Morbus Hirschsprung
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Morbus Hirschsprung wird auch kongenitales Megakolon, Hirschsprung-Krankheit oder aganglionotisches Megakolon genannt. Es handelt sich dabei um eine Dickdarm-Erkrankung. Sie ist nach ihrem Entdecker Harald Hirschsprung benannt, der die Krankheit 1886 zum ersten Mal beschrieb.
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Was ist Morbus Hirschsprung?
Morbus Hirschsprung wird in die Gruppe der Aganglionosen eingegliedert. Aganglionose beschreibt eine angeborene Krankheit, bei der die Nervenzellen im Darm fehlen. Dies führt dazu, dass der Darm im Allgemeinen in seiner Beweglichkeit gestört ist.
Morbus Hirschsprung ist angeboren und tritt bei etwa einem von 5.000 Neugeborenen auf. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. Die Hirschsprung-Krankheit ist häufig in Kombination mit dem Down-Syndrom zu beobachten (etwa 12 Prozent der Betroffenen weisen ebenfalls Morbus Hirschsprung auf).
Auch in Verbindung mit anderen Fehlbildungen wie Mukoviszidose sind seltener, kommen jedoch ebenfalls vor. Meist ist nur das Rektum oder das Sigma betroffen, wobei bei etwa fünf Prozent der Betroffenen insgesamt 40cm des Darmes betroffen ist. In weiteren fünf Prozent der Fälle sind im gesamten Darmabschnitt keine Nervenzellen vorhanden. Bei Morbus Hirschsprung wird die Muskulatur im Darm übererregt.
Dadurch zieht sie sich krampfhaft zusammen und der Darmabschnitt wird zusammen gedrückt. Der Darm wird bei einem Toilettengang nicht mehr richtig entleert, sodass es zu Verstopfungen kommt. Dies führt wiederum zu einer Kotstauung im Darm und zu einem Megacolon, einer chronischen Verstopftheit des Darmes. Dies führt zu einem Blähbauch und Erbrechen.
Ursachen
Tierferliegende Ursachen der Erkrankung sind eine zeitweilige Minderdurchblutung des Embryos, virale Infektionen im Mutterbauch, Reifungsstörungen oder eine Neuroblasteneinwanderung. Auch genetische Veränderungen lassen sich im Zusammenhang mit Morbus Hirschsprung erkennen: Mutationen auf einigen Genen könnten ebenfalls Ursache sein.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Meist stellen sich die ersten Symptome bei Morbus Hirschsprung bereits im Säuglingsalter ein. Dabei fallen ein aufgetriebener Bauch und das fehlende Absetzen des ersten Stuhlgangs (Mekonium) auf. Manchmal entwickelt sich bereits sogar ein Darmverschluss beim Säugling. Es gibt jedoch auch Fälle, bei denen erst nach dem Abstillen des Kindes typische Beschwerden wie ständige Blähungen und chronische Verstopfungen auftreten.
In diesen Fällen sind nur kleinere Bereiche des Dickdarms verengt, sodass es den Säuglingen durch Ernährung mit Muttermilch noch gelingt, Stuhlgang abzusetzen. Das ist unter diesen Bedingungen deshalb möglich, weil der Stuhlgang durch den Einfluss der Muttermilch eine weiche Konsistenz besitzt und durch die kleine Engstelle des Darms noch transportiert werden kann. Das ändert sich jedoch mit der Ernährungsumstellung nach dem Abstillen der Säuglinge.
Der Stuhlgang wird aufgrund der Ballaststoffe in der Nahrung fester und dicker. Der Transport gelingt nicht mehr. Der Mastdarm bleibt leer, weil der Kot die Engstelle nicht mehr passieren kann. Es kommt zum Ansammeln des Kotes vor der Engstelle. Dabei bläht sich der Darm immer mehr aus und wird zum sogenannten Megakolon.
Manche Patienten können gar keinen Stuhlgang mehr absetzen. Enorme Mengen von Kot bleiben innerhalb des Darms im Bauchraum zurück. Als Komplikationen können Vergiftungen, Darmdurchbrüche, eitrige Bauchfellentzündungen und schließlich sogar eine potenziell tödliche Sepsis (Blutvergiftung) auftreten.
Diagnose & Verlauf
Die ersten Anzeichen von Morbus Hirschsprung zeigen sich einige Tage nach der Geburt, und zwar wenn der normaler Mekoniumabgang (sogenannter Kindspech) beim Neugeborenen fehlt.
Als Mekonium wird der Stuhl bei Säuglingen bezeichnet. Daraufhin wird der Arzt eine rektale Untersuchung bei dem Neugeborenen durchführen. Falls hier sich ein verengter Analkanal oder aber ein leerer Mastdarm beobachten lassen, sind dies weitere Hinweise auf einer Erkrankung an Morbus Hirschsprung. Bei Erwachsenen wird Morbus Hirschsprung nur selten beobachtet.
Wenn die Hirschsprung-Erkrankung im Erwachsenenalter vorkommt, ist das häufigste Symptom eine chronische Verstopfung. Wenn die Diagnose Morbus Hirschsprung erst im Erwachsenenalter gestellt wird, ist es meist so, dass der betroffene Abschnitt im Darm sehr kurz ist und daher erst spät bemerkt wird.
Zur Diagnosesicherheit wird eine Serien-Saugbiopsie aus der Schleimhaut im Mastdarm erforderlich: Dabei wird unter Vollnarkose Gewebe aus dem Darm entnommen, der später im Labor untersucht und so die Diagnose von Morbus Hirschsprung hinreichend bestätigen kann. Falls Morbus Hirschsprung nicht behandelt wird, kann es zu Entzündungen im Darm kommen, wie einer Enterokolitis, die in etwa 40 Prozent der Fälle tödlich verlaufen kann. Es kann zudem zu einer Sepsis oder einer Peritonitis, einer Entzündung im Bauchfell, kommen.
Komplikationen
Ebenfalls kann es im schlimmsten Fall zu einem Darmverschluss kommen, welcher für den Betroffenen tödlich verlaufen kann. Durch die Beschwerden des Morbus Hirschsprung kommt es beim Patienten zu erheblichen Einschränkungen im Alltag. Auch der Analkanal ist verengt, sodass es zu Schmerzen beim Stuhlgang kommen kann. Ebenso treten verschiedene Entzündungen im Darm auf, wobei es dies zu einer Entzündung des Bauchfells führen kann.
In der Regel wird der Morbus Hirschsprung durch einen operativen Eingriff behandelt. Dabei kommt es meistens nicht zu besonderen Komplikationen. In einigen Fällen ist allerdings das Anlegen eines künstlichen Darmausganges notwendig, bis eine Operation möglich ist. Der Eingriff selbst wird dabei schon direkt nach der Geburt durchgeführt, damit es im Erwachsenenalter nicht zu Komplikationen oder Folgeschäden kommt. Bei einer erfolgreichen Behandlung wird die Lebenserwartung des Patienten nicht verringert.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Da die Erkrankung in vielen Fällen bereits im Säuglingsalter auftritt, sollten Eltern von Säuglingen und Kleinkindern eine erhöhte Wachsamkeit walten lassen. Kommt es zu keinem oder nur geringem Stuhlgang, besteht Anlass zur Besorgnis und ein Kinderarzt ist zu konsultieren. Eine gleichzeitige Schwellung im Bereich des Magens und Darms ist ebenfalls untersuchen und behandeln zu lassen. Kommt es zu unangenehmen und anhaltenden Blähungen, einer Verstopfung oder chronischen Beschwerden, ist ein Arztbesuch notwendig. Wird die Nahrungsaufnahme verweigert, zeigt das Kind Verhaltensauffälligkeiten oder kommt es zu einer inneren Schwäche, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Schreien oder weinen Kinder über einen langen Zeitraum, reagieren sie kaum auf die Umwelt und treten Schlafstörungen ein, ist ein Arztbesuch notwendig. Veränderungen der Konsistenz der Ausscheidungen, Schmerzen im Organismus oder ein allgemeines Unwohlsein sind einem Arzt vorzustellen. Kommt es zu Fieber, einer starken inneren Unruhe sowie auffallenden Rötungen der Haut, wird ein Arzt benötigt. Ein Druckgefühl im Körperinnern führt häufig zu einer Verfärbung der Haut und ist insbesondere bei Kindern als Warnsignal zu interpretieren. In schweren Fällen kommt es zu einem Darmdurchbruch. Da in diesen akuten Fällen Lebensgefahr besteht, ist ein Rettungsdienst zu kontaktieren. Ein Verlust des Bewusstseins ist alarmierend und muss umgehend einem Arzt vorgestellt werden.
Behandlung & Therapie
Eine endgültige Behandlung von Morbus Hirschsprung kann nur die operative Entfernung des betroffenen Darmsegments leisten. Dies ist jedoch bei Neugeborenen riskant, sodass meist zunächst zu vorübergehende Maßnahmen eingeleitet werden.
Dazu gehört die Möglichkeit dem Kind einen künstlichen Darmausgang anzuglegen. Eine andere Möglichkeit ist, den Darm regelmäßig auszuspülen, bis das neugeborene Kind stabil genug für eine Operation ist.
Auch der vorübergehende Einsatz von sogenannten Darmrohren (eine Art Katheter, der in den After eingeführt wird) ist eine Behandlungsmöglichkeit, bis eine Operation von Morbus Hirschsprung möglich ist. Diese letzte Möglichkeit wird jedoch nur noch selten durchgeführt.
Aussicht & Prognose
Die Prognose bei Morbus Hirschsprung kann unterschiedlich sein. Patienten haben mitunter sehr lange keine größeren Beeinträchtigungen durch die Erkrankung. Aussichten auf den erfolgreichen Verlauf einer Behandlung sind bei der frühzeitigen Erkennung und der entsprechenden schnellen Patientenversorgung gut. In dem Fall, das nur einige kurze Darmstücke betroffen sind, zeigen sich typische Symptome der Krankheit oft erst nach geraumer Zeit.
Eine Operation gilt im Regelfall als Mittel der Wahl. Die Operation bei der Erkrankung zeigt allgemein sehr gute Ergebnisse. Allerdings sind wie bei jeder anderen Operation auch, einige Komplikationen möglich. Diese Komplikationen treten zwar recht selten auf, sollten aber trotz dessen bedacht werden. In der Regel überwiegen die Vorteile der Operation aber deutlich den Risiken.
Die allgemeine Prognose ist für Patienten in den meisten der Fälle gut, trotz auftretenden Problemen mit der Kontinenz und Obstipation. Diese Probleme können sogar nach einer chirurgischen Korrektur noch auftreten. In vielen Fällen ist jedoch trotz allem eine Operation unumgänglich, um die lebensbedrohlichen Folgen der Krankheit zu verhindern. Für betroffene Kinder hingegen ist die Prognose bei Morbus Hirschsprung dennoch ungünstig, obwohl durch eine Darmtransplantation auch bei Kindern ein langfristiges Überleben erzielt werden kann. Eine gefürchtete Komplikation bei Morbus Hirschsprung ist die sogenannte Hirschsprung-Enterocolitis, diese kann lebensbedrohlich werden.
Vorbeugung
Da Morbus Hirschsprung eine angeborene Krankheit ist, kann ihr nicht vorgebeugt werden, sondern sie kann nur nach einer raschen Diagnose durch eine Operation behoben werden.
Nachsorge
Morbus Hirschsprung erfordert zumeist eine umfassende, zum Teil lebenslange Nachsorge. Unmittelbar nach der Operation stehen die Vorbeugung von Wundinfektionen, von Verengungen des Mastdarms und Anus sowie eines Aufreißens der Nähte (Anastomoseninsuffizienz) im Vordergrund. Langfristig zielt die Nachsorge auf eine Vermeidung von Spätfolgen wie Inkontinenz, dauerhaften Verstopfungen oder Darmentzündungen.
Insbesondere im Bereich der Operationsnaht können sich Verengungen entwickeln, die in einem Darmverschluss münden können. Um mögliche Spätfolgen frühzeitig zu erkennen, kontrolliert ein Facharzt im Rahmen der bereits wenige Wochen nach der Operation beginnenden Nachsorgeuntersuchungen regelmäßig die Weite der Analöffnung. Stellt der Arzt eine Verengung fest, ist eine Weitung (Bougieren) erforderlich.
Dabei dehnen die Eltern der betroffenen Kinder die Analöffnung schrittweise mithilfe von Metallstiften (Hegar-Stifte) auf die erforderliche Weite. Die zu Beginn täglich durchzuführende Maßnahme ist für Eltern und Kinder zumeist unangenehm, vermeidet aber Verengungen, die die Ärzte im späteren Verlauf häufig nur noch operativ behandeln können.
Zudem benötigen die betroffenen Kinder in vielen Fällen längere Zeit, bis sie ihre Windeln ablegen. Auch eine Überlaufinkontinenz (Blasenentleerungsstörung) kann eine Rolle spielen. Eine zusätzliche psychotherapeutische Betreuung fängt mögliche seelische Belastungen der Beteiligten auf. Durch eine Ernährungsberatung erlernen Kinder und Eltern eine auf einen lockeren Stuhl abzielende Ernährung, die das Risiko für Verstopfungen minimiert.
Das können Sie selbst tun
Die Erkrankung muss durch einen medizinischen Eingriff behandelt werden, damit für den Säugling kein lebensbedrohlicher Zustand eintritt. In dieser Phase gibt es für eine Selbsthilfe keine ausreichenden Möglichkeiten. Den Anweisungen und Vorgaben der Ärzte sollte gefolgt werden, damit keine Komplikationen auftreten. Die Angehörigen des Kindes müssen umfassend über die Erkrankung und deren Folgen aufgeklärt werden. Aufkommende Fragen sind mit dem behandelnden Arzt zu klären.
Darüber hinaus können sich die Eltern oder Erziehungsberechtigten in medizinischer Fachliteratur selbst über die Erkrankung informieren. Es gibt deutschlandweit verschiedene Selbsthilfegruppen für anorektale Fehlbildungen, die Beratungen und Hilfestellungen für den Patienten sowie deren Angehörige anbieten. Dort erhalten Patienten und Angehörige in einem Erfahrungsaustausch Tipps für den Umgang mit der Erkrankung im Alltag. Der Fokus liegt bei diesen Gruppen in der Förderung der Lebensqualität und dem Aufbau von positiven Erlebnissen. Dadurch wird die Psyche stabilisiert, was bei der Alltagsbewältigung der Krankheit ein elementarer Bestandteil ist.
Im weiteren Verlauf des Lebens ist die Ernährung ein wesentliches Element der Selbsthilfe. Sie sollte auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt sein. Schadstoffe sind zu vermeiden und eine ausreichende Bewegung fördert die Gesundheit. Obst und Gemüse sollte in einem ausreichenden Maß konsumiert werden, da sie das Wohlbefinden fördern.
Quellen
- Brühl, W., Wienert, V., Herold, A.: Aktuelle Proktologie. Uni-Med, Bremen 2011
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Messmann, H.: Klinische Gastroenterologie. Thieme, Stuttgart 2012