Großhirnrinde

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Großhirnrinde bezeichnet die äußerste Schicht des menschlichen Großhirns. Der Begriff stammt vom lateinischen Cortex (Rinde) cerebri (Hirn) ab und wird häufig auch als Cortex abgekürzt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Großhirnrinde?

Den unterschiedlichen Lappen der Großhirnrinde werden verschiedene Aufgabenbereiche zugeteilt. So ist der Schläfen- oder Temporallappen (Lobus temporalis) zuständig für Gehör, Geruch und Sprache.
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Das menschliche Großhirn umfasst etwa 85 Prozent der gesamten Hirnmasse und ist der evolutionsgeschichtlich jüngste Teil des Gehirns. Die darüber liegende Großhirnrinde übernimmt vielfältige Aufgaben der menschlichen Sinneswahrnehmung und nimmt aufgrund ihrer großen Fläche etwa die Hälfte des gesamten Hirnvolumens ein. Der Cortex wird aufgrund seiner hohen Anzahl an Nervenzellen, die ihn in eine rötlich-braune bis graue Farbe tauchen auch als graue Substanz bezeichnet.

Die Anzahl an Nervenzellen in der Großhirnrinde reicht von 19 bis 23 Milliarden, abhängig von Größe und Geschlecht des Menschen. Die Nervenzellen der Großhirnrinde verarbeiten codierte Signale der einzelnen Sinnesorgane des Körpers und wandeln sie in gezielte Eindrücke um. Die Großhirnrinde ist also wesentlicher Bestandteil für unsere Sinneswahrnehmung. Einige Wissenschaftler meinen außerdem, den Sitz des Bewusstseins in der vorderen Großhirnrinde verorten zu können. Diese Forschungshypothese ist jedoch, wie das Rätsel des Bewusstseins an sich höchst umstritten.

Anatomie & Aufbau

Das Großhirn zieht sich, unterteilt in zwei spiegelgleiche Hälften, den sogenannten Hemisphären, vom Stirnbereich über die Seiten bis zum Hinterkopf und befindet sich über Thalamus, Hypothalamus, Hirnstamm und Kleinhirn. Die das Großhirn ummantelnde Großhirnrinde ist eine in zahlreichen Falten und Windungen liegende, zwei bis fünf Millimeter dicke Schicht. Diese Faltung ermöglicht eine maximale Ausdehnung der Oberfläche im begrenzten Raum des Schädels.

Beim Menschen beträgt die Fläche des Cortex im Durchschnitt 1800 Quadratzentimeter. Die charakteristische Struktur der Großhirnrinde hat sich in der Evolution der Säugetiere langsam über die Zeit entwickelt. Zu den ältesten Teilen zählen der für die Wahrnehmung von Gerüchen zuständige Palaeocortex, was übersetzt alter Cortex bedeutet. Auch der sogenannte Archicortex, der häufig zum limbischen System gerechnet wird und emotionale Reaktionen beeinflusst, sowie der Hippocampus, welcher ausschlaggebend für das Gedächtnis ist, haben sich geschichtlich früh entwickelt.

Diese alten Partien der Großhirnrinde machen jedoch nur ein Zehntel des gesamten Cortex aus. Die restlichen 90 Prozent bezeichnet man als Neocortex, also neuer Cortex. Der Neocortex wurde analog zur Höherentwicklung der Sinnesorgane, wie etwa bei Haut und Schleimhäuten, Muskulatur, Geschmacksorganen und Innenohr geschehen, immer komplexer in Struktur und Aufbau.

Die gesamte Großhirnrinde kann außerdem grob in vier bis sechs Lappen, sogenannte Lobi eingeteilt werden, deren Grenzen die markantesten Furchungen bilden.

Funktionen & Aufgaben

Den unterschiedlichen Lappen der Großhirnrinde werden verschiedene Aufgabenbereiche zugeteilt. So ist der Schläfen- oder Temporallappen (Lobus temporalis) zuständig für Gehör, Geruch und Sprache. Der Scheitellappen oder auch Parietallappen (Lobus parietalis) wandelt Signale für Geschmackswahrnehmung und Tastsinn um. Der Hinterhautslappen oder Occipitallappen (Lobus occipitalis) wird beim das Sehen aktiv und der Stirnlappen oder Frontallappen (Lobus frontalis) ist zuständig für Bewegung, Denkvorgänge und Sprache. In vielen Fällen unterteilt man die Großhirnrinde außerdem in zwei weitere Lappen: den sogenannten Insellappen (Lobus insularis) und den Limbischen Lappen (Lobus limbicus). Ersterer übernimmt die Verarbeitung von chemischen Reizen durch Geruch und Geschmack, sowie entscheidende Aufgaben beim Gleichgewichtssinn. Letzterer ist ausschlaggebend bei der Entstehung von Emotionen und Triebverhalten und steuert die Ausschüttung von Endorphinen, welche schmerzlindernd und Euphorie-erzeugend wirken können.

Im Cortex werden die Signale der Sinnesorgane mithilfe vorgeschalteter Hirnregionen zu zusammenhängenden Eindrücken und Wahrnehmungen der Umwelt verarbeitet. Der Großteil der von den Sinnesorganen eingehenden Signale wird von den im Thalamus befindlichen Nervenzellen umgeschaltet und zur „Übersetzung“ in eine kohärente Wahrnehmung an die jeweils zuständige „höhere“ Region des Cortex weitergeleitet.

Die Großhirnrinde ist außerdem zuständig für die Speicherung von Informationen, bildet also die biologische Basis unseres Gedächtnisses. Verstand und Denken, zielorientiertes Handeln und die Entstehung von Gefühlen, alle sind Produkte der Vorgänge in unserer Großhirnrinde.


Krankheiten & Beschwerden

Unsere Sinneswahrnehmung unterliegt einem komplexen Zusammenspiel zwischen Großhirnrinde und Sinnesorganen. Bei Schädigungen des für ein jeweiliges Sinnesorgan zuständigen Areals im Cortex kann es daher passieren, dass trotz einem funktionierenden Sinnesorgan die Sinneswahrnehmung gestört wird oder komplett entfällt. Ist beispielsweise das Sehzentrum in der Großhirnrinde verletzt, kann es trotz voll funktionsfähiger Augen zu Blindheit kommen.

Sind bestimmte höher gestufte Areale des Cortex betroffen, kann der Mensch zwar sehen, aber das Gesehene nicht in brauchbare Informationen umwandeln. Er ist also durch lokale Störungen beispielsweise nicht im Stande, Gesichter zu erkennen oder zu unterscheiden. Bei Schädigungen in der untersten Windung des Frontallappens kann es zu Einschränkungen der Sprachfähigkeit kommen, häufig jedoch nicht des Sprachverständnisses. Verletzungen im vorderen Teil des Frontallappens können Persönlichkeitsveränderungen hervorrufen oder die Intelligenz vermindern.

Eine weit verbreitete und leider bislang noch nicht heilbare Krankheit, welche die Großhirnrinde betrifft, ist Alzheimer. Bei Alzheimer-Patienten lagern sich in den Nervenzellen des Cortex Eiweiß-Proteine, sogenannte Neurofibrillen ab. Durch sie kommt es in den befallenen Zellen zu Störungen von Transportvorgängen, die beim Fortschreiten der Krankheit das Absterben der Nervenzellen mit sich ziehen.

Zunächst werden meist die für Gedächtnis und kognitiven Fähigkeiten zuständigen Areale betroffen, wodurch sich Alzheimer oft durch häufiges Vergessen bemerkbar macht. Schädigungen an der Großhirnrinde können aufgrund der hohen Komplexität und Sensibilität des Gehirns in Ausprägung und Symptomen stark variieren und sind laufend Gegenstand medizinischer Forschung.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
  • Weniger, W.: Gehirn und Nervensystem. Facultas, Wien 2019

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