Visueller Cortex
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der visuelle Cortex (Sehrinde) ist der Teil der Großhirnrinde, welcher das Sehen ermöglicht. Er befindet sich im Occipitallappen des Gehirns. Ausfälle in der Sehrinde führen zu Störungen in der Bildverarbeitung und damit zu Gesichtsfeldausfällen.
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Was ist der Visuelle Cortex?
Der visuelle Cortex (Sehrinde) stellt den Bereich der Großhirnrinde dar, wo die Bildverarbeitung von aufgenommenen visuellen Reizen im Auge bis zur komplexen Darstellung des Gesehenen stattfindet. Er nimmt den größten Teil des Occipitallappens des Gehirns ein. In der Hirnkarte von Korbinian Brodmann entspricht er den Hirnarealen 17, 18 und 19.
Die Sehrinde wird des Weiteren in die primäre Sehrinde (V1) sowie in die sekundäre und tertiäre Sehrinde eingeteilt. Bei Primaten einschließlich des Menschen ist die Zelldichte der Sehrinde sehr groß. Ihre Dicke ist allerdings sehr klein und beträgt beim Menschen nur 1,5 bis 2 Millimeter. Das Areal 17 repräsentiert die primäre Sehrinde und stellt unmittelbar die gegenseitige Hälfte des Gesichtsfeldes dar. Außerdem ist sie retinotop aufgebaut. Das bedeutet, dass die auf der Netzhaut (Retina) abgebildeten Punkte auch in der Sehrinde genauso angeordnet sind. Da das Areal 17 (primärer visueller Cortex) eine streifige Struktur aufweist, wird es auch Area striata genannt.
Anatomie & Aufbau
Die nächsten vier Schichten werden von Parvo-Zellen repräsentiert. Die Parvo-Zellen sind klein und steuern die Wahrnehmung der Objekte durch Farb- und Strukturdarstellung. Die Ganglienzellen im primären Cortex sind so angeordnet wie die Rezeptoren in der Retina. So sind die Zellen im primären Cortex, welche die Fovea repräsentieren sollen, zahlenmäßig am meisten vertreten. Die Fovea bildet in der Retina den Bereich des schärfsten Sehens und enthält hier demnach auch die meisten optischen Rezeptoren. Neben der Schichteinteilung existiert auch noch eine Einteilung in Säulen. Dabei gibt es Orientierungssäulen, Dominanzsäulen und Hyperkolumnen. Die in jeder Säule nachgeschalteten Zellen sind gleichermaßen wie die in der Retina abgebildeten Punkte angeordnet. So reagiert jede Orientierungssäule nur auf eine Linie eines speziellen Punktes in der Retina.
Das System der Linien wird als Abbild der Umwelt in Konturen erfasst. Eine Dominanzsäule setzt sich aus mehreren Orientierungssäulen unterschiedlich ausgerichteter Linien von derselben Stelle der Retina zusammen. Außerdem bestehen die Dominanzsäulen neben Orientierungssäulen auch aus sogenannten Blobs. Blobs repräsentieren Säulen, die auf Farben reagieren. Die Hyperkolumnen bestehen wiederum aus den aus beiden Augen stammenden Dominanzsäulen des gleichen Gesichtsfeldes. Somit setzen sie sich jeweils aus zwei Dominanzsäulen (pro Auge eines) zusammen. Vom primären visuellen Cortex werden die Bildinformationen über zwei unterschiedliche Pfade zur Weiterverarbeitung an die sekundäre und primäre Sehrinde weitergeleitet.
Funktion & Aufgaben
Der visuelle Cortex hat die Aufgabe, optische Reize aufzunehmen und schrittweise so zu verarbeiten, dass die Umwelt abgebildet wird. Dabei wird die Information nach Aufnahme des Reizes zerlegt, analysiert, abstrahiert und in geordneter Form an die nächste Verarbeitungsstufe weitergegeben.
Während die Vorgänge in der primären Sehrinde weitgehend bekannt sind, ist die weitere Informationsverarbeitung nicht mehr so leicht zu verstehen. Vom primären visuellen Cortex erfolgt die Weiterleitung des Reizes über einen dorsalen parietalen und einen ventralen temporalen Pfad. Der parietale Verarbeitungsstrom dient zur Wahrnehmung von Bewegung sowie Position und wird auch als Wo-Strom bezeichnet. Der temporale Strom dient dem Erkennen der Objekte durch Farb-, Muster- und Formwahrnehmung.
Dementsprechend wird er auch als Was-Strom bezeichnet. Im weiteren Verlauf der Bildverarbeitung werden die Verknüpfungen von Bilddarstellung, Reaktion und Verhalten immer komplexer. Nicht nur das aktuelle Bild dient als Grundlage für die Handlung, sondern auch die im Gedächtnis gespeicherten Bilder. So laufen bei visuellen Vorstellungen ähnliche Vorgänge ab wie bei der Bildverarbeitung.
Krankheiten
Die Funktion der Sehbahn ist zwar noch völlig intakt, aber die Bildinformationen werden nicht mehr weitergeleitet. Unbewusst reagiert der Patient noch auf visuelle Reize, obwohl er nichts mehr sieht. Er ist aber noch in der Lage, Objekte zu greifen und zu benennen, wenn er dazu aufgefordert wird. Dieser Zustand wird umgangssprachlich auch Blindsehen genannt. Beim Ausfall des sekundären oder tertiären visuellen Cortex tritt keine Erblindung auf. Das Bild wird noch vollständig wahrgenommen. Allerdings geht hier teilweise der Bezug zu den Personen oder Objekten verloren.
Da in dieser Bildverarbeitungsphase die komplexen Zusammenhänge zwischen visueller Wahrnehmung und Erkennung der Objekte gesteuert werden, können die Personen oder Objekte teilweise nicht mehr erkannt werden. Dabei handelt es sich um eine Agnosie. Auch Halluzinationen können auftreten. Oft kommt es bei der Störung von sekundärem oder tertiärem visuellen Cortex auch zu Synästhesien, wobei unterschiedliche Sinneswahrnehmungen zu einer subjektiven Empfindung verknüpft werden.
Quellen
- Baenkler, H.-W., et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme Verlag, Stuttgart 2010
- Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
- Mumenthaler, M., Mattle, H.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012