Usher-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Usher-Syndrom ist eine Genmutation verschiedener Chromosome, die eine Hörseh-Behinderung verschiedener schwersten Grades hervorruft. Die schwerwiegendste Form mit angeborener Taubheit und Gesichtsfeldverlust geht mit einem Alter von zehn Jahren einher. Während die teilweise fortschreitende Hörbehinderung mit einem Hörgerät und später einem Chochlea-Implantat therapiert wird, stehen zur Behandlung des Gesichtsfeldverlusts bislang keine Therapiemethoden zur Verfügung. Allerdings erforschen Wissenschaftler gerade die Möglichkeit von Stammzellentherapien und Retina-Implantaten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Usher-Syndrom?

Ursächlich für das Usher-Syndrom sind verschiedene Genmutationen, die allesamt erblich sind.
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Das Usher-Syndrom ist eine erbliche Hörseh-Behinderung, die auf verschiedene Chromosom-Mutationen zurückgeht. Die Hälfte der insgesamt 40 Syndrome im Bereich der Hörseh-Blindheit gehen auf das Usher-Syndrom zurück. Die Erscheinung kommt dabei mit einer Inzidenz von drei bis sechs auf 100 000 Fällen vor, wobei die meisten davon in der sechsten Lebensdekade eintreten. Die Dunkelziffer der Erkrankungsrate liegt vermutlich weit über der genannten Zahl.

Da das Usher-Syndrom häufig mit gewöhnlicher Schwerhörigkeit verwechselt wird, während man deren Zusammenhang mit der begleitenden Erblindung durch die häufige Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa oft nicht früh genug erkennt. Die Erstbeschreibung des Syndroms geht auf Albrecht von Graefe zurück und stammt aus dem 19. Jahrhundert, wurde damals aber nicht ausreichend differenziert und dokumentiert. Der britische Ophthalmologe Charles Howard Usher wurde später zum Namensgeber der Erscheinung, da er dem Syndrom erst zu Bekanntheit verhalf und in diesem Bereich Pionierarbeit leistete.

Ursachen

Ursächlich für das Usher-Syndrom sind verschiedene Genmutationen, die allesamt erblich sind. Besonders häufig sind das Chromosom 11, das Chromosom 17 und das Chromosom 3 von der Mutation betroffen. Obwohl es klinisch letztlich relativ irrelevant ist, welches der Chromosome mutiert, unterscheidet der Mediziner das Usher-Syndrom in Abhängigkeit von den betroffenen Chromosomen in verschiedene Subtypen zwischen 1B und 3B.

Je nach Subtyp ist die Form der Mutation und mit ihr auch die eigentliche Ursache der Erscheinung eine andere. Mittlerweile geht die Wissenschaft von so genannten Usher-Proteinkomplexen aus, die je die Positionierung von verschiedenen Proteinen in der Membran beeinflussen. Diese Proteine sollen an der Signalübertragung der visuellen und auditiven Sinneszellen beteiligt sein. Wenn also ein Bestandteil dieser Komplexe fehlt, so kann der gesamte Proteinkomplex seine eigentlichen Aufgaben in der Zelle nicht erledigen und im Zuge dessen degenerieren sich die jeweiligen Zellen. Vor allem das Gerüstprotein Harmonin des Usher-Subtyps 1C soll in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle spielen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

In der Regel äußert sich das Usher-Syndrom in frühen Jahren durch Innenohrschwerhörigkeit, die auf einer Schädigung der Haarzellen in der Innenohrschnecke beruht. Seltener als bloße Schwerhörigkeit liegt von Geburt an eine vollständige Gehörlosigkeit vor. Neben diesen Frühsymptomen zählt die Netzhauterkrankung Retinopathia pigmentosa zu den später eintretenden Erscheinungen des Usher-Syndroms.

Bei dieser Erkrankung sterben Photorezeptoren von der Peripherie bis hin zur Makula Stück für Stück ab. Dabei stellt sich zuerst Nachtblindheit ein. Später kommt es zu einer Gesichtsfeldeinschränkung und dem sogenannten Tunnelblick. Je nach Subtyp kann diese Erscheinung in eine vollständige Erblindung münden. Zum Teil gehen diese Symptome zusätzlich mit epileptischen Anfällen einher.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose Usher-Syndrom stellt der Arzt über verschiedene Diagnostikverfahren. Eine möglichst frühe Diagnose ist deswegen entscheidend, weil dem Patienten ansonsten keine Zeit mehr bleibt, sich psychisch und physisch auf den späteren Verlust der Sinneswahrnehmungen einzustellen und eventuell durch die Erlernung neuer Kommunikationsverfahren vorzubereiten.

Neben einem Elektroretinogramm kann ein DNA-Chip, ein Protein-Chip oder eine Genanalyse stattfinden. Der Verlauf der Krankheit hängt stark vom jeweiligen Typen ab. Auf die Schwere der Krankheit bezogen lassen sich drei Typen unterscheiden. Der Usher-Typ 1 (USH1) entspricht dabei dem schwersten Verlauf der Krankheit, bei dem von Geburt an Taubheit und teilweise ein gestörter Gleichgewichtssinn vorliegen.

Bereits ab dem zehnten Lebensjahr besteht bei diesem Subtypen eine beginnende Retinopathia pigmentosa. Der Usher-Typ 2 (USH2) definiert sich über eine konstante, hochgradige Schwerhörigkeit, wobei während der Pubertät die Retinopathia pigmentosa einsetzt. Beim Usher-Typ 3 (USH3) beginnen ein fortschreitender Gehörverlust und Gesichtsfeldverlust erst in der zweiten Lebenshälfte.

Komplikationen

Aufgrund des Usher-Syndroms leiden die Betroffenen an sehr schwerwiegenden Beschwerden und Symptomen. In der Regel tritt dabei einer Schwerhörigkeit schon in einem sehr jungen Alter ein. Vor allem junge Menschen leiden dabei auch an psychischen Beschwerden oder sogar an Depressionen.

Im weiteren Verlauf kommt es schließlich zu einem vollständigen Gehörverlust und damit zu deutlichen Einschränkungen im Alltag. Bei Kindern kommt es durch das Usher-Syndrom auch zu einer verzögerten und sehr eingeschränkten Entwicklung. Weiterhin kann die Erkrankung auch zu einer Nachtblindheit führen. Die Betroffenen leiden in seltenen Fällen an einer vollständigen Erblindung.

Ebenso führt das Syndrom zu epileptischen Anfällen, die mit sehr starken Schmerzen verbunden sind. Diese können im schlimmsten Fall auch zum Tod des Betroffenen führen. Viele Patienten sind aufgrund der Beschwerden in ihrem Alltag auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen und können den Alltag dabei nicht alleine meistern.

Mit Hilfe von verschiedenen Therapien können einige Beschwerden gelindert werden. Allerdings kann der fortschreitende Verlauf der Krankheit nicht eingeschränkt werden. Die Patienten sind in ihrem Alltag auf eine Hörhilfe und auf eine Sehhilfe angewiesen. Die Lebenserwartung wird durch das Usher-Syndrom allerdings nicht verändert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da es beim Usher-Syndrom nicht zu einer Selbstheilung kommen kann, ist der Betroffene auf einen Besuch bei einem Arzt angewiesen. Nur so können weitere Komplikationen oder Beschwerden verhindert werden, welche das Leben des Betroffenen deutlich erschweren. Da es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, kann diese nicht vollständig geheilt werden. Bei einem Kinderwunsch kann jedoch eine genetische Beratung durchgeführt werden, damit das Usher-Syndrom nicht erneut bei den Nachfahren auftritt. Ein Arzt ist bei dieser Krankheit dann aufzusuchen, wenn das betroffene Kind an einer vollständigen Gehörlosigkeit leidet. Diese ist dabei schon seit Geburt vorhanden.

Weiterhin kommt es auch zu Beschwerden an den Augen, welche mit zunehmendem Alter ebenfalls stärker werden. Die Patienten leiden dabei auch an einer Nachtblindheit, welche ebenfalls auf das Syndrom hinweisen kann. In einigen Fällen macht sich das Usher-Syndrom durch epileptische Anfälle bemerkbar. Bei einem solchen Anfall sollte sofort ein Notarzt gerufen oder direkt ein Krankenhaus aufgesucht werden. Das Syndrom selbst kann durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Kinderarzt erkannt werden. Die weitere Behandlung richtet sich nach der Schwere der Beschwerden und wird von einem Facharzt durchgeführt. In der Regel wird die Lebenserwartung des Patienten durch dieses Syndrom nicht verringert.

Behandlung & Therapie

Gerade für die Retinopathia pigmentosa des Usher-Syndroms gibt es bislang kein Behandlungsmittel. Gentherapeutische Ansätze befinden sich aktuell aber in Erforschung und sollten bald eine Ersetzung defekter Gene in der Retina ermöglichen. Daneben werden auch Therapiemöglichkeiten wie Stammzelltherapien und Retina-Implantate gegenwärtig erforscht.

Die Hörbehinderung des Usher-Syndroms wird mit einem Hörgerät therapiert und kann in späteren Stadien ein Cochlea-Implantat erfordern. In der Regel erlernen Patienten des Usher-Syndroms früh die Gebärdensprache. Falls schwerwiegende Gesichtsfeldbeeinträchtigungen auftreten oder bestehen kann die taktile Gebärdensprache erlernt werden, um die Kommunikationsfähigkeit zu bewahren. Dabei nimmt man die Hände des Gegenübers in die eigenen und erfühlt so die jeweiligen Gebärden.

Vorbeugung

Da es sich beim Usher-Syndrom um eine erbliche Erkrankung auf Basis einer Genmutation handelt, lässt sich der Erscheinung nicht vorbeugen. Weil die Frühdiagnose bei dieser Erkrankung aber wichtig ist, ist die regelmäßige Kontrolle der eigenen Hör- und Gesichtsfeldqualitäten zumindest eine Maßnahme, die durch eine frühe Diagnose die eigene Anpassungsfähigkeit an die veränderten Bedingungen steigern kann.

Nachsorge

Das Usher-Syndrom ist eine Genmutation verschiedener Chromosomen, die meist mit Hörverlust und starker Sehbehinderung einhergeht. Betroffene müssen ein Hörgerät tragen, bei sehr schwerer Hörminderung kann ein Cochlea Implantat helfen. Für einen Kranken, der bereits seit Geburt am Usher-Syndrom leidet, ist der Alltag meistens leichter zu bewältigen. Patienten, die erst im Laufe ihres Lebens taub werden und schließlich erblinden, ist der Umgang mit der Krankheit häufig sehr viel problematischer.

Ihr Alltag ist plötzlich sehr eingeschränkt und belastet. Sehr wichtig ist daher die Unterstützung durch Bekannte, Freunde, Fachärzte und entsprechende Therapeuten. Bei optimaler Behandlung ist es dem Betroffenen oftmals möglich, ein weitestgehend normales Leben zu führen. Hilfe im Alltag ist natürlich dennoch notwendig: Die Wohnung des Betroffenen muss behindertengerecht ausgestattet sein. Geht der Patient einem Beruf nach, so muss dieser seinen körperlichen Möglichkeiten entsprechen und der Arbeitsplatz sollte seiner Behinderung angepasst werden.

Damit Betroffene sich nicht völlig zurückziehen, sollte der Kontakt mit anderen Menschen gewährleistet sein. Eine Kommunikation kann über Lippenlesen oder Gebärdensprachen erfolgen. Nimmt die Erblindung im Laufe der Erkrankung zu, kann auch über sogenannte taktile Gebärdensprache kommuniziert werden, entsprechende Gebärden werden dabei über Körperkontakt vermittelt. Eine kompetente Anlaufstelle für Betroffene bietet der Verein Usher–Syndrom e.V.

Das können Sie selbst tun

Das Usher-Syndrom bedarf einer ärztlichen Behandlung. Betroffene müssen ein Hörgerät oder bei einer schweren Hörminderung ein Implantat tragen, um die Hörfähigkeit zu verbessern.

Menschen, die bereits von Geburt an unter dem Usher-Syndrom leiden, haben es meist leichter. Für Patienten, die erst im Verlauf des Lebens ertauben und schließlich erblinden, stellen die plötzlichen Einschränkungen eine große Belastung im Alltag dar. Wichtig ist deshalb eine gute Unterstützung durch Freunde, Bekannte und Fachärzte sowie Therapeuten. Dann kann dem Patienten eine optimale Behandlung ermöglicht werden, durch welche sich ein vergleichsweise normales Leben führen lässt.

Dennoch sind Menschen, die taub und blind sind, im Alltag auf Unterstützung angewiesen. Die Wohnung muss behindertengerecht ausgestattet werden und der Beruf muss den eigenen körperlichen Fähigkeiten entsprechen. Betroffene sollten frühzeitig das Lippenlesen und andere Techniken erlernen, um im Alltag besser mit anderen Menschen kommunizieren zu können. Bei zunehmender Erblindung kann zudem über die sogenannte taktile Gebärdensprache kommuniziert werden. Mögliche Sprachen sind beispielsweise Tadoma oder Gestuno, wobei Letzteres sich darauf fokussiert, die Gebärden durch Körperkontakt zu fühlen. Der Verein Usher-Syndrom e. V. gibt Betroffenen weitere Anlaufstellen an die Hand.

Quellen

  • Arnold, W.: Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
  • Grehn, F.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2012
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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