Trisomie 22

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Trisomie 22 handelt es sich um eine Erbkrankheit, bei der das Chromosom 22 dreimal vorhanden ist. Die Krankheit führt sowohl zu kognitiven als auch zu körperlichen Behinderungen. Betroffene können dabei unterschiedlich schwer unter den Einschränkungen leiden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Trisomie 22?

Die Trisomie 22 führt zu vielen verschiedenen Einschränkungen und Symptomen. In der Regel leiden die Betroffenen dabei an einer Reihe unterschiedlicher kognitiver und motorischer Störungen, die nicht direkt behandelt werden können.
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Die Trisomie 22 ist eine genetische Krankheit, die zu psychischen und physischen Beeinträchtigungen führt. Die Behinderung kann unterschiedliche Schwere annehmen. Eine Trisomie kommt durch einen Fehler bei der Zellteilung zustande. Normalerweise besitzen menschliche Zellen einen zweifachen (diploiden) Chromosomensatz, in dem jedes einzelne Chromosom zweimal vorhanden ist. Bei einer Trisomie taucht jedoch das betroffene Chromosom dreimal im Erbgut auf.

Die Medizin unterscheidet verschiedene Unterformen der Trisomie 22:

  • Bei der Freien Trisomie 22 besitzen alle Körperzellen drei 22. Chromosomen, die voneinander unabhängig und klar getrennt sind.
  • Im Fall der Translokation-Trisomie 22 verlagert sich das zusätzliche Chromosom und verbindet sich mit einem anderen. Auf den ersten Blick scheint der Chromosomensatz deshalb die korrekte Anzahl an Chromosomen aufzuweisen.
  • Bei der Partiellen Trisomie 22 verdoppelt sich nur ein Abschnitt eines Chromosoms. Dementsprechend liegt dieser Teil (lateinisch „pars“) dreifach vor. Optisch zeichnet sich die Partielle Trisomie dadurch aus, dass eines der betroffenen Chromosomen länger ist: Es trägt den zusätzlichen Teil.
  • Menschen mit einer Mosaik-Trisomie besitzen im Gegensatz dazu sowohl trisome Zellen als auch disome Zellen; die Trisomie beschränkt sich auf lediglich eine Zell-Linie. Die meisten Betroffenen haben eine solche Mosaik-Trisomie, da die Überlebenswahrscheinlichkeit bei diesem Typus deutlich höher ist als bei anderen Formen.

Ursachen

Ursache für die Trisomie 22 ist ein Fehler bei der Zellteilung. Wenn eine Zelle sich teilt, wandert im Normalfall je ein Chromosom von jeder Art in eine der beiden Zellhälften. Unmittelbar nach der Teilung besitzen die neuen Zellen deshalb einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz. Erst dann kopiert die Zelle die Erbinformationen, sodass wieder zwei Chromosomen von jeder Art vorhanden sind. In diesem Prozess können jedoch Fehler auftreten.

Teilen sich die Chromosomen nicht richtig auf die beiden Zellhälften auf, besitzt eine von ihnen ein Chromosom zu viel. Trotzdem erstellt die Zelle eine Kopie eines der Chromosomen; in der fertigen Zelle befinden sich deshalb drei Chromosomen 22 statt nur zwei. Derartige Fehler bei der Zellteilung können sowohl bei Männern als auch bei Frauen auftreten. Die Ursache für eine Trisomie 22 des Kindes kann deshalb gleichermaßen beim Vater oder bei der Mutter liegen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome der Trisomie 22 umfassen sowohl geistige als auch körperliche Beeinträchtigungen. Die psychischen Symptome umfassen in erster Linie kognitive Einschränkungen. Betroffene können beispielsweise einen geringeren Intelligenzquotienten (IQ) aufweisen. Kognitive Beeinträchtigungen zeigen sich deshalb in verschiedenen Bereichen des Denkens.

Bei der Trisomie 22, vor allem beim Mosaik-Typ, kommt es jedoch stark darauf an, wie sehr die Hirnzellen von der Trisomie betroffen sind. Bei circa 50 Prozent der betroffenen Kinder manifestiert sich ein Herzfehler. Dabei handelt es sich um eine Fehlbildung des Organs: Die anatomische Gestalt des Herzens oder seiner Blutgefäße weist dabei Besonderheiten auf. Sie führen dazu, dass das Herz nicht richtig arbeitet oder vorschnell ermüdet.

Ärzte empfehlen deshalb auch bei Herzfehlern, die keine akute Gefahr darstellen, eine regelmäßige Beobachtung. Herzfehler bei Trisomie 22 sind nur einer der möglichen Organschäden. Bei der Mosaik-Trisomie 22 kommt es darauf an, welche Zellen des Organismus von der Trisomie betroffen sind – davon hängt auch die Art und das Ausmaß der organischen Fehlbildungen ab.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Äußerliche körperliche Merkmale können erste Anzeichen für die Trisomie 22 liefern. Die betroffenen Kinder haben häufig einen auffallend breiten Schädel und eine hohe Stirn. Das Gesicht ist oft flach mit weit auseinanderstehenden Augen, tiefliegenden Ohren und schnabelförmiger Nase. Der Unterkiefer steht typischerweise vor. Eine genetische Untersuchung kann die Trisomie 22 zweifelsfrei feststellen.

Komplikationen

Die Trisomie 22 führt zu vielen verschiedenen Einschränkungen und Symptomen. In der Regel leiden die Betroffenen dabei an einer Reihe unterschiedlicher kognitiver und motorischer Störungen, die nicht direkt behandelt werden können. Auch eine geistige Retardierung tritt dabei auf, sodass die Patienten in ihrem Leben auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind.

Allerdings kann die Trisomie 22 auch zu einem Herzfehler begünstigen, sodass die Betroffenen an einem plötzlichen Herztod versterben können. Das Herz selbst kann durch die Fehlbildung nicht richtig arbeiten, sodass die Patienten schnell müde und erschöpft wirken. Sie sind aus diesem Grund auf regelmäßige Untersuchungen angewiesen, um weitere Komplikationen zu vermeiden.

Allerdings können auch andere Organe durch die Trisomie 22 geschädigt sein. Ebenso kann die Krankheit zu ästhetischen Beschwerden führen. Die Patienten fühlen sich dabei häufig nicht schön und leiden dadurch an einem verringerten Selbstbewusstsein oder im Kindesalter auch an Mobbing oder an Hänseleien.

Da eine ursächliche Therapie der Trisomie 22 nicht möglich ist, können nur die einzelnen Beschwerden und Symptome der Erkrankung gelindert werden. Dabei treten keine Komplikationen auf. Auch die Angehörigen und die Eltern sind häufig von den psychischen Beschwerden der Krankheit betroffen und benötigen dadurch ebenfalls eine Behandlung.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Der Betroffene ist bei der Trisomie 22 auf eine medizinische Untersuchung und Behandlung angewiesen, damit weitere Komplikationen verhindert werden können. Im schlimmsten Fall kommt es unbehandelt durch diese Krankheit zum Tod des Betroffenen, sodass sich eine frühzeitige Diagnose mit einer anschließenden Behandlung immer sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Trisomie 22 auswirkt. Da es sich auch um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, sollte im Falle eines Kinderwunsches auch eine genetische Beratung durchgeführt werden.

Ein Arzt ist dann zu kontaktieren, wenn der Betroffene an einer deutlich eingeschränkten Intelligenz leidet. Weiterhin können auch Herzbeschwerden oder Fehlbildungen am gesamten Körper auf diese Krankheit hindeuten und sollten durch einen Arzt untersucht werden. Auch eine schnelle Müdigkeit oder eine dauerhafte Abgeschlagenheit kann auf diese Krankheit hinweisen.

In der Regel wird die Trisomie 22 von einem Kinderarzt oder durch einen Allgemeinarzt erkannt. Die weitere Behandlung richtet sich nach den genauen Beschwerden und wird von einem Facharzt durchgeführt. In einigen Fällen ist auch die Lebenserwartung des Betroffenen durch diese Krankheit verringert. Nicht selten sind auch Eltern und Angehörige auf eine psychologische Behandlung angewiesen.

Behandlung & Therapie

Die Trisomie 22 ist wie alle Trisomien nicht heilbar. Die betroffenen Zellen besitzen von Geburt an drei 22. Chromosomen und können das zusätzliche Chromosom nicht verlieren. Die Behandlung richtet sich deshalb vor allem gegen die Schäden, die infolge der Mutation auftreten. Im Einzelfall kann die Behandlung deshalb sehr unterschiedlich aussehen.

Da Herzfehler besonders häufig sind, liegt in der medizinischen Therapie oft ein Augenmerk auf dem lebenswichtigen Organ. Physio- und Ergotherapie unterstützen in der Regel die Behandlung der körperlichen Behinderungen. Wenn Kinder mit Trisomie 22 starke Verhaltensauffälligkeiten zeigen, kommen auch psychotherapeutische Ansätze in Frage. Sie können auch dann sinnvoll sein, wenn die Betroffenen stark unter sozialen oder emotionalen Folgen der Behinderung leiden.


Vorbeugung

Zur Vorbeugung von Trisomie 22 und ähnlichen Erkrankungen ist eine vorausschauende Familienplanung von Vorteil. Die Wahrscheinlichkeit für solche Mutationen steigt, je älter die Mutter des Kindes ist. Mediziner betrachten ein Alter der Mutter von unter 35 Jahren als verhältnismäßig unkritisch. In diesem Altersbereich ist das Risiko für eine Trisomie deutlich geringer.

Dennoch handelt es sich dabei nur um Wahrscheinlichkeiten: Auch ein junges Alter der Mutter ist keine Garantie, um eine Trisomie oder andere genetische Fehler vollständig auszuschließen. Bei Müttern über 35 ist unter Umständen eine pränatale Diagnostik sinnvoll, da Kinder mit Trisomie 22 häufig nicht lebend zur Welt kommen. Auch ein höheres Alter des Vaters erhöht das Risiko für eine Trisomie beim Kind.

Nachsorge

Da das Krankheitsbild bei der Trisomie 22 sehr unterschiedlich ausfällt, ist auch eine individuell angepasste Nachsorge erforderlich. Bei den Nachsorgemaßnahmen geht es darum, die mit der Chromosomenstörung verbundenen Besonderheiten zu beobachten und gegebenenfalls eine Behandlung von Problemen zu initiieren, wenn diese dadurch reduziert werden können. Die in den meisten Fällen kognitiv eingeschränkten Patienten profitieren von frühzeitig eingeleiteten lebenslangen Fördermaßnahmen.

Einschränkungen des Bewegungsapparats und der Motorik können im Rahmen der Nachsorge durch Physio- oder Ergotherapie verbessert werden. Die bei ungefähr jedem zweiten Betroffenen auftretenden Herzfehler bedürfen auch nach der eigentlichen Behandlung einer engmaschigen Überwachung. So können Verschlechterungen frühzeitig erkannt werden, und der behandelnde Kardiologe kann gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Die Nachsorge beinhaltet auch die Betreuung der Angehörigen. Die Eltern von Kindern mit Trisomie 22 sind so zu unterstützen, dass sie die Pflege des Kindes bestmöglich bewerkstelligen können. Gegebenenfalls kann psychologische Hilfe sinnvoll sein. Nachdem eine Frau ein Kind mit einer Trisomie 22 geboren hat, kann mit Hilfe der Humangenetik abgeklärt werden, ob ein erhöhtes Wiederholungsrisiko vorliegt.

Während einer Folgeschwangerschaft kann eine pränatale Diagnostik Aufschluss darüber geben, ob das Kind erneut betroffen ist. Dabei sollten allerdings die Risiken von invasiven Diagnosemaßnahmen nicht außer Acht gelassen werden.

Das können Sie selbst tun

Trisomie 22 aus dem Formenkreis der Erbkrankheiten ist nicht heilbar, es gibt aber Selbsthilfe- und Unterstützungsmöglichkeiten mit denen die Lebensqualität nachhaltig gesteigert werden kann.

Aufgrund des Herzfehlers ist es wichtig auf eine gesunde Ernährung zu achten. Insbesondere der Verzicht auf übermäßiges Essen und cholesterinhaltiger Lebensmittel wirkt sich positiv aus. Exzessiver Sport darf nicht getrieben werden, allerdings empfiehlt sich lockeres Laufen an der frischen Luft. Eine regelmäßige Überprüfung des Herzens muss unbedingt mehrmals im Jahr beim Facharzt erfolgen. Abhilfe schafft Ergo- und Physiotherapie zur Behandlung motorischer Beeinträchtigungen, insbesondere dient es dem Erhalt bestehender Fähig- und Fertigkeiten. Speziell geschulte Motologen helfen, die eigenen Grenzen des Körpers zu erleben und eine positive Beziehung zu ihm aufzubauen.

Eine psychotherapeutische Behandlung ist indiziert, zur Begleitung und Unterstützung im Alltag. Emotionale und soziale Belastungsfaktoren werden in einem geschützten Umfeld identifiziert und gelöst. Hierfür eignet sich besonders die Gesprächs- und Verhaltenspsychotherapie. Systemische Psychotherapie wirkt positiv bei Problemen, die das soziale und familiäre Umfeld betreffen. Positiv wirkt ein breites soziales Umfeld mit diversen Anlaufstellen. Selbsthilfegruppen bieten einen Ort, an dem Erfahrungen ausgetauscht und weitere Informations- und Hilfemöglichkeiten angeboten werden.

Quellen

  • Beckermann, M.J.: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Schwabe, Basel 2004
  • Wassermann, K., Rohde, A.: Pränataldiagnostik und psychosoziale Beratung. Schattauer, Stuttgart 2009
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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