Chemokine
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Anatomie Chemokine
Chemokine sind kleine Signalproteine, welche die Chemotaxis (Wanderungsbewegung) von Zellen auslösen. Meist handelt es sich bei diesen Zellen um Immunzellen. Somit sind die Chemokine für das effektive Arbeiten des Immunsystems verantwortlich.
Inhaltsverzeichnis |
Was sind Chemokine?
Chemokine sind kleine Proteine, welche zur Familie der Zytokine zählen. Sie veranlassen die Wanderungsbewegung von Zellen. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Immunzellen, die schnell an den entsprechenden Ort einer Verletzung oder Infektion gelangen sollen.
Die Chemokine werden von den Zellen produziert, welche sie auch anlocken sollen. An der Oberfläche dieser Zellen befinden sich Rezeptoren, die das Andocken der Chemokine ermöglichen. Die Signalmoleküle werden in inflammatorische und homöostatische Chemokine eingeteilt. In den meisten Fällen handelt es sich um inflammatorische Chemokine. Sie locken Immunzellen an den Bestimmungsort, welche dort sofort entzündliche Prozesse zur Infektabwehr auslösen. Inflammatorische Chemokine werden immer an der Stelle der Verletzung oder Infektion von den dort vorhandenen Immunzellen erzeugt, um weitere Abwehrzellen anzulocken.
Homöostatische Chemokine werden ständig erzeugt, auch wenn keine Infektion vorliegt. Sie dienen der Überwachung von gesundem Gewebe. Chemokine haben eine chemotaxische Wirkung auf solche Immunzellen wie Monozyten, Makrophagen, Keratinozyten, Fibroblasten, Thrombozyten, Endothelzellen, T-Zellen, Stomazellen, neutrophile Granulozyten und dendritische Zellen. Sie werden auch als Signalstoffe von diesen Zellen gebildet, um gleichartige Zellen bei Bedarf anzulocken.
Anatomie & Aufbau
Während die Aminosäuresequenz innerhalb der Proteine der Chemokinfamilie veränderlich ist, bleibt die Tertiärstruktur jedoch bei allen Chemokinen gleich. Der Hauptkörper wird als dreisträngiges antiparalleles Faltblatt mit Betastruktur gebildet. Am Carboxy-Terminus endet die Kette mit einer Alphahelix. Dort befinden sich nun die Cysteinreste. Es gibt vier Strukturen, wie diese endständigen Cysteinreste angeordnet sein können. Jede Struktur symbolisiert eine Familie der Chemokine. So können zwei Cysteinreste direkt hintereinander folgen. Die entsprechende Chemokinfamilie wird als CC-Familie bezeichnet. Wenn zwischen den Cysteinresten eine andere Aminosäure geschaltet ist, handelt es sich um die CXC-Familie. Die CX3C-Familie enthält zwei Cysteinreste, welche durch drei Aminosäuren getrennt sind.
Schließlich existiert noch eine Familie mit einem Cysteinrest, die als C-Familie bezeichnet wird. Sämtliche Cysteinreste bilden innerhalb der Kette eine Sulfidbrücke aus. Die einzelnen Chemokinfamilien besitzen unterschiedliche Funktionen. Die genaue Struktur der Chemokine ist bis heute noch nicht vollständig verstanden. Zur Ausübung ihrer Funktion benötigen die Chemokine nicht unbedingt Gewebeflüssigkeit oder Blut. Sie können ihre Signale auch über feste Strukturen durch Konzentrationsgradienten weitergeben. Dabei binden sie sich mit der positiven Ladung ihrer vielen basischen Aminosäuren an ein negativ geladenes Zuckermolekül (Glykosaminoglukan) auf der Oberfläche von Zellen. Weshalb sie ihre Funktion verlieren, wenn sie sich nicht mehr an Glykosaminoglukan binden können, ist noch nicht geklärt.
Funktion & Aufgaben
Die Hauptfunktion der Chemokine besteht in der Anlockung von bestimmten Immunzellen an die Orte im Körper, die aktuell einer höheren Abwehrleistung gegen infektiöse Eindringlinge unterliegen. Damit wird die Immunreaktion effektiver. Meist sorgen sie somit auch dafür, dass sich erhebliche Entzündungsreaktionen entwickeln, um die Infektion abzuwehren. Sie werden am Ort der Verletzung oder Infektion von den dort bereits vorhandenen Immunzellen erzeugt.
Die nun angelockten Zellen bewegen sich in Richtung der höchsten Konzentration der Chemokine. An ihrer Oberfläche befinden sich die entsprechenden Chemokinrezeptoren. Die Chemokine binden an diese Rezeptoren und lösen damit eine Wanderung der Zellen in Richtung der höchsten Chemokinkonzentration aus. Allerdings bindet jede Chemokinfamilie an ihre eigenen Rezeptoren. So sorgt die CC-Familie für die Wanderung von Monozyten, Lymphozyten sowie basophilen und eosinophilen Granulozyten. Die CXC-Familie ist für die Angiogenese (Wachstum der Blutgefäße) verantwortlich. Die CX3C-Familie spielt bei Entzündungsprozessen des Nervensystems eine Rolle. Schließlich aktivieren die C-Chemokine die CD8 T-Zellen und NK-Zellen (natürliche Killerzellen).
Krankheiten
Diese Fehlfunktion äußert sich dann als Immunschwäche. So ist das sogenannte WHIM-Syndrom, einer speziellen Immunschwäche, auf einen Chemokinrezeptordefekt zurückzuführen. Diese Erkrankung äußert sich in wiederkehrenden viralen und bakteriellen Infektionen. Dabei zeigen die Patienten eine besondere Anfälligkeit gegen die humanen Papillomaviren, dessen Infektion sich in Warzenbildung äußert. Das Knochenmark ist zwar voller T-Vorläuferzellen, aber diese wandern nicht an die Orte der Infektion. Auch selektive Immunschwächen gegen bestimmte Erreger sind möglich. So gibt es bei einer Mutation eines Rezeptors für ein Chemokin der CC-Familie spezielle Anfälligkeiten gegen das Westnilvirus. Der gleiche Rezeptor sorgt bei einer Mutation jedoch auch für die erblich bedingte Immunität gegenüber dem HI-Virus.
Bestimmte Mutationen im Bereich der Chemokinrezeptoren können auch mitverantwortlich für Autoimmunerkrankungen oder Allergien sein. Auch die Überproduktion von bestimmten Chemokinen kann zu Erkrankungen führen. So wurde festgestellt, dass die Ausbildung von Psoriasis (Schuppenflechte) mit einer Überproduktion des CXC-Chemokins IL-8 zusammenhängt. Auch die rheumatische Arthritis tritt zusammen mit einer Überproduktion von IL-8 auf. Arteriosklerotische Veränderungen sind oft die Folge überschießender entzündlicher Prozesse, die zuweilen durch erhöhte Chemokinaktivitäten hervorgerufen werden.
Quellen
- Benninghoff/Drenckhahn: Anatomie. Urban & Fischer, München 2008
- Gerok, W., Huber, C., Meinertz, T., Zeidler, H. (Hrsg.): Die innere Medizin – Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007
- Horn, F.: Biochemie des Menschen. Das Lehrbuch für das Medizinstudium. Thieme, Stuttgart 2018