allgemeinarzt oder der Kinderarzt aufgesucht werden. Die jeweiligen Beschwerden werden dann durch einen Facharzt behandelt. Eine vollständige Heilung ist nicht möglich. Tritt beim Betroffenen ein Kinderwunsch auf, so kann auch eine genetische Beratung durchgeführt werden, damit das Syndrom nicht an die Nachfahren vererbt wird.

Behandlung & Therapie

Wird das Stickler-Syndrom diagnostiziert, so ist eine Behandlung aufgrund von vielen unterschiedlichen genetischen Ursachen nicht möglich. Wird eine Therapie eingeleitet, so dient diese ausschließlich dazu, die Symptome zu lindern und zu bessern. Regelmäßige Überwachung des Sehvermögens durch einen Augenarzt oder das Tragen eines Hörgerätes ist Teil der Behandlung.

Um die körperlichen Schäden und Beschwerden zu minimieren, erfolgt eine Betreuung durch einen Orthopäden. Um das Hörvermögen regelmäßig zu überprüfen werden Hörtest beim Ohrenarzt empfohlen. Der Fehler der Mitralklappe bleibt meistens unbehandelt, da dieser so gut wie keine Probleme verursacht und auch in vielen Fällen nicht erkannt wird.

Bei Fehlbildungen wie zum Beispiel der Gaumenspalte kann ein chirurgischer Eingriff körperliche Anomalien beheben. Medikamente, um das Stickler-Syndrom zu heilen, gibt es nicht. Verabreichte Medikationen dienen ausschließlich dazu, Symptome einzudämmen und zu lindern.


Vorbeugung

Die Wahrscheinlichkeit am Stickler-Syndrom zu leiden, ist schwer einzuschätzen. Oft sind die Beschwerden nur sehr leicht ausgeprägt und die Erkrankung wird nicht diagnostiziert. So leiden laut einer Studie mehr Menschen unerkannt am Stickler-Syndrom, als Menschen, bei denen die Erkrankung diagnostiziert wurde. Die Erkrankung wird größtenteils in Nordamerika und Europa diagnostiziert.

In diesen Ländern wird auch große Hoffnung in die Weiterentwicklung der medizinischen Möglichkeiten gesetzt. Eine Vorbeugung zur Erkrankung am Stickler-Syndrom gibt es nicht. Sollten aber erste Anzeichen auftreten, kann ein Gentest Aufklärung geben und mit verordneten Therapien können Linderungen der Symptome schneller erfolgen.

Nachsorge

Die Nachsorge beim Stickler-Syndrom umfasst verschiedene körperliche Untersuchungen sowie eine umfassende Anamnese. Aufgrund der komplexen Symptome dauert die Nachsorge über mehrere Jahre oder Jahrzehnte an. Die Nachsorge erfolgt durch die zuständigen Fachärzte. Je nach Symptombild können das Augenärzte, HNO-Ärzte, Dermatologen, Zahnärzte oder Orthopäden sein.

Aufgrund des komplexen Symptombilds dauert die Nachsorge mitunter über viele Jahre an. Dann ist es wichtig, regelmäßig den Arzt zu konsultieren. Nach einem operativen Eingriff, wie er beispielsweise bei einer Mikrognathie oder eine Glossoptose notwendig ist, ist eine Nachsorge im Krankenhaus notwendig. Der Patient muss einige Tage in der Klinik verbleiben, während die Operationswunde überwacht wird.

Ist die Operationswunde ausgeheilt, findet ein weiteres Nachsorge-Gespräch statt, indem etwaige weitere Operationen besprochen werden. Patienten, die am Stickler-Syndrom leiden, benötigen normalerweise diverse Operationen. Begleitend dazu ist meist auch eine psychologische Betreuung notwendig.

Die Nachsorge konzentriert sich darauf, dem Patienten weitere Anlaufstellen zu nennen und ihn bei seiner weiteren Genesung zu unterstützen. Da es sich bei dem Stickler-Syndrom um eine chronische Erkrankung mit schweren Symptomen handelt, gehen Therapie und Nachsorge ineinander über. Die Nachsorge dauert in der Regel ein Leben lang an.

Das können Sie selbst tun

Das Stickler-Syndrom ist eine genetische Erkrankung und deshalb nur symptomatisch behandelbar. Die Patienten müssen sich in der Regel mehreren Operationen unterziehen und sind anschließend auf Ruhe und Schonung angewiesen. Wichtige Maßnahmen umfassen die Wundpflege und die Beobachtung der Operationswunde.

Bei Bewegungseinschränkungen, wie sie insbesondere bei Gelenkerkrankungen und orthopädischen Beschwerden auftreten können, ist zusätzlich eine umfassende Krankengymnastik vonnöten. Patienten sollten sich viel bewegen und die betroffenen Gelenke ausreichend anstrengen, damit die Erkrankung zumindest nicht weiter fortschreitet. Begleitend zu diesen Maßnahmen ist bei dem Stickler-Syndrom immer auch eine enge ärztliche Überwachung nötig. Es obliegt den Patienten, sich um eine umfassende ärztliche Betreuung zu bemühen.

Je nach Ausprägung der erblichen Vitreoretinopathie ist gegebenenfalls auch eine therapeutische Behandlung nötig. Gemeinsam mit einem Therapeuten können Ängste aufgearbeitet und langsam wieder eine hohe Lebensqualität hergestellt werden. Damit dies gelingt, ist meist eine medikamentöse Begleittherapie vonnöten, um etwaige Depressionen oder chronische Schmerzen optimal zu lindern. Sollten die konservativen Mittel keine Wirkung zeigen, kann Arznei aus der Homöopathie getestet werden. Zudem bieten sich Massagen, autogenes Training und weitere alternative Behandlungsmethoden an, die von den Betroffenen Zuhause selbstständig umgesetzt werden können.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Kurz, R. et al.: Checkliste Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2015
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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