Aniridie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter Aniridie, auch unter den medizinischen Synonymen Irisaplasie und Irideremie bekannt, wird ein angeborener Fehler der Regenbogenhaut, Iris, beider Augen bezeichnet. Es handelt sich um eine seltene Erbkrankheit, die auch mit Erkrankungen in anderen Körperregionen vergesellschaftet sein kann. Die Krankheit gilt als unheilbar, die allgemeine Lebenserwartung ist jedoch nicht eingeschränkt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Aniridie?

Die Ursachen der Aniridie liegen in einem Gendefekt, einer sogenannten Chromosomenaberration.
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Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff Aniridie ohne Iris. Er bezeichnet das partielle oder vollständige Fehlen der Regenbogenhaut. Es handelt sich um eine genetische Fehlbildung des Sehorgans mit komplexen Einflüssen auf die weitere Entwicklung beim Heranwachsen.

Dadurch, dass die Regenbogenhaut bei beiden Augen teilweise fehlt oder auch überhaupt nicht vorhanden ist, können die Pupillen nicht oder nicht richtig schließen und den Lichteinfall in die Augen regulieren, so wie das bei einer normalsichtigen Person jederzeit der Fall ist. Bei der genetisch bedingten Sehstörung ist das Sehvermögen der Betroffenen stets stark beeinträchtigt, bei fulminanten Krankheitsverläufen kann es auch zu einer vollständigen Erblindung kommen.

Es sind aber auch abgemilderte Formen bekannt, bei denen Betroffene beinahe keine Probleme haben und sogar den Führerschein erwerben können. Im Laufe des Erwachsenenlebens leiden die Patienten nicht nur unter der Irideremie, sondern auch unter den vielfältigen Begleiterkrankungen, die sich durch den Gendefekt im Laufe der Zeit manifestieren können, aber nicht müssen. Ob ein neu aufgetretenes Symptom in direktem Zusammenhang mit dem Fehlen der Iriden steht oder nicht, kann nur der Arzt beurteilen.

Ursachen

Die Ursachen der Aniridie liegen in einem Gendefekt, einer sogenannten Chromosomenaberration. Dieser Gendefekt ist angeboren und wird die Betroffenen ein Leben lang begleiten. Durch humangenetische Untersuchungen aus Blutproben der Betroffenen ist bekannt, dass es sich um einen Defekt des 11. Chromosoms handelt.

Das betroffene PAX6 Gen befindet sich auf dem 11. Chromosom und gilt als Auslöser der Erkrankung. Die Fehlfunktion dieses Gens bewirkt eine Entwicklungsverzögerung beider Augen, die vollständige Ausreifung der Augenfunktion wird also zu früh abgeschlossen und ist mit Beginn der Geburt nicht vollendet. Es handelt sich um eine sogenannte autosomal dominante Chromosomenfunktionsstörung.

Das Risiko, an einer Aniridie zu erkranken, beträgt statistisch 1:100000, beide Geschlechter sind gleichermaßen betroffen. Bei der Sonderform der sogenannten sporadischen Aniridie kommt die seltene Chromosomenmutation bei einem Kind vor, dessen Eltern nicht erkrankt sind. In jedem dritten Fall des Fehlens der Regenbogenhaut handelt es sich um solch eine De-Novo-Mutation.

Bei beiden Formen spielt das Gen für die Entwicklung beider Augen eine Rolle, deshalb sind auch beide Augen von der Krankheit befallen. Dennoch sind in der medizinischen Weltliteratur auch wenige Einzelfälle dokumentiert, bei denen nur ein Auge von der Aniridie betroffen war.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Durch einen Mangel an lumbalen Stammzellen kommt es zu einer Vielzahl von Symptomen, welche die Hornhaut des Auges betreffen, beispielsweise zu einer chronischen und schwer behandelbaren Keratitis. Ob eine isolierte Aniridie oder eine Aniridie im Rahmen anderer genetischer Fehlentwicklungen, beispielsweise eines WAGR-Syndroms vorliegt, kann nur aufgrund weiterer humangenetischer Differentialdiagnostik herausgefunden werden. Die Diagnose wird in der Regel gleich nach der Geburt durch den Kinderarzt gestellt.

Viele Patienten klagen über Sehstörungen wie Doppelsehen oder Schleiersehen. Oft ist die Sehfähigkeit insgesamt eingeschränkt und der Betroffene leidet unter Begleiterscheinungen wie Schwindel oder Kopfschmerzen. Weiterhin kann eine Aniridie zu einer chronischen Keratitis führen. Eine solche Hornhautentzündung äußert sich durch Lichtempfindlichkeit und die charakteristisch getrübte Hornhaut.

Außerdem können Augenschmerzen und trockene Augen auftreten. Wenn infolge der Aniridie bereits eine Photophobie entstanden ist, kommen Anzeichen wie unwillkürliche Augenbewegungen, Rötungen im Bereich der Augen und Entzündungen hinzu. Durch den erhöhten Augeninnendruck kann sich eine irreversible Schädigung des Sehnervs entwickeln. In der Folge kann es zu einem völligen Sehverlust kommen, der sich durch Einschränkungen im Sichtfeld, Flimmern und andere Symptome ankündigt.

Die stark eingetrübte Linse kann Begleiterscheinungen wie Dauerkopfschmerzen oder Unwohlsein hervorrufen. Äußerlich ist eine Aniridie durch die sichtbare Vergrößerung der Regenbogenhaut und dem Fehlen von Iris-Gewebe zu erkennen. Die Iris erscheint fast komplett einfarbig und ist meist dunkelgrau bis schwarz. Bei einigen Patienten stellen sich Blutungen oder Entzündungen ein. Die Diagnose kann anhand dieser Symptome rasch gestellt werden.

Diagnose & Verlauf

Der Krankheitsverlauf einer Aniridie ist stets langwierig und chronisch, sodass die Patienten ihr Leben lang an der Erkrankung selbst und deren Folgen zu leiden haben. Nur wenige Betroffene entwickeln außer der eigentlichen Sehschwäche keine weiteren Begleiterscheinungen.

Typisch ist eine sogenannte Photophobie, diese allgemeine Lichtüberempfindlichkeit erschwert den Sehvorgang und geht zusätzlich mit einer vegetativen Begleitsymptomatik wie beispielsweise Dauerkopfschmerzen oder Unwohlsein einher. Die Betroffenen leiden darüber hinaus unter ständig unwillkürlichen Augenbewegungen, dem sogenannten Nystagmus.

Der erhöhte Augeninnendruck, Engwinkelglaukom, kann zu einer irreversiblen Schädigung des Sehnervs und in der Folge zu völligem Sehverlust führen. Die Linse ist bei den meisten Aniridiepatienten mäßig bis stark eingetrübt, was als Katarakt bezeichnet wird.

Komplikationen

Die Aniridie kann nicht geheilt werden, allerdings kommt es zu keiner geringeren Lebenserwartung bei den betroffenen Menschen. Bei den meisten Patienten tritt durch die Aniridie eine Sehschwäche auf. Diese ist in der Regel schon im Kindesalter vorhanden und wird nicht erst im Laufe des Lebens erworben. Durch die Aniridie entsteht auch eine starke Lichtempfindlichkeit.

Damit führt helles Licht zu Schmerzen im Auge und beeinträchtigt den Sehvorgang. Die Betroffenen können damit den Alltag nicht ohne eine speziellen Sehhilfe meistern und sind auf diese angewiesen. Durch die starke Lichtempfindlichkeit kommt es zu starken Kopfschmerzen und einem Schwindelgefühl.

Meistens treten bei den Patienten auch Augenbewegungen auf, die nicht willkürlich gesteuert werden können. Im schlimmsten Falle kann es zu einem Defekt des Sehnervs kommen, wobei der Patient sein Augenlicht verliert und erblindet.

Eine Behandlung ist nicht möglich. Sie kann allerdings die Symptome wie Sehschwäche oder Kopfschmerzen relativ gut einschränken. Der Arzt kann dem Patienten auch spezielle Brillen oder Kontaktlinsen verschreiben, die das Symptom abschwächen sollen. Es kommt zu keinen weiteren Komplikationen, allerdings ist das Leben des Patienten eingeschränkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

In der Regel wird die Aniridie schon direkt nach der Geburt des Kindes oder spätestes durch einen Kinderarzt festgestellt und diagnostiziert. Aus diesem Grund muss der Arzt in der Regel nicht nochmal zusätzlich aufgesucht werden. Auch eine direkte Behandlung dieser Krankheit ist nur eingeschränkt möglich. Die Betroffenen leiden dabei an starken Sehbeschwerden und an einer Sehschwäche.

Sollten daher unerwartet oder ohne besonderen Grund Sehbeschwerden auftreten, so müssen diese auf jeden Fall von einem Arzt behandelt werden. Auch bei einer Photophobie ist eine Behandlung durch einen Arzt notwendig. Nicht selten leiden die Patienten auch an unwillkürlichen Bewegungen der Augen, die den Alltag deutlich einschränken können. Auch eine Trübung der Linse kann eine typische Beschwerde der Aniridie darstellen und sollte daher auf jeden Fall durch einen Arzt behandelt werden.

Nicht selten tritt die Aniridie auch mit anderen Erkrankungen auf, sodass eine frühzeitige Behandlung sich sehr positive auf den allgemeinen Zustand des Patienten auswirken kann. Die Betroffenen können dabei auch an Nierenbeschwerden oder an einem Tumor leiden. Sollten Beschwerden der Niere vorhanden sein, so müssen diese ebenfalls durch einen Arzt untersucht werden.

Behandlung & Therapie

Obwohl die Ursache der Irisaplasmie eindeutig bekannt ist, können die Betroffenen bis heute leider nicht mit einer kausalen, also ursachenbezogenen Therapie, versorgt werden. Alle Behandlungsmaßnahmen richten sich zum einen nach dem Schweregrad und zum anderen an den sich stets verändernden Symptomen der Patienten.

Typischerweise kommen im Krankheitsverlauf immer mehr Symptome hinzu, sodass die Behandlung langwierig, aufwendig und auch kostenintensiv ist. Erwachsene mit Aniridie bekommen eine Schulung bezüglich von Verhaltensregeln der ständigen Anpassung an die Umgebung. So sind beispielsweise Sonnenbrillen mit extremen Schutzgläsern und Tönungen von 80 Prozent erforderlich.

Jedes Kind mit Aniridie sollte schnellstens genetisch untersucht und regelmäßig augenmedizinisch betreut werden. Um einen sogenannten Wilms Tumor auszuschließen, ist auch eine regelmäßige Ultraschalluntersuchung der Nieren erforderlich. Um den Lichteinfall komplett zu verhindern, können ausgewählte Betroffene Aniridie Spezial Kontaktlinsen mit künstlicher Iris und fixierter Pupille tragen. Operative Eingriffe können nur in zertifizierten Augenzentren vorgenommen werden.

Aussicht & Prognose

Die Prognose einer Aniridie ist als ungünstig einzustufen. Die angeborene Erkrankung kann bis zum heutigen Tag mit den zur Verfügung stehenden medizinischen Möglichkeiten nicht geheilt werden. Die Entwicklung des Auges ist frühzeitig beendet und lässt sich auch nicht durch die Gabe von hormonellen Präparaten oder einem operativen Eingriff regulieren. Gleichzeitig kann es unter gewissen Umständen zu einer Verschlechterung der Symptome kommen.

Bei Komplikationen wie einem Anstieg des Innendrucks des Auges, der Trübung der Linse sowie der Hornhaut kann es zu einer Zunahme der Beschwerden kommen. Diese geht gleichzeitig einher mit einer weiteren Minderung des bereits geschwächten Sehvermögens. Zusätzlich besteht das Risiko, dass sich weitere Erkrankungen oder eine Fehlfunktion der Nierentätigkeit ausbilden. Damit sinken die Heilungsaussichten erheblich.

Bei einer frühzeitigen Diagnose und einem schnellen Behandlungsbeginn können gezielte Therapien zur Verbesserung der Sehkraft eine leichte Linderung bewirken. Damit wird unter den gegebenen Umständen eine bestmögliche Entwicklung des Sehens geschaffen. Zusätzlich können Sehhilfen zu weiteren jedoch überschaubaren Verbesserungen des Sehvermögens führen.

Die Prognoseaussichten bei einem leichten Gendefekt sind ebenfalls gering. Es kommt zwar zu sehr geringen Beeinträchtigungen im Alltag, dennoch besteht auch hier das Risiko, dass sich die vorhandenen Symptome im Laufe des Lebens verschlechtern.


Vorbeugung

Eine Vorbeugung dieser vererbbaren Augenerkrankung ist nicht möglich. Es hat sich herausgestellt, dass auch eine Fruchtwasseruntersuchung nicht geeignet ist, um diese Fehlbildung beider Augen bereits beim Ungeborenen zu erkennen.

Das Leben mit Aniridie mit der Anpassung an schnell wechselnde Lichtverhältnisse oder zur Vorbeugung schmerzhafter Blendempfindungen kann nur durch die konsequente Umsetzung der speziellen Verhaltensregeln und durch ein Anpassen der Oberflächen im Arbeits- oder Schulumfeld erleichtert werden. Denn jede Blendempfindung ist für die Betroffenen schmerzhaft, kann die Sehschärfe reduzieren und zu Bewegungsunsicherheiten führen.

Nachsorge

Eine Aniridie kann bislang nur teilweise ausgeglichen werden. Die Nachsorge geht deshalb mit der eigentlichen Behandlung einher. Im Rahmen der Therapie erhält der Patient eine Lichtschutzbrille, die regelmäßig an die aktuelle Sehstärke angepasst werden muss. Zur Nachsorge kann auch eine genetische Abklärung der Ursache zählen.

Je nach Auslöser muss der Patient weitere Untersuchungen vornehmen lassen. Im Rahmen der Nachsorge wird sichergestellt, dass sich die Aniridie wie geplant entwickelt und keine Komplikationen auftreten. Sollte es einige Monate nach der Behandlung zu Sehbeschwerden oder anderen Problemen im Bereich der Augen kommen, ist eine Verlaufskontrolle notwendig.

Menschen mit Aniridie müssen alle drei bis sechs Monate eine Ultraschalluntersuchung der Nieren vornehmen lassen, da die Erkrankung mit einem erhöhten Risiko für einen Wilmstumor einhergeht. Wird der Tumor frühzeitig erkannt, besteht eine Heilungsschance von 94 Prozent. Patienten sollten die notwendigen Untersuchungen in Anspruch nehmen, um etwaige Tumoren frühzeitig zu erkennen und die Heilungsaussichten zu verbessern.

Die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen müssen ein Leben lang durchgeführt werden. Der zuständige Arzt kann weitere Details zu den notwendigen Verlaufskontrollen und sonstigen Nachsorge-Maßnahmen geben und den Patienten auch bezüglich geeigneter Sehhilfen beraten.

Das können Sie selbst tun

Bei dieser vererbbaren Augenkrankheit gibt es keine präventiven Maßnahmen. Selbst durch eine Fruchtwasseruntersuchung kann nicht geklärt werden, ob die Fehlbildung der Augen beim Ungeborenen vorhanden ist. Da von Aniridie betroffene Menschen ein erhöhtes Risiko auf die Bildung von Glaukomen und Katarakten haben, sollten Augenarzt und Optiker in regelmäßigen Kontrollen dafür Sorge tragen, die Sehfunktion zu erhalten.

Die gewöhnliche Therapie besteht in der Anpassung einer individuellen Lichtschutzbrille mit speziellem Kantenfilter unmittelbar nach der Geburt des Betroffenen. Ab dem Alter von rund zwei Jahren können Kurz- oder Weitsichtigkeit durch eine Brille ausgeglichen werden. Auf normale Kontaktlinsen sollte unbedingt verzichtet werden. Um den Lichteinfall komplett zu verhindern, können Patienten jedoch spezielle Aniridie-Kontaktlinsen mit künstlicher Iris und einer fixierten Pupille tragen. Auch wenn die Krankheit nicht behandelbar ist, können wenigstens die Symptome, also Sehschwäche und Kopfschmerzen, relativ gut abgemildert werden.

Da jede Blendempfindung für den Betroffenen mit Schmerzen verbunden ist, sollten zudem Oberflächen, welche Licht gut reflektieren, in der Arbeits- oder Schulumgebung angepasst werden. Auch die speziellen Verhaltensregeln sollten eingehalten werden. So sollte der Betroffene beispielsweise Umgebungen mit schnell wechselnden Lichtverhältnissen vermeiden.

Quellen

  • Augustin, A.J.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2007
  • Grehn, F.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2012
  • Lehnert, H., Werdan, K.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2006

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