Zytokine

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 9. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter dem Begriff Zytokine wird eine sehr differenzierte Gruppe von Peptiden und Proteinen zusammengefasst, die als Botenstoff wesentlichen Einfluss auf Immunreaktionen durch Zellen des angeborenen und des erworbenen Immunsystems nehmen.

Zu den Zytokinen zählen Interleukine, Interferone, Tumornekrosefaktoren und weitere Polypeptide oder Proteine. Zytokine werden meist – aber nicht ausschließlich – von Zellen des Immunsystems gebildet und docken an speziellen Rezeptoren der verschiedenen Zellen des Immunsystems an, um die notwendige Aktivierung der Zielzellen zu erreichen.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Zytokine?

Da jeder Botenstoff immer nur eine spezifische Anweisung an spezifizierte Zielzellen übermitteln kann, ist die Anzahl bekannter Botenstoffe, die zu den Zytokinen gerechnet werden, sehr groß.
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Das menschliche Immunsystem besteht hauptsächlich aus zwei Komponenten, aus dem unspezifischen, genetisch fixierten System und der adaptiven, erworbenen, Immunabwehr.

Die genetisch festgelegte Komponente des Immunsystems kann innerhalb von Minuten reagieren. Dazu gehören beispielsweise auch entzündliche Reaktionen und die Phagozytose. Die adaptive Immunabwehr ist zwar sehr viel langsamer in ihren Immunantworten, aber ihr Vorteil besteht darin, sich auf Herausforderungen durch neue Pathogene einstellen zu können, auf die die angeborene Immunabwehr keine Antwort hat. Die Zellen beider Teile des Immunsystems müssen – vergleichbar mit polizeilichen Aufgaben – auf unvorhersehbare Situationen schnell und angemessen durch Abtöten pathogener Keime oder durch Abbau schädlicher Substanzen reagieren.

Die notwendige Steuerung der beteiligten Immunzellen übernehmen Zytokine, die meist von den Immunzellen selbst freigesetzt werden. Es handelt sich um Proteine oder Polypeptide, die als Botenstoffe an spezifischen Rezeptoren der Zielzellen andocken. Die Zytokine müssen nicht in die Zielzelle eindringen, um die Zelle zu der erforderlichen Reaktion zu veranlassen. Die „Botschaft“ eines Zytokins kann beispielsweise die Anregung zur Vermehrung durch Teilung, zur Proliferation, beinhalten oder die Anweisung zur Ausdifferenzierung in ein aktives Stadium.

Anatomie & Aufbau

Immunantworten sind sehr differenziert und komplex, so dass auch die Steuerung des Immunsystems, analog dazu, aus differenzierten Botschaften oder Anweisungen bestehen muss.

Da jeder Botenstoff immer nur eine spezifische Anweisung an spezifizierte Zielzellen übermitteln kann, ist die Anzahl bekannter Botenstoffe, die zu den Zytokinen gerechnet werden, sehr groß. Fünf unterschiedliche Stoffgruppen bilden die Klasse der Zytokine. Es sind dies Interferone (IFN), Interleukine (IL), koloniestimulierende Faktoren (CSF), Tumornekrosefaktoren (TNF) und Chemokine.

Bei Interferonen, Interleukinen und bei Substanzen, die zu den koloniestimulierenden Faktoren gezählt werden, handelt es sich meist um relativ kurzkettige Proteine oder Polypeptide, die aus etwa einhundert bis sechshundert Aminosäuren gebildet werden. Die Gruppe der Chemokine setzt sich aus noch kurzkettigeren Proteinen mit weniger als 100 bis maximal 125 Aminosäuren zusammen, so dass es sich fast durchwegs um Polypeptide handelt. Eine gemeinsame Eigenschaft der Zytokine besteht darin, dass sie nicht in die zu stimulierende Zelle eindringen müssen, sondern dass sie lediglich an speziellen, aus der Zellmembran herausragenden, Rezeptoren andocken, um wirksam zu werden.

Funktion & Aufgaben

Die einzelnen Substanzen, die zu einer der Stoffgruppen der Zytokine gehören, haben unterschiedliche Funktionen und Aufgaben. Alle Aktivitäten können aber mit der Steuerung und Beeinflussung des ererbten und des erworbenen Immunsystems in Zusammenhang gebracht werden. Interferone werden hauptsächlich von Leukozyten wie Makrophagen und Monozyten ausgeschüttet. Sie regen Zellen zur Bildung spezieller Proteine an, die antivirale und antitumorale Eigenschaften und damit eine immunstimulierende Wirkung haben.

Interleukine ermöglichen die Kommunikation der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) untereinander, um gemeinsam mit dem Tumornekrosefaktor Alpha geballte Abwehr- und Entzündungsreaktionen zu steuern. Dazu gehören auch systemische Wirkungen wie Auslösung von Fieber und Permeabilitätssteigerungen, die teilweise auch zu gefährlichen Zuständen führen können, wenn Blut aufgrund erhöhter Permeabilität der Blutgefäße in das Gewebe eindringen kann. Zu den koloniestimulierenden Faktoren gehören Wachstumsfaktoren für weiße und rote Blutkörperchen. Substanzen wie Erythropoetin (EPO), das auch als verbotenes Dopingmittel bekannt ist und Thrombopoietin gehören dazu.

Als Tumornekrosefaktor wird ein multifunktionaler Botenstoff bezeichnet, der hauptsächlich von Makrophagen freigesetzt wird. TNF kann die Aktivitäten verschiedener Immunzellen steuern. TNF kann beispielsweise eine Apoptose (Zelltod) einleiten, aber auch Zellproliferation, Zelldifferenzierung und die Ausschüttung weiterer Zytokine veranlassen. Chemokine bestehen aus kleinen Signalproteinen, die Zellen zu einer Wanderbewegung in Richtung höchster Konzentration der Chemokine veranlassen können. Sichtbar werden derartige Wanderbewegungen an lokalen Entzündungsherden mit einer Anhäufung bestimmter Immunzellen.


Krankheiten

Die sehr differenzierte und komplexe Steuerung durch Zytokine lassen bereits erwarten, dass es auch zu Fehlreaktionen mit Auswirkungen auf das Immunsystem kommen kann. Die Immunantworten können beispielsweise zu schwach oder zu stark oder aber auch fehlgeleitet sein.

Die Störungen des Immunsystems können endogen, also ohne erkennbare Beeinflussung von außen oder auch aufgrund der Wirkung pathogener Keime oder toxischer Stoffe auftreten. Typische Überreaktionen des Immunsystems mit leichten bis schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen stellen allergische Reaktionen dar. Eine Sonderform einer allergischen Immunantwort ist der anaphylaktische Schock, der sich in sehr kurzer Zeit durch Ausschüttung großer Mengen entzündungsauslösender Botenstoffe von einer lokalen Immunreaktion zu einer systemischen Reaktion mit lebensbedrohlichem Zustand ausweiten kann.

Ebenso bekannt wie allergische Überreaktionen des Immunsystems sind fehlgeleitete Autoimmunreaktionen, die sich gegen körpereigenes Gewebe richten, weil sich die Gewebezellen nicht richtig „ausweisen“ können und deshalb als körperfremd angesehen werden oder weil Zytokine die Zellen aufgrund eigener Fehlfunktionen nicht als körpereigen einstufen können. Typische und relativ häufig auftretende Autoimmunkrankheiten sind Polyarthritis und rheumatoide Arthritis. Es kommt zu einer erhöhten Ansammlung von Interleukin-1 in den Gelenken, so dass Knorpelsubstanz stärker ab- als aufgebaut wird.

Ähnliche Vorgänge können in den Knochen ablaufen, wenn die abbauenden Osteoklasten verstärkt aktiviert werden, ohne dass die knochenaufbauenden Osteoblasten den Abbau ausgleichen können. Ein Beispiel für fehlgeleitete Immunreaktionen, die durch pathogene Keime verursacht werden, ist die erworbene Immunschwäche AIDS, die durch das HIV-Virus über den Befall der T-Helferzellen ausgelöst wird.

Quellen

  • Dose, K.: Biochemie. Eine Einführung. Springer, Berlin 1996
  • Lodish et al.: Molekulare Zellbiologie. 4. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2001
  • Schünke, M., et al.: PROMETHEUS Innere Organe. LernAtlas Anatomie. Thieme, Stuttgart 2018

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