Von-Willebrand-Faktor
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Von-Willebrand-Faktor ist ein Protein, das eine entscheidende Rolle bei der Blutgerinnung spielt. Bei einem Mangel an dem Gerinnungsfakor kommt es zu unstillbaren Blutungen.
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Was ist der Von-Willebrand-Faktor?
Der Von-Willebrand-Faktor wurde nach dem finnischen Internisten Erik Adolf von Willebrand benannt. Er beschrieb in seiner schwedischen Arbeit Heredität pseudohemofili das Krankheitsbild einer erblichen Blutgerinnungsstörung. Diese wurde später nach ihm Von-Willebrand-Syndrom benannt.
Erst in den 1950er Jahren wurde herausgefunden, dass ein Mangel an einem Protein, das die Blutungszeit verkürzt, Ursache des Von-Willebrand-Syndroms ist. Daraufhin wurde dieses Protein Von-Willebrand-Faktor genannt.
Der Von-Willebrand-Faktor hat eine direkte Wirkung bei der Blutstillung. Dabei beschränkt sich seine direkte Wirkung zwar ausschließlich auf die zelluläre Blutstillung, die plasmatische Blutgerinnung wird aber ebenfalls beeinflusst. Bei einem Mangel an Von-Willebrand-Faktor kommt es zu einer Beeinträchtigung der Blutstillung (Hämostase). Die Von-Willebrand-Krankheit, häufig auch als Willebrand-Jürgens-Syndrom bezeichnet, ist die häufigste vererbte Bluterkrankheit weltweit. Schätzungsweise 800 von 100000 Menschen sind betroffen. Jedoch haben nur zwei Prozent signifikante Symptome.
Funktion, Wirkung & Aufgaben
Im Körper kann sich der Von-Willebrand-Faktor an den Von-Willebrand-Rezeptor binden. Dieser Rezeptor, der aus dem Glykoprotein Ib/IB besteht, sitzt auf den Oberflächen der Blutplättchen (Thrombozyten). Der Von-Willebrand-Faktor kann sich zudem an die Eiweiße der sogenannten subendothelialen Matrix anhaften. Die subendotheliale Matrix befindet sich direkt unter der halb der obersten Schicht der Gefäßinnenhaut. Bei Verletzungen kann der Von-Willebrand-Faktor sich somit an die Proteine oder an die Thrombozyten anhaften. So fungiert er als Adhäsivprotein und schafft eine Verbindung zwischen den Thrombozyten und der Verletzung.
Dadurch aktiviert der Von-Willebrand-Faktor die primäre Hämostase. Die Thrombozyten haften sich an die Fasern der verletzten Gefäßwand an und bilden so ein dünnes Netz über der Wunde. Anschließend setzen die Blutplättchen verschiedene Stoffe frei, die mittels Chemotaxis weitere Thrombozyten anlocken. Zeitgleich sorgen diese Stoffe dafür, dass sich das betroffene Blutgefäß verengt und weniger Blut austreten kann. Die aktivierten Thrombozyten lagern sich zusammen und bilden einen Pfropf, der die Wunde vorübergehend verschließt. Dieser Prozess der ersten Blutstillung wird als zelluläre oder primäre Hämostase bezeichnet.
Bildung, Vorkommen, Eigenschaften & optimale Werte
Der Von-Willebrand-Faktor wird von den Megakaryozyten und von den Endothelzellen der Innenwand der Blutgefäße gebildet. Megakaryozyten sind Riesenzellen, die sich vor allem im Knochenmark finden. Sie sind die Vorläuferzellen der Blutplättchen. Die Thrombozyten sind Abschnürungen der Megakaryozyten. Die enthalten den Von-Willebrand-Faktor in ihrer α-Granula.
Das Von-Willebrand-Faktor-System wird im Blut mit verschiedenen Werten gemeinsam mit den Werten des Faktors VIII gemessen. So bezeichnet der Begriff vWF:Ag den großmolekularen und multimeren Anteil des Systems. Dieser Anteil kann als der eigentliche Von-Willebrand-Faktor verstanden werden. Zusätzlich kann beispielsweise die vWF-Aktivität bestimmt werden.
Die Unterscheidung der einzelnen Komponenten spielt eine Rolle bei der Diagnose von Erkrankungen, bei denen Teile des Von-Willebrand-Faktor-Systems beeinträchtigt sind. Der Referenzwert liegt bei 70-150 % der Norm. Der Wert ist abhängig von der Blutgruppe. Die Plasmakonzentration sollte zwischen 5 und 10 Mikrogramm pro Liter liegen.
Krankheiten & Störungen
Auch bei rheumatischen Erkrankungen, bei Autoimmunerkrankungen und bei Krebserkrankungen kann der Von-Willebrand-Faktor im Blut erhöht sein. Ferner kann die Einnahme der "Anti-Baby-Pille" den Wert nach oben treiben. Verminderte Werte sind ein Hinweis auf das Vorliegen des Von-Willebrand-Jürgens-Syndroms.
Diese häufige Störung der Blutgerinnung geht mit einer erhöhten Blutungsneigung einher. Deshalb gehört das Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom zu den hämorrhagischen Diathesen. Ursache der Erkrankung ist in der Mehrzahl der Fälle eine erbliche Störung des Von-Willebrand-Faktor-Systems. Die Erkrankung kann in unterschiedliche Typen unterteilt werden. Beim Typ 1 liegt ein quantitativer Faktormangel vor. 80 Prozent der Betroffenen gehören zu dieser Gruppe. Sie zeigen meist eine eher leichte Symptomatik. Insbesondere nach Operationen können aber lang anhaltende Blutungen auftreten. Bei Frauen ist die Menstruation verstärkt und bei Stoßverletzungen bilden sich großflächige Hämatome.
Beim Typ 2 ist zwar ausreichend Von-Willebrand-Faktor vorhanden, dieser ist jedoch nicht voll funktionsfähig. Es handelt sich somit um einen qualitativen Defekt. Der Typ 3 ist die seltenste Form. Die Patienten vom Typ 3 zeigen aber auch den schwersten Verlauf. Der Von-Willebrand-Faktor fehlt beim Typ 3 komplett oder ist auf unter 5 Prozent verringert.
Durch die erhöhte Blutungstendenz kommt es zu häufigem Nasenbluten (Epistaxis), großflächigen "blauen Flecken", langen Blutungen auch nach kleinen operativen Eingriffen, verstärkter Regelblutung und zu Gelenkeinblutungen (Hämarthrose). Bei den meisten Patienten mit dem Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom ist eine dauerhafte Therapie nicht erforderlich. Allerdings sollten die Patienten acetylsalicylsäurehaltige Medikamente meiden. Diese hemmen die Funktion der Thrombozyten zusätzlich. Bei häufigem Nasenbluten können gefäßverengende Nasensprays genutzt werden.
Die verstärkte Regelblutung kann mit hormonellen Verhütungsmitteln mit einem höheren Gestagenanteil behandelt werden. Beim Typ 3 reichen diese Maßnahmen nicht aus. Hier wird in den meisten Fällen der Faktor bei Traumata substituiert. Auch eine prophylaktische Substitution in Abständen von zwei bis fünf Tagen ist möglich.
Quellen
- Classen, M., Diehl, V., Kochsiek, K. (Hrsg.): Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2009
- Neumeister, B. et al.: Klinikleitfaden Labordiagnostik. Elsevier/Urban & Fischer, München 2009
- Reuter, P., Hägele, J.: Aminosäuren Kompendium. Ein Leitfaden für die klinische Praxis. Hyginus Publisher GmbH, Bad Homburg 2001