Transkutane Vagusnervstimulation

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Mit der transkutanen Vagusnervstimulation (t-VNS) werden medikamentenresistente Epilepsien und Depressionen behandelt. Dabei wird im Bereich der Ohrmuschel durch die Haut hindurch ein Ast des Vagusnervs mit elektrischen Impulsen aktiviert, ohne dass eine Operation erfolgen muss.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die transkutane Vagusnervstimulation?

Die transkutane Vagusnervstimulation stellt eine Alternative zur herkömmlichen VNS dar, die mit einem Eingriff im Brustbereich verbunden ist. Dabei wird ein herzschrittmacherähnliches Stimulationsgerät implantiert, das mittels einer Elektrode mit dem Nervus vagus in Verbindung steht.

Die Reizapparatur ist mit der Ohrelektrode durch ein dünnes Kabel verbunden. Sie sendet regelmäßig elektrische Impulse an das Gehirn, das daraufhin entkrampfende und antidepressive Wirkstoffe freisetzt. Die Gerätesignale werden gewöhnlich alle fünf Minuten für jeweils 30 Sekunden ausgestrahlt. Wenn die Batterie des Schrittmachergerätes erschöpft ist, muss es in einem erneuten neurochirurgischen Eingriff ersetzt werden. Mit dieser Methode konnte bei einer über zweijährigen Anwendung die Häufigkeit epileptischer Anfälle um drei Viertel reduziert werden. Jedoch treten hier Nebenwirkungen wie Husten, Heiserkeit und Stimmstörungen (Dysphonie) auf. Sie machen sich bemerkbar, wenn das Gerät arbeitet, lassen aber mit der Zeit nach.

Die nicht unerheblichen Folgewirkungen liegen in den Reizen begründet, denen die efferenten, zu den inneren Organen führenden Nervenfasern ausgesetzt werden. Verschiedene Studien wiesen nach, dass die Patienten die transkutane VNS gut vertragen, sie sich relativ problemlos in ihren Alltag einfügt und zu einer verbesserten allgemeinen Lebenssituation beiträgt. Jedoch hat sie noch nicht die therapeutische Effektivität der invasiven VNS erreicht. Zum Einsatz kann die t-VNS bei allen Formen und Schweregraden der zu behandelnden Beeinträchtigungen kommen.

Funktion, Wirkung & Ziele

Der Nervus vagus ist einer von zwölf Hirnnerven und treibt innere Organe wie das Herz und die Lunge sowie den Verdauungstrakt an. Er hat im menschlichen Körper ein außergewöhnlich großes Verbreitungsgebiet, dem er schließlich seinen Namen verdankt. Das lateinische Wort vagari bedeutet im Deutschen umherschweifen. Die impulsgebende Apparatur für den Vagusnerv hat etwa die Größe eines Smartphones.

Durch eine spezielle Ohrelektrode, die wie ein kleiner Kopfhörer getragen wird, werden die elektrischen Reize durch die Haut an den Ramus auricularis nervi vagi (Vagusnervast RANV) übertragen. Dieser Ast kann den Vagusnerv erregen und damit über den Hirnstamm Signale in die oberen Bereiche des Gehirns übermitteln, denen eine anfallsmindernde Wirkung zugeschrieben wird. Ein Test ergab, dass auf diese Weise rund 23 von 100 Epilepsiekranken weniger Anfälle zu erleiden hatten. Bei einzelnen Probanden verschwanden die epileptischen Anfälle sogar völlig. Jeder Patient kann mit einem solchen Gerät die Therapie einmal täglich an einem beliebigen Ort selbst durchführen. Die Stärke der elektrischen Stimulierung lässt sich regulieren. Gewöhnlich ist ein leichtes Kribbeln oder Pulsieren an der Einsatzstelle des Gerätes zu spüren.

Auch gegen schwere Migräneanfälle wurden mit dieser Technik bereits bemerkenswerte Erfolge erzielt. Erste praktische Untersuchungen lassen ebenso Heilungschancen bei Angststörungen, Alzheimer und einseitigem Kopfschmerz erkennen. In einem weiteren Verfahren der nichtinvasiven transkutanen Vagusnervstimulation wird auf der Höhe der Halsschlagader ein elektrisches Feld aufgebaut. Mit dem Anlegen eines etwa handgroßen Apparates kann dann der Vagusnerv für zwei Minuten angeregt werden. Diese Methode ist in Europa bereits zur Behandlung von Angststörungen, Depression, Epilepsie und primären Kopfschmerzen erlaubt.

Testversuche mit der funktionellen Magnetresonanztomographie haben zu dem Nachweis geführt, dass mittels der transkutanen Vagusnervstimulation genau diejenigen Hirnbereiche angesprochen werden wie bei einem operativen Verfahren. Beide Methoden wirken auf ein bestimmtes Nervenbündel im Hirnstamm, das für die Entstehung und die Häufigkeit von epileptischen Anfällen eine wesentliche Rolle spielt. Rund ein Drittel aller Epilepsiekranken erfahren bei der Gabe entkrampfender (konvulsiver) Medikamente keine Besserung ihres Zustandes. Diese Situation hat sich trotz mehrfach veränderter Mittel und Forschungen in den vergangenen Jahren nicht wesentlich verändert.

Für pharmakoresistente Patienten gewinnen die stimulierenden Verfahren deshalb an Bedeutung. Ihre Risiken sind als sehr gering einzuschätzen, vor allem im Vergleich zu chirurgischen Eingriffen, bei denen ein Teil des Hirngewebes entfernt wird, um die epileptischen Anfälle abzuschwächen. Auch das Implantieren von Elektroden im Gehirn ist ein relativ riskantes Verfahren.


Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Anders als die invasive bringt die transkutane Vagusnervstimulation keine unerwünschte Reizung von Nervenfasern mit sich. Somit entfallen auch Nebenwirkungen wie Heiserkeit oder zeitweilige Kurzatmigkeit. Nur während der Stimulation können im Bereich der Ohrmuschel ein Juckreiz oder leichte Schmerzen auftreten, die sich aber durch eine verringerte Intensität der elektrischen Reizung minimieren oder ganz abstellen lassen.

Bei der optimalen Einstellung der Stimulationsstärke seines Gerätes spürt der Patient höchstens nur ein leichtes Kribbeln am Ohr. Das sinnvolle Tagespensum für die Stimulierung des Vagusnervs liegt bei vier Stunden, die auch über den Tag verteilt werden können. Die Stärke der elektrischen Reize kann der Inhaber des Stimulationsgerätes jederzeit verändern, so dass sie immer am besten seinem eigenen Wohlempfinden entspricht. Vom Display des Apparates erhält der Patient regelmäßig alle wichtigen Informationen über die Wirksamkeit und Dauer der therapeutischen Maßnahmen.

Alle Daten werden in dem Gerät fortlaufend gespeichert, so dass der behandelnde Arzt den Therapieverlauf jederzeit verfolgen und wirksam beeinflussen kann. Ein Abbruch der Maßnahme ist zu jedem Zeitpunkt möglich. Selbst bei Kindern, die unter Epilepsie-Anfällen leiden, kann die t-VNS-Behandlung in Kombination mit medikamentösen Mitteln durchgeführt werden.

Quellen

  • Berlit, P. (Hrsg.): Klinische Neurologie. Springer, Berlin 2012
  • Frank, U.G.: Neurologie und Psychiatrie. Urban & Fischer, München 2010
  • Lang, F., et al.: Basiswissen Physiologie. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2007

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