Thalassämie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Thalassämie ist eine genetisch bedingte Blutkrankheit mit einer Fehlbildung des roten Blutfarbstoffes. Die Folge ist eine Anämie („Blutarmut“), die lebenslang behandelt werden muss. Helfen kann aber auch eine Knochenmarks-Transplantation bei voll ausgeprägtem Krankheitsbild der Thalassämie.
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Was ist Thalassämie?
Thalassämie ist eine erbliche Form der Anämie („Blutarmut“). Die Krankheit wird nach ihrem geographischen Vorkommen auch Mittelmeeranämie genannt, ist aber auch im Norden und Westen Afrikas sowie im Nahen Osten und in Süd-Asien verbreitet. Leptozytose ist ein weiterer Begriff für die Thalassämie.
Die genetische Abweichung (Mutation) betrifft die Synthese des roten Blutfarbstoffes im Körper. Dieses „Hämoglobin“ besteht aus 2 Proteinen, den Alpha- und Beta-Ketten. 2 Alpha- und 2 Beta-Einheiten bilden eine Hämoglobin-Einheit, die im Zentrum die eisenhaltige Häm-Gruppe trägt und den Sauerstoff bindet.
Thalassämie bedeutet, dass die Proteine des Hämoglobins im Vergleich zur „Norm“ verändert sind. Daraus resultiert eine verminderte Sauerstoffversorgung des Organismus sowie ein gestörter Stoffwechsel der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) bei Thalassämie.
Ursachen
1) Beta-Thalassämie: Die Gene der Beta-Ketten des Hämoglobins sind fehlerhaft. Die Genetiker identifizierten tausende von Mutationen, die größtenteils molekulare Defekte der DNA (Erbmolekül) sind. Daneben sind Chromosomenbrüche (Deletionen) eine Ursache des Krankheitsbildes. Die Major-Form der Thalassämie ist die schwerste Ausprägung. Dieser Fall tritt ein, wenn das „kranke“ Chromosom von beiden Elternteilen beigetragen wird.
Ist nur das Chromosom eines Elternteiles defekt, bildet sich die Minor-Form aus (Jeder Mensch hat einen doppelten Chromosomensatz, weil er diese Zellkern-Organellen vom Vater und von der Mutter erhalten hat). Daneben sind Zwischen-Formen der Beta-Thalassämie verwirklicht, so ist der Intermedia-Typ die mittelgradige, die Minor-Form die symptomlose Variante.
2) Alpha-Thalassämie: Die Gene der Alpha-Ketten des Hämoglobins sind fehlerhaft. Das Gen ist vierfach vorhanden, sodass der Schweregrad der Alpha-Thalassämie davon abhängt, wieviele der Gene defekt sind.
Die weitaus häufigste Variante ist die Beta-Form, dagegen ist der Alpha-Typ eine seltene Ausprägung der Thalassämie.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Bei der Thalassämie gibt es mehrere Formen. Man unterscheidet zwischen einer Thalassaemia major, einer Thalassaemia intermedia und einer Thalassaemia minor. Bei der Thalassaemia major zeigen sich Anämie (Blutarmut) – Symptome, in den häufigen Fällen bereits im ersten Lebensjahr. Diese Symptome können Blässe sein, Müdigkeit, Trinkschwäche oder ein beschleunigter Puls (Tachykardie).
In einigen Fällen kommt es zur Hämolyse, der Auflösung von roten Blutkörperchen, sowie einer Vergrößerung von Leber und Milz. Weitere Symptome der Thalassaemia major sind Eisenüberladung oder eine Gedeihstörung, also eine gestörte gesamtkörperliche Entwicklung des Kindes. Unbehandelt kann es zu Folgesymptomen kommen, etwa Knochendeformationen, die man besonders im Gesicht sehen kann, Infektionskrankheiten, Gedeihstörung oder Tod.
Bei einer Thalassaemia intermedia können ähnliche Symptome auftreten, wie bei einer Thalassaemia major. Zusätzlich zeigen sich aber auch folgende Symptome: Thrombosen, Geschwüre, Gallensteine, Bluthochdruck in den Lungengefäßen, Tumore außerhalb des Knochenmarks. Die Thalassaemia intermedia kann sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen auftreten und zeigt sich symptomatisch in verschiedenen Ausprägungen.
Bleibt die Krankheit unbehandelt, kann sie sich wie die Thalassaemia major entwickeln. Die Thalassaemia minor zeigt milde oder keine Anämie Symptome und ist somit die schwächste Form. In einigen Fällen kann es zu einem Eisenmangel kommen, klinisch besteht eine normale Lebenserwartung.
Diagnose & Verlauf
Eine Thalassämie erkennt der Arzt zunächst mit einer mikroskopischen Untersuchung einer Blutprobe. Die Erythrozyten sind nur schwach rötlich gefärbt und kleiner als beim Gesunden und das Blutlabor offenbart eine zu niedrige Konzentration des Hämoglobins.
Mit dem Verfahren der Gelelektrophorese werden die Komponenten des Hämoglobins getrennt und identifiziert. In der Regel folgt dann eine lebenslange Therapie, denn schon bei Säuglingen sind Leber und Milz vergrößert. Die Heranwachsenden leiden im Verlauf einer Thalassämie an einer allgemeinen Gedeihstörung mit einer Unterentwicklung der Organe und Missbildungen des Skelett-Apparates.
Unbehandelt führt die Mittelmeeranämie schon in jungen Jahren zu einer schweren Herzschwäche, Leberunterfunktion sowie Diabetes. Behandlungsbedürftig sind auch die Nebenwirkungen der Therapie im Rahmen einer Thalassämie.
Komplikationen
Das Übermaß an Eisen erhöht das Risiko von Beeinträchtigungen des Herzens. Gleiches gilt für die Leber und das endokrine System. So verfügt dieses über Drüsen, von denen Hormone hergestellt werden, die wichtig für die Regulation verschiedener Körperprozesse sind. Eine weitere mögliche Folgeerscheinung stellt die Splenomegalie dar. Dabei kommt es zu einer Vergrößerung der Milz, was wiederum die Gefahr eines Milzrisses erhöht.
In früheren Jahren wurde aus diesem Grund oftmals eine Splenektomie vorgenommen. Muss die Milz entfernt werden, leiden die betroffenen Personen häufiger unter Infektionen. Ebenfalls zu den Folgen der Thalassämie zählen Knochendeformitäten. So werden die Knochen krankheitsbedingt erweitert, was wiederum zu Fehlern in der Knochenstruktur führt. Besonders betroffen davon sind die Knochen von Gesicht und Schädel. Weil die Knochen außerdem dünn und brüchig werden, drohen Frakturen schon bei leichten Verletzungen.
Weitere schwere Komplikationen können eine Herzinsuffizienz oder eine Leberinsuffizienz sein. Sie sind die Auswirkung einer Hämosiderose, die die Herzmuskulatur und das Lebergewebe schädigt. Weil auch die Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse in Mitleidenschaft gezogen werden, droht Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit).
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei der Thalassämie sollte immer eine ärztliche Untersuchung und Behandlung durchgeführt werden, damit es zu keinen weiteren Komplikationen kommt. Dabei sollte ein Arzt schon bei den ersten Beschwerden dieser Krankheit aufgesucht werden, damit es zu keinen weiteren Beschwerden kommt. Eine frühzeitige Behandlung wirkt sich immer positiv auf den weiteren Verlauf der Krankheit aus.
In der Regel ist ein Arzt bei der Thalassämie dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an einer starken Müdigkeit oder an einer starken Blässe leidet. Diese Beschwerden können in der Regel nicht mit Hilfe von Schlaf oder Erholung ausgeglichen werden und verschwinden auch nicht von alleine. Weiterhin kann auch eine Trinkschwäche auf die Thalassämie hindeuten und sollte auf jeden Fall durch einen Arzt untersucht werden. Nicht selten zeigen die Betroffenen auch einen Bluthochdruck oder leiden an einer deutlichen Vergrößerung der Milz und der Leber. Treten diese Beschwerden auf, so muss auf jeden Fall ein Arzt konsultiert werden.
In der Regel kann die Thalassämie durch einen Allgemeinarzt erkannt werden. Die weitere Behandlung richtet sich dann nach der Grunderkrankung und wird durch einen Facharzt durchgeführt. Dabei hängt auch der weitere Verlauf der Krankheit stark vom Zeitpunkt der Diagnose ab.
Behandlung & Therapie
Thalassämie muss bereits im Baby-Alter behandelt werden, dies gilt besonders für das voll ausgeprägte Krankheitsbild des Major-Typs. Betroffene brauchen im Monatsrhythmus Bluttransfusionen, die den Mangel an effektivem Hämoglobin ausgleichen.
Allerdings führen die Blutkonserven zu einer Akkumulation von Eisen, das der Körper nicht vollständig ausscheiden kann. Die Ablagerung der Metall-Ionen in verschiedenen Organen wie Herz, Leber und Bauchspeicheldrüse können Schädigungen hervorrufen, die vermieden werden müssen. Daher erhalten die Patienten Medikamente, die eine Austreibung des Eisenüberschusses bewirken.
Früher gehörte die operative Entfernung der Milz zur Standardtherapie bei Thalassämie. Dieses Verfahren gilt heute nur noch als Ultima ratio, weil die resultierende Funktionsstörung des Immunsystems den Patienten zusätzlich beeinträchtigt. Kausaltherapeutisch bietet sich die Möglichkeit der Knochenmarks-Transplantation.
Die Stammzellen vom Gesunden können dann im Körper des Patienten voll funktionsfähige Erythrozyten generieren. Evolutionsbiologisch bemerkenswert ist die partielle oder totale Immunität gegen Malaria bei Menschen mit dem Syndrom der Thalassämie.
Vorbeugung
Thalassämie ist als genetisch bedingte Krankheit in der Prophylaxe sehr problematisch. Eine Chance zur Vermeidung der Mittelmeeranämie besteht darin, im Vorfeld einer Schwangerschaft die Erbfaktoren eines Paares abzuklären. Bei zu großem Risiko kann der Kinderwunsch neu überdacht werden. Eugenische Maßnahmen werden zwar in einigen Ländern durchgeführt, stellen aber viele Menschen durch die Abtreibungspraxis vor ethische Probleme im Bezug auf das Krankheitsbild der Thalassämie.
Nachsorge
Betroffene müssen sich bei der Erkrankung einmal im Jahr am ganzen Körper untersuchen lassen, da die Aufnahme von überschüssigem Eisen zu dauerhaften Schädigungen des Körpers führen kann. Betroffenen wird empfohlen, sich dauerhaft einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Dort können Erfahrungen und Umgangsarten mit der Krankheit ausgetauscht werden. Betroffene müssen sich so nicht mit der Erkrankung alleine fühlen und können andere Meinungen zur Lebensweise mit der Krankheit in Erfahrung bringen.
Außerdem empfiehlt es sich, dauerhaft zu einer psychologischen Beratung zu gehen, um zu lernen mit der Krankheit zu leben. Betroffene sollten auf eine gesunde Lebensweise besonders achten. Dazu zählt eine ausgewogene und vitaminreiche Ernährung und der Verzicht auf Alkohol, Nikotin und Drogen. Wenn es möglich ist, sollten Betroffene Sport treiben.
Dies stärkt den Stoffwechsel und das Immunsystem. Außerdem wirkt sich der Sport auch positiv auf das Befinden der Betroffenen aus. Da das Leben mit der Erkrankung sehr eingeschränkt sein kann, empfiehlt sich ein intensiver Kontakt zu Familie und Angehörigen. Diese können Betroffene auf ihrem Weg begleiten und sie bei alltäglichen Tätigkeit unterstützen. Der soziale Kontakt zu den Angehörigen sollte also besonders gepflegt werden.
Das können Sie selbst tun
Diese Erkrankung ist im Prinzip behandelbar, allerdings bedarf es einer großen Compliance von Seiten des Patienten. Ist keine Stammzell-Transplantation möglich, muss er zu den Transfusionen auch regelmäßig Medikamente einnehmen, die überschüssiges Eisen ausschleusen. Hierfür gibt es verschiedene Medikamente im Handel, die unterschiedlich eingenommen werden müssen und ebenso unterschiedliche Nebenwirkungen haben. Mit diesen teilweise erheblichen Nebenwirkungen muss der betroffene Patient leben lernen. Zudem muss er sich mindestens einmal jährlich komplett untersuchen lassen, denn die Medikamente, die das Eisen ausschleusen, können gleichzeitig dauerhafte Schäden anrichten.
Unterstützung finden die Betroffenen bei Selbsthilfegruppen oder -vereinen, wie beispielsweise dem Verein IST e.V. (www.ist-ev.org), der sich als Ansprechpartner für sowohl Ärzte als auch Patienten und deren Angehörige sieht. Auch die Stefan Morsch Stiftung (www.stefan-morsch-stiftung.com) unterstützt Betroffene mit Informationen und hilft aktiv bei der Suche nach Stammzellspendern.
Thalassämie-Patienten sollten auf eine ausgewogene Ernährung und eine gesunde Lebensweise achten und dabei auf Genussgifte wie Alkohol und Nikotin verzichten. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten ist Sport anzuraten, denn Bewegung aktiviert das Immunsystem und den Stoffwechsel. Gleichzeitig bessert sich mit Sport die Stimmung. Da gerade bei der schwersten Form der Erkrankung, der Thalassämia major, die Lebensqualität sehr eingeschränkt sein kann, hilft den Betroffenen unter Umständen eine psychotherapeutische Begleitbehandlung.
Quellen
- Buselmaier, W. et al.: Humangenetik für Biologen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2005
- Classen, M., Diehl, V., Kochsiek, K. (Hrsg.): Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2009
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013