Waardenburg-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Waardenburg-Syndrom ist ein angeborenes Krankheitsbild, das die Medizin dem Leuzismus unterordnet und in vier verschiedene Typen unterteilt. Typische Anzeichen sind Taubheit, Fehlbildungen und Pigmentstörungen. Da es sich beim Waardenburg-Syndrom um eine genetische Erkrankung handelt, ist es nicht ursächlich behandelbar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Waardenburg-Syndrom?

Das Waardenburg-Syndrom geht auf eine Mutation im Erbgut zurück. Die Desoxyribonukleinsäure (DNA) weist dabei Abweichungen im Vergleich zu einer gesunden DNA auf.
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Beim Waardenburg-Syndrom handelt es sich um eine Art des Leuzismus, den Laien häufig mit Albinismus verwechseln. Sowohl Leuzismus als auch Albinismus zeichnen sich durch einen Mangel an Pigmenten aus. Das Waardenburg-Syndrom verdankt seinen Namen Petrus Johannes von Waardenburg, der das Krankheitsbild 1951 als erster beschrieb.

Ein Mensch mit Leuzismus besitzt keine Melanozyten, also keine Hautzellen, die Pigmente bilden. Die Mehrzahl der Melanozyten liegt in der Epidermis und um die Haarfollikeln. Die Pigmente kommen nicht nur in der Haut, sondern auch in den Augen vor, wo Netzhaut und Iris ebenfalls Farbstoffe bilden. Sie dienen nicht nur der optischen Gestaltung.

Sie schützen die Haut beziehungsweise die Zellen des Auges vor zu starker Lichteinstrahlung. Der Farbstoff Melanin kann entweder braun bis schwarz oder gelb bis rötlich sein. In der Regel liegen Mischungen aus beiden Varianten vor, die das charakteristische farbliche Bild der Pigmentzellen bilden.

Ursachen

Das Waardenburg-Syndrom geht auf eine Mutation im Erbgut zurück. Die Desoxyribonukleinsäure (DNA) weist dabei Abweichungen im Vergleich zu einer gesunden DNA auf. In Abhängigkeit vom betroffenen Gen manifestiert sich die Krankheit auf unterschiedliche Art und Weise. Typ I und Typ III (Klein-Waardenburg-Syndrom) gehen auf eine Mutation im Gen PAX, am Genort 2Q35 zurück.

Beim Typ II ist das MITF-Gen für die Vererbung des Syndroms verantwortlich. Dort können verschiedene Genabschnitte mutiert sein. Zuweilen differenziert die Medizin den Typ III deshalb noch weiter in die Subtypen A, B, C und D. Äußerlich scheinen sich die Subtypen jedoch kaum voneinander zu unterscheiden. Für den Typ IV kommen ebenfalls verschiedene Genabschnitte auf dem Endothelin-3-Gen oder dem Endothelin-B-Rezeptor-Gen als Mutationsorte in Frage.

Alle vier Typen des Waardenburg-Syndroms sind autosomal, das heißt sie liegen auf einem der Autosomen, nicht auf dem X- oder Y-Chromosom. Typ I, II und III sind rezessiv: Nur wenn der doppelte Chromosomensatz zwei krankheitstragende Gene besitzt, manifestiert sich das Syndrom. Verfügt ein Mensch jedoch nicht nur über einen mutierten, sondern auch über einen gesunden Genabschnitt, bricht die Krankheit nicht aus. Eine solche Person kann das Waardenburg-Syndrom trotzdem an ihre Kinder vererben.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das auffälligste Symptom des Waardenburg-Syndroms ist die Pigmentstörung, die sich vor allem in drei Bereichen widerspiegelt. Die Stirnlocke ist bei Menschen mit Waardenburg-Syndrom farblos und erscheint deshalb weiß. Die Augen besitzen unterschiedliche Farben, da die Iris beider Augen nicht an jeder Stelle Farbstoffe bildet.

Bereiche, die keine Pigmente enthalten, erscheinen in der Iris blau. Die übrigen Bereiche bilden die Farbstoffe, wie sie genetisch vorgegeben sind. Die Medizin bezeichnet dieses Phänomen auch als Iris-Heterochromie. Neben der weißen Stirnlocke und der Iris-Heterochromie manifestiert sich beim Waardenburg-Syndrom vom Typ I zudem die Weißfleckenkrankheit oder Scheckhaut (Vitiligo).

Damit bezeichnen Mediziner den Pigmentmangel in der Haut, der sich vor allem an Händen, Hals, Gesicht und Anogenitalgegend zeigt. Außerdem manifestieren sich Schwerhörigkeit und Fehlbildungen im Gesicht: Eine hohe und breite Nasenwurzel sind ebenso charakteristisch wie Gewebe oder Organe, die sich an der falschen Stelle bilden (Dystopia canthorum).

Dystopia canthorum tritt nicht beim Typ II des Waardenburg-Syndroms auf, obwohl Typ II ansonsten dem Typ I entspricht. Beim Typ III liegen alle Symptome von Typ I vor; darüber hinaus treten Fehlbildungen der Arme auf. Die gravierendste Ausprägung des Waardenburg-Syndroms zeigt sich beim Typ IV, der häufig den Tod des Betroffenen zur Folge hat.

Die Differenzierung bestimmter Neurone ist bei dieser Form der Erkrankung ebenfalls gestört, was außerdem zur Entstehung von Morbus Hirschsprung (kongenitaler Megakolon) führt. Diese Darmkrankheit äußert sich unter anderem in der Verengung des Dickdarms.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Das Waardenburg-Syndrom ist angeboren. Bereits früh in der Entwicklung des Kindes im Mutterleib stört die Mutation die richtige Entwicklung, woraus die verschiedenen Symptome entstehen. Ärzte können das Waardenburg-Syndrom nicht nur anhand der äußerlichen Merkmale diagnostizieren: Sie können durch eine genetische Untersuchung Klarheit darüber erlangen, ob eine der Mutationen vorliegt, die das Syndrom auslösen.

Komplikationen

Das Waardenburg-Syndrom kann zu verschiedenen Komplikationen führen. Eine typische Folge der Erkrankung ist die charakteristische Pigmentstörung. Dieser auffällige Makel hat, abhängig davon, wie stark er ausgeprägt ist und in welchem Alter er erstmals auftritt, schwerwiegende psychische Probleme zur Folge. Die Betroffenen entwickeln oftmals soziale Ängste oder sogar eine ausgewachsene Depression.

Beim Waardenburg-Syndrom vom Typ I tritt zudem die Weißfleckenkrankheit auf, die erwähnte seelische Leiden noch verstärken kann. Des Weiteren kann es im Verlauf der Erkrankung zu Schwerhörigkeit und Fehlbildungen im Gesicht kommen. Eine mögliche Folgeerkrankung des Waardenburg-Syndroms ist Morbus Hirschsprung. Diese Darmkrankheit ist mit einer Verengung des Dickdarms verbunden.

Es kann zu ernsten Magen-Darm-Beschwerden kommen, die sich in einer Verstopfung oder gar in einem Darmverschluss äußern können. Da das Syndrom erblich bedingt ist, bestehen kaum Behandlungsmöglichkeiten und die Erkrankung nimmt oft einen schweren Verlauf, der für die Betroffenen mit bleibenden kognitiven und ästhetischen Beeinträchtigungen verbunden ist.

Die symptomatische Therapie ist ebenfalls nicht risikofrei. So kann es durch die Gabe von Kortison zu Hautreizungen und anderen Nebenwirkungen kommen. Operative Eingriffe, wie sie bei der Behandlung von Darmbeschwerden erfolgen, sind immer mit einem Infektions- und Verletzungsrisiko verbunden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da es beim Waardenburg-Syndrom nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen kann, sollte der Betroffene einen Arzt aufsuchen. Dabei wirkt sich eine frühzeitige Erkennung und die anschließende Behandlung der Krankheit immer sehr positiv auf den weiteren Verlauf aus und kann auch weitere Komplikationen verhindern. Daher sollte schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen des Syndroms ein Mediziner kontaktiert werden. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an einer starken Pigmentstörung leidet. Es kommt dabei häufig zu einer vollständig farblosen Haut, welche sehr weiß erscheint.

Ebenso kann es zur Ausbildung von weißen Flecken auf der Haut kommen. Die meisten Patienten leiden durch das Waardenburg-Syndrom auch an einer Schwerhörigkeit, die nicht von alleine verschwindet. Ebenso sind die Organe im Körper falsch angeordnet, sodass es zu starken Komplikationen kommen kann. Das Waardenburg-Syndrom kann durch einen Kinderarzt oder durch einen Allgemeinarzt erkannt werden. Die weitere Behandlung hängt sehr stark von der Art und der Ausprägung der Beschwerden ab, sodass keine allgemeine Voraussage über den weiteren Verlauf der Krankheit gemacht werden kann. Da das Syndrom häufig auch zu psychischen Verstimmungen führen kann, ist auch der Besuch bei einem Psychologen sehr sinnvoll.

Behandlung & Therapie

Da es sich beim Waardenburg-Syndrom um eine Erbkrankheit handelt, ist eine ursächliche Behandlung nicht möglich. Eventuell sind Maßnahmen möglich, die die Schwerhörigkeit mildern. Das genau Vorgehen hängt jedoch von der individuellen Ausgangslage dar. Beim gravierenderen Typ IV müssen Ärzte auch die Hirschsprung-Krankheit behandeln.


Vorbeugung

Eine gezielte Vorbeugung ist beim Waardenburg-Syndrom nicht möglich, da es sich um eine Erbkrankheit handelt. Der Typ IV des Waardenburg-Syndroms folgt einer autosomal-rezessiven Vererbung. Die Krankheit manifestiert sich deshalb nur, wenn das Kind von beiden Elternteilen je ein krankheitstragendes Allel erbt. Enthält das Erbgut jedoch nur ein krankes und ein gesundes Allel, bricht das Waardenburg-Syndrom nicht aus.

Die Vererbung der Typen I–III ist hingegen autosomal-dominant: Wenn eine Person ein mutiertes und ein gesundes Gen besitzt, manifestiert sich die Krankheit. Diese Person muss das Waardenburg-Syndrom jedoch nicht zwingend an ihr Kind weitergeben, da sie auch das gesunde Gen vererben kann. Der Zufall bestimmt darüber, ob ein Elternteil das krankheitstragende Gen oder das gesunde Gen an sein Kind weitergibt.

Nachsorge

Das Waardenburg-Syndrom bedarf einer umfassenden Nachsorge. Da es sich um eine angeborene Erkrankung handelt, ist eine ursächliche Behandlung nicht möglich. Die Nachsorge konzentriert sich darauf, den Patienten bezüglich der weiteren Therapiemaßnahmen zu beraten. Die Pigmentstörungen und die Innenohrschwerhörigkeit müssen in regelmäßigen Abständen ärztlich abgeklärt werden.

Die Nachsorge setzt sich aus einem Patientengespräch und einer körperlichen Untersuchung zusammen. Bei der Anamnese macht sich der Arzt zunächst ein Bild über die aktuellen Symptome. Beschwerden, die weitgehend abgeklungen sind, bedürfen keiner weiteren Nachsorge. Die Pigmentstörungen und die Schwerhörigkeit sind chronische Leiden, die regelmäßig kontrolliert werden müssen.

Gegebenenfalls ergeben sich zwischen den Kontrolluntersuchungen neue Therapiemaßnahmen, die für den Patienten infrage kommen. Der Patient sollte ein Beschwerdetagebuch anlegen und ungewöhnliche Erscheinungen darin notieren. Mithilfe der Notizen lässt sich die regelmäßige Nachsorge optimal an dem Symptombild ausrichten. Je nach Art der Beschwerden muss gegebenenfalls auch therapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden. Da das Syndrom sehr unterschiedlich verlaufen kann, müssen die Maßnahmen individuell festgelegt werden.

Das können Sie selbst tun

Die ärztliche Behandlung des Waardenburg-Syndroms lässt sich durch verschiedene Selbsthilfe-Maßnahmen unterstützen. Die typische Innenohrschwerhörigkeit kann durch das Tragen eines Hörgeräts kompensiert werden. Die Angehörigen müssen laut und deutlich sprechen und sich dem Patienten beim Sprechen zuwenden, damit dieser Lippenlesen kann.

Um Missverständnisse zu vermeiden, empfiehlt sich ein offener Umgang mit der Schwerhörigkeit. Das gilt auch für andere Symptome der Erkrankung, wie die Pigmentstörungen und die Sehstörungen, welche sich im Verlauf des Lebens bilden können. Erkrankte sollten sich ausführlich über das Ptosis-Epicanthus-Syndrom informieren und gemeinsam mit dem Arzt entscheiden, welche Mittel gegen die einzelnen Symptome helfen.

Meist treten ganz verschiedene Beschwerden auf, die mitunter auch eine seelische Belastung darstellen können. Therapeutische Unterstützung ist für die Patienten ebenso wichtig wie die körperliche Behandlung, insbesondere bei depressiven Verstimmungen oder Angststörungen. Eltern von Kindern, die am Waardenburg-Syndrom leiden, sollten eine genetische Untersuchung veranlassen. Oft lässt sich der Auslöser der Erbkrankheit ermitteln, wodurch die Planung weiterer Kinder erleichtert wird. Sollten sich die Beschwerden stark negativ auf das Wohlbefinden auswirken, kann auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe sinnvoll sein. Der Verein Leona e.V. gibt Betroffenen weitere Anlaufstellen an die Hand.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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