Antigene
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Antigene regen das Immunsystem zur Produktion von Antikörpern an. Es handelt sich bei Antigenen meist um spezifische Proteine auf der Oberfläche von Bakterien oder Viren. Bei Autoimmunerkrankungen ist die Erkennung von Antigenen gestört und körpereigenes Gewebe wird als körperfremdes Antigen bekämpft.
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Was sind Antigene?
Antigene sind die Stoffe, gegen die die Lymphozyten des Immunsystems Antikörper bilden. Lymphozyten-Rezeptoren und Antikörper können sich spezifisch an Antigene binden und regen so die Antikörperproduktion und schützende Immunreaktion an. Von Antigenität zu unterscheiden ist Immunogenität.
Antigenität bezeichnet die Bindungsfähigkeit an einen bestimmten Antikörper. Immunogenität meint dagegen die Fähigkeit zur Induktion einer spezifischen Immunantwort. Die Medizin unterscheidet zwischen Vollantigenen und Halbantigenen. Vollantigene lösen eigenständig die Bildung bestimmter Antikörper aus. Halbantigene oder auch Haptene sind dazu nicht fähig. Sie benötigen dazu einen sogenannten Carrier, das heißt einen Eiweißkörper, der sie zum Vollantigen werden lässt.
Anatomie & Aufbau
Ein Antigen ist in der Regel aus antigenen Teilstrukturen aufgebaut. Diese Teilstrukturen heißen auch Determinanten oder Epitope. Sie binden sich entweder an B-Zell-Rezeptoren, an T-Zell-Rezeptoren oder direkt an Antikörper. B-Zell-Rezeptoren und Antikörper erkennen und binden die Antigene auf der Oberfläche eingedrungener Fremdkörper.
Diese Antigene sind von dreidimensionaler Struktur, die für die B-Zell-Rezeptoren und Antikörper das mit wichtigste Erkennungsmerkmal ist. T-Zell-Rezeptoren erkennen Antigene aus denaturierten Peptidsequenzen von rund zehn Aminosäuren. Diese Aminosäuren werden von antigenpräsentierenden Zellen aufgenommen. Gemeinsam mit den MHC-Molekülen werden sie an der Oberfläche präsentiert.
Funktion & Aufgaben
Das Immunsystem des Menschen besitzt erblich codierte Rezeptoren für bestimmte Substanzen. So kann es viele körperfremde Stoffe als Gefahr erkennen und durch Immunreaktionen bekämpfen. Nicht gegen jede Art Stoff verfügt der Organismus aber über erblich kodierte Rezeptoren. Die Antigenerkennung durch die Lymphozyten schützt den Organismus in dieser Hinsicht vor körperfremden Substanzen, zu denen keine erblich kodierten Rezeptoren vorliegen.
Die Bindung eines Lymphozyten an körperfremde Substanzen löst eine adaptive Immunantwort aus. Antigene initiieren so die Bildung von unterschiedlichen Antikörpern. Diese Antikörper binden sich mit dem vorliegenden Epitop und dämmen die Gefahren ein. Die Erkennung körperfremder Antigene befähigt das Immunsystem also erst dazu, Eindringlinge wie beispielsweise Viren gezielt zu bekämpfen, ohne dass dabei körpereigene Zellen zu Schaden kommen. Während erblich codierte Rezeptoren des Immunsystems bestimmte Stoffe von vornherein als gefährlich einschätzen können, ist die Immunantwort im Rahmen der Antigenerkennung sozusagen an einen Lernprozess des Immunsystems geknüpft.
Sobald sich der Körper einmal in Kontakt mit dem Antigen eines bestimmten Bakteriums oder Virus befunden hat, liegen für diesen Stoff spezifische Antikörper vor, die beim nächsten Kontakt mit dem Antigen bei der Bekämpfung der vermeintlichen Bedrohung helfen. Auch der menschliche Körper enthält übrigens Antigene. Das Immunsystem entwickelt gegenüber dieser körpereigenen Antigene aber eine Toleranz und erkennt sie daher als ungefährlich. Die Glykoprotein-Strukturen auf der Zelloberfläche von menschlichem Gewebe sind bei jedem Menschen anders.
Die Toleranz kann sich daher spezifisch und differenziert gegenüber der eigenen Antikörper entwickeln. Das Körpergewebe eines anderen Menschen wird dann trotzdem noch immer als körperfremdes Antigen erkannt und bekämpft. Das erschwert zum Beispiel Transplantationen. Das Immunsystems eines Transplantatempfängers erkennt das transplantierte Gewebe oft als körperfremdes Antigen, gegen das es spezifische Antikörper entwickelt. Bei Transplantationen muss aus diesem Grund immer auf die Verträglichkeit des Gewebes geachtet werden. Mittlerweile gibt man Transplantationspatienten außerdem Immunsuppressiva, die den beschriebenen Prozess blockieren.
Krankheiten
Normalerweise ist das Immunsystem gegenüber körpereigener Stoffe tolerant. Bei Autoimmunerkrankungen bricht diese Toleranz aber zusammen. Bis heute ist die genaue Ursache für Autoimmunerkrankungen unklar. Die Sequestrationstheorie geht davon aus, dass sich viele körpereigene Antigene während der Toleranzentwicklung der Immunzellen nicht in der unmittelbaren Umgebung diese Immunzellen befunden haben. Diese körpereigenen Antigene können dann nicht als körpereigen erkannt werden, wenn irgendwann direkter Kontakt besteht.
Wenn es nun zum Beispiel durch eine Verletzung zu solch einem Direktkontakt zwischen den Immunzellen und den körpereigenen Antigenen kommt, dann werden sie als körperfremde Antigene attackiert. Andere Theorien gehen als Ursache für den Angriff körpereigener Substanzen von einer Veränderung der körpereigenen Antigene im Rahmen von bestimmten Virusinfektionen oder Medikamenten aus. Welche Theorie auch zutrifft: In jedem Fall ist die fehlerhafte Antigenerkennung die Grundlage von Autoimmunerkrankungen.
Ein bekanntes Beispiel für eine solche Erkrankung ist die entzündliche Erkrankung Multiple Sklerose, bei der das eigene Immunsystem Gewebe des zentralen Nervensystems angreift und so zerstörerische Entzündungen im Gehirn oder im Rückenmark auslöst. Auch der umgekehrte Fall birgt aber Gefahren. So kann der Körper zum Beispiel auch eine Toleranz gegenüber körperfremder Antigene entwickeln. Das Immunsystem greift diese tolerierten Antigene dann nicht mehr an und setzt den Organismus damit großen Gefahren aus.
Quellen
- Peter, H.-H., Pichler, W.J. (Hrsg.): Klinische Immunologie. Urban & Fischer, München 2012
- Spornitz, U. M.: Anatomie und Physiologie. Springer Medizin Verlag, Berlin Heidelberg 2004
- Wolff, H.-P., Weihrauch, T.R. (Hrsg.): Internistische Therapie. Urban & Fischer, München 2012