Retinitis pigmentosa
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Retinitis pigmentosa ist eine genetisch bedingte Degeneration der Netzhaut, bei der Stück für Stück die Photorezeptoren der Augen zugrunde gehen und so im späten Krankheitsverlauf meist vollständige Blindheit eintritt. Häufig ist dieses Phänomen nur ein Symptom von mehreren und bildet zusammen mit den jeweiligen Begleitsymptomen einen ganzen Symptomkomplex, wie das Usher- oder das Alport-Syndrom.
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Was ist Retinitis pigmentosa?
Die Retinitis pigmentosa ist eine genetisch bedingte Erkrankung der Retina, die eine Netzhautdegeneration auslöst und auch als Patermann-Syndrom oder Retinopathia pigmentosa bekannt ist. Der Niederländer Frans Donders dokumentierte die Erkrankung schon 1855 und prägte damals die Bezeichnung Retinitis pigmentosa.
Da der Ausdruck der Retinitis aber eigentlich eine Entzündung bezeichnet und die Krankheit als solche nicht mit entzündlichen Prozessen zusammenhängt, benannte die Augenheilkunde das Phänomen später in Retinopathia pigmentosa um. Nichtsdestotrotz ist auch Donders ursprüngliche Namensgebung bis heute in Gebrauch. Rund drei Millionen Menschen leiden weltweit an der Retinitis pigmentosa, wobei das Jugendalter und die mittleren Lebensjahre die Erkrankungshochphase bilden.
Bei der genetisch bedingten Netzhautdegeneration lässt die allgemeine Sehkraft über mehrere Jahrzehnte hinweg Stück für Stück nach. Etwa die Hälfte aller Patienten entwickelt in einem späteren Stadium einen Grauen Star, der mit einer allgemeinen Linsentrübung einher geht. Auch bei Tieren kommt die Erkrankung vor und wird von der Veterinärmedizin eine progressive Retinaatrophie genannt.
Ursachen
Neben der Vererbung kann auch eine spontane Mutation den krankhaften Defekt von einem der über 40 identifizierten Gene bedingen. Unter Umständen können toxische Erscheinungen durch Stoffe wie Chloroquin mit denselben Symptomen einhergehen, wie die Retinitis pigmentosa. In diesem Fall spricht der Mediziner aber eher von einer Pseydoretinitis oder einer Phänokopie.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Ein Frühsymptom der Retinitis pigmentosa ist Nachtblindheit. Die Augen können sich aufgrund der schleichenden Zerstörung von Photorezeptoren im Verlauf immer schlechter an wechselnde Lichtverhältnisse anpassen und reagieren auf Licht zunehmend blendeempfindlich. Später wird das Kontrastsehen und das Farbsehen beeinträchtigt.
Die meisten Patienten leiden im Spätverlauf außerdem an einer Beeinträchtigung des Gesichtsfelds in Form des sogenannten Tunnelblicks. Das zentrale Blickfeld bleibt in der Regel lange erhalten. Allerdings kann es im späten Verlauf zu gänzlicher Erblindung kommen. Für fast ein Viertel der Patienten ist die Retinitis pigmentosa keine alleinige Erscheinung, sondern wird von vielen Zusatzsymptomen begleitet und wirkt sich so in Form eines ganzen Syndroms aus, so beispielsweise in Form des Usher-Syndroms.
In diesem Zusammenhang spricht der Mediziner auch von einer assoziierten Retinopathia pigmentosa, die mit Hörstörungen, Lähmungen oder Herzrhythmusstörungen oder Muskelschwäche einher gehen kann. Neben dem Usher-Syndrom gehören das Alport- und das Refsum-Syndrom zu den bekanntesten Komplexen im Zusammenhang mit assoziierter Retinitis pigmentosa.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose der Retinopathia pigmentosa wird über ein Elektroretinogramm gestellt. Dieses Elektroretinogramm ermöglicht schon in der frühen Kindheit die Diagnosestellung. Je früher die Diagnosestellung, umso günstiger letztlich auch die Aussichten, im Spätverlauf mit der Erkrankung umgehen zu können.
Die Prognose hängt stark davon ab, welches von über 40 ursächlichen Genen von dem Defekt betroffen ist, wobei die Krankheit bis auf die Sonderform des Refsum-Syndroms bislang als unheilbar gilt. Um die genaue Lokalisierung des Gendeffekts einzuschätzen und eine Prognose abgeben zu können, analysiert der Arzt zunächst alle zusätzlichen Symptome und verschafft sich im Zuge dessen zum Beispiel einen Eindruck von Hörstörungen und Blutwerten. Erst wenn der genaue Gendefekts ermittelt ist, kann eine DNA-Analyse durchgeführt werden.
Komplikationen
Zusätzliche Komplikationen treten bei denjenigen Formen der Retinitis pigmentosa auf, bei denen auch andere Organe des Körpers von Krankheitssymptomen betroffen sind. Bei ungefähr 25 Prozent aller Betroffenen trifft dies zu. Je nach vorliegendem Syndrom können unter anderem zusätzlich Hörprobleme, Lähmungen, Muskelschwäche, Herzrhythmusstörungen oder geistige Entwicklungsstörungen auftreten.
Innerhalb der Augen zeigen sich manchmal auch noch weitere Veränderungen wie Kalkeinlagerungen im Sehnerv, Hornhautverkrümmungen, Lindentrübungen, Kurzsichtigkeit oder Gefäßerkrankungen. So besteht beim Usher-Syndrom neben der Retinitis auch eine starke Hörbeeinträchtigung, die vor allem auf eine Schädigung der Haarzellen zurückgeht. Eine Retinitis pigmentosa kommt auch im Rahmen des Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndroms vor.
Hier treten neben der Netzhautentzündung Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Adipositas, Muskelschwäche, Schwerhörigkeit, geistige Behinderungen und Störungen der Motorik auf. Als Folge von Diabetes und Bluthochdruck kann es zu Herzkreislaufbeschwerden kommen. Bei anderen assoziierten Formen der Retinitis pigmentosa können auch Herzrhythmusstörungen auftreten, die zuweilen zu lebensgefährlichen Komplikationen führen. Weitere Komplikationen ergeben sich auch durch Gangstörungen, die häufig Stürze verursachen können. Manchmal kommen bei einer Retinitis pigmentosa auch neurodegenerative Störungen wie eine demenzielle Entwicklung vor.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine Retinitis pigmentosa muss immer von einem Arzt untersucht und behandelt werden. Es kann bei dieser Krankheit nicht zu einer Selbstheilung kommen und der Betroffene kann im schlimmsten Falle vollständig erblinden. Je früher die Erkrankung erkannt und behandelt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Heilung.
Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Patient an einer Nachtblindheit leidet. Dabei können die Betroffenen nachts kaum etwas sehen und erkennen. Auch das Sehen von verschiedenen Farben kann durch die Retinitis pigmentosa beeinträchtigt sein und sollte von einem Arzt untersucht werden. Die Betroffenen leiden durch die Erkrankung allerdings auch unter Hörbeschwerden oder an Beschwerden am Herzen. Sollten diese Symptome auftreten, so muss unbedingt ein Arzt aufgesucht werden.
In erster Linie wird die Retinitis pigmentosa durch einen Augenarzt behandelt. Die weiteren Beschwerden können dann auch durch einen Kardiologen oder durch einen HNO-Arzt behandelt werden. Ob eine vollständige Heilung erreicht werden kann, kann nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden.
Behandlung & Therapie
Das Fortschreiten der Retinopathia pigmentosa lässt sich für die meisten Formen der Erkrankung bislang nicht aufhalten. Die Nahrungsergänzung mit Vitamin A soll die Progression in Kombination mit hyperbaren Sauerstofftherapien laut klinischer Studien allerdings verlangsamen können. Der Umgang mit der Krankheit steht gegenwärtig im Fokus der Therapie.
So sollen die Patienten durch psychologische Betreuung und die frühzeitige Einführung in Orientierungstechniken für Blinde zum Beispiel besser auf den möglicherweise bevorstehenden Verlust des Augenlichts vorbereitet werden. Das Refsum-Syndrom bildet eine Ausnahme, denn hierbei handelt es sich eigentlich um einen Stoffwechseldefekt, dessen Progression eine phytansäurearme Spezialdiät aufhalten kann.
Für alle anderen Formen wird gegenwärtig mit Stammzelltherapien und dem Austausch der defekten Gene unmittelbar in der Retina experimentiert. Zur Reparatur von bereits bestehenden Netzhautschäden beschäftigt sich die Medizin aktuell außerdem mit der Entwicklung von Retina-Implantaten, die die Funktionsverluste der Photorezeptoren ausgleichen sollen. Ein subretinales Implantat zu 1500 Dioden soll so in Zukunft unter Umständen das Sehen wieder möglich machen.
Vorbeugung
Der Retinitis pigmentosa lässt sich nicht vorbeugen, da es sich bei der Erkrankung um einen Gendefekt handelt.
Nachsorge
Betroffenen stehen bei einer Retinitis pigmentosa in den meisten Fällen nur wenige und auch nur eingeschränkte Möglichkeiten oder Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei sollte in erster Linie schon sehr früh einen Arzt aufgesucht werden, damit es im weiteren Verlauf nicht zu Komplikationen oder zu anderen Beschwerden kommt. Dies ist entscheidend für den weiteren Verlauf der Erkrankung, sodass schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen der Krankheit ein Arzt kontaktiert werden sollte.
Die Behandlung der Retinitis pigmentosa erfolgt in der Regel durch die Einnahme von verschiedenen Medikamenten, wobei vor allem Antibiotika verwendet werden. Dabei ist immer eine regelmäßige Einnahme mit einer richtigen Dosierung zu beachten, wobei Antibiotika auch nicht zusammen mit Alkohol eingenommen werden sollten. In vielen Fällen ist dabei auch die Unterstützung und die Hilfe der eigenen Familie auch notwendig, damit es nicht zu Depressionen oder zu psychischen Verstimmungen kommt.
Bei Kindern müssen vor allem die Eltern auf die richtige und auch auf die regelmäßige Einnahme der Medikamente achten. Ein allgemeiner Verlauf kann nicht vorhergesagt werden, wobei es in einigen Fällen zu einer verringerten Lebenserwartung des Betroffenen kommen kann.
Das können Sie selbst tun
Die Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa ist erblich bedingt und derzeit nicht heilbar. Durch das Absterben der Netzhautzellen schränkt sich das Gesichtsfeld des Betroffenen ein. Das räumliche Sehen geht verloren. Das Gehen mit dem Blindenstock ersetzt ihm die räumliche Orientierung.
Andererseits sind RP-Betroffene mit Tunnelblick oft noch fähig, mit einer Lupe zu lesen. Hierfür sind die Zapfen verantwortlich, die im Zentrum der Netzhaut liegen. Sie sind länger funktionsfähig als die Stäbchen, die das Nacht- und Dämmerungssehen ermöglichen. Sind diese abgestorben, ist der Betroffene auf die Hilfe einer Begleitperson angewiesen.
Wichtig ist, dass Außenstehende für die fortschreitende und sich verschlimmernde Blindheit sensibilisiert werden. Das Tragen des Blinden-Abzeichens sorgt für Klarheit. Hilfsmittel wie die Brailleschrift oder sprachgesteuerte Computer erleichtern dem Betroffenen den Alltag. Die hohe Blendungsempfindlichkeit wird mit einer getönten Brille abgeschwächt. Verschwimmen die Kontraste und können Konturen in der Wohnung nicht mehr wahrgenommen werden, helfen dem Betroffenen Markierungen, die er mit den Händen ertastet. Farbliche Markierungen eignen sich dagegen nicht, da das Farbensehen ebenfalls gestört ist.
RP-Betroffene haben Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis.
Verfügt der Patient über ein gut entwickeltes Sehzentrum, kann ihm ein Chip implantiert werden, mit dessen Hilfe er die Konturen von Gegenständen wieder erkennen kann.
Quellen
- Dahlmann, C., Patzelt, J.: Basics Augenheilkunde. Urban & Fischer, München 2014
- Grehn, F.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2012
- Lang, G. K.: Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2014