Asphyxierende Thoraxdyplasie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Asphyxierende Thoraxdyplasie
Die asphyxierende Throaxdysplasie ist ein Kurzripp-Polydaktylie-Syndrom. Der schmale Thorax der Patienten verursacht meist eine thorakale Ateminsuffizienz. Falls die Betroffenen die ersten beiden Jahre überleben, reduziert sich das Sterberisiko für die Zukunft enorm.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist eine Asphyxierende Thoraxdyplasie?
Die asphyxierende Thoraxdyplasie ist eine Skelettdysplasie aus der Gruppe der Kurzripp-Polydaktylie-Syndrome und wird auch Jeune-Syndrom genannt. Diese Bezeichnung geht auf den Kinderarzt M. Jeune zurück, der die Erscheinung 1954 erstmals beschrieben hat. Die angeborene Fehlbildung des Brustkorbs zählt zu den Ziliopathien. Ein bis fünf Betroffene auf 500 000 Neugeborene werden als Verhältnis für das Vorkommen angegeben.
Die Erkrankung ist erblich und äußerst sich in der Regel durch extrem kurze Rippen und einen äußerst schmalen Thorax. Multiple Organbeteiligungen können vorliegen, so zum Beispiel solche der Leber und der Bauchspeicheldrüse. Obwohl die Krankheit meist mit einem ungünstigen Verlauf verbunden ist, gibt es Ausnahmen von dieser Regel. Nach dem zweiten Lebensjahr ist das Schlimmste überstanden.
Ursachen
Die Skelettdysplasie Jeune-Syndrom wird im autosomal-rezessiven Erbgang vererbt. Das heißt, dass das betroffene Gen auf einem Autosom liegt. Ein dominantes Allel setzt sich in der Genetik immer gegenüber einem rezessiven Allel durch. Damit die Krankheit auf einem rezessiven Autosom tatsächlich zum Ausbruch kommt, müssen beide Partner zumindest ein rezessives Allel als Krankheitsträger haben. Das Jeune-Syndrom kann durch Mutationen unterschiedlicher Gene auftreten.
Nicht alle Gene sind bislang bekannt. Eine Beteiligung liegt zum Beispiel für das Gen IFT80 (3q25.33) vor. Dasselbe gilt für das Gen DYNC2H1 (11q22.3) und das Gen WDR19 (4p14). Auch eine Mutation des Gens TTC21B (2q24.3) wird heute als mögliche Ursache des Jeune-Syndroms anerkannt. Jedes der genannten Gene kodiert für je ein Flagellen-Transportprotein. Aus diesem Grund wird die Erkrankung auch zu den sogenannten Zilliopathien gerechnet.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Betroffene des Jeune-Syndroms haben einen langen und schmalen Thorax. Auffällig ist auch das horizontale Dach ihres Beckens. Sie leiden meist von Geburt an unter Atemnot, da ihre Lungen in dem dysplastischen Brustkorb kaum Platz haben. Die Rede ist hierbei von einer thorakalen Ateminsuffizienz. Das heißt, dass die Atemnot durch den Platzmangel im Brustkorb entsteht. Oft sind die Lungen der Patienten wegen der minimalen Platzverhältnisse sogar unterentwickelt.
Wie bei sämtlichen anderen Erkrankungen aus der Gruppe der Kurzripp-Polydaktylie-Syndrome liegt bei vielen Betroffenen eine Polydaktylie, also eine Vielfingrigkeit vor. Weitere Skelettanomalien können vorkommen. Kurze Extremitäten und Minderwuchs sind häufige Erscheinungen. Später tritt zusätzlich oft Niereninsuffizienz durch Nephronophthise auf. Außerdem kann eine Retinopathie eintreten, das heißt eine Netzhauterkrankung. Auch Gelbsucht und fibrozytische Veränderungen der Leber und Bauchspeicheldrüse treten im Rahmen der Erkrankung häufig auf.
Diagnose & Verlauf
Noch während sich der Fötus im Uterus befindet, kann die Diagnose auf das Jeune-Syndrom durch sorgfältige Ultraschall-Untersuchungen gestellt werden. Für die verbreiteteste Form der Erkrankung gibt es auch molekulargentetisch die Möglichkeit einer pränatalen Diagnose. Falls diese Möglichkeit nicht genutzt wird, wird die Diagnose unmittelbar nach der Geburt durch Blickdiagnose und radiologische Befunde gestellt.
Das Jeune-Syndrom verläuft in vielen Fällen tödlich, wobei die Prognose umso günstiger ist, je weniger die inneren Organe von Funktionsstörungen betroffen sind. Abhängig von der Verknöcherungsart aller Knorpelanlagen gibt es zwei unterschiedliche Formen der Erkrankung, die auch als Typ I und Typ II bekannt sind. Letztlich entscheidet die Beeinträchtigung der Lunge, wie aussichtsreich die Behandlung des asphyxierenden Throaxdysplasie ist. Nach dem zweiten Lebensjahr nimmt das Risiko für Infektionen maßgeblich ab.
Komplikationen
Bei der asphyxierenden Thoraxdysplasie handelt es sich um die seltene Fehlanlage eines Chromosoms. Betroffene besitzen von Geburt an einen schmalen langwirkenden Thorax mit kurzen Rippen. Durch die körperliche Einschränkung des Brustkorbs ist die Lunge stark unterentwickelt, was eine akute Kreislaufschwäche und Atemdepression zur Folge hat.
Die Betroffenen sind kleinwüchsig und weisen kurze Extremitäten und Röhrenknochen auf. Skelettdysplasien besitzen in der Regel zahlreiche Komplikationen und verlaufen mit zunehmenden Alter des Patienten nicht positiv. Insbesondere bei Neugeborenen besteht durch den zu schmal entwickelten Thorax Atemnot. Schon in jungen Jahren kann sich eine Niereninsuffizienz bilden. Ferner drohen eine Fibrosierung der Bauchspeicheldrüse sowie der Leber.
Die zu eng liegende Lunge ist hoch infektanfällig und kann Atemlähmungen sowie spontanen Atemstillstand verursachen. Es droht Herz-Kreislauf-Versagen. Mit dem Heranwachsen mehren sich die Komplikationen und Diabetes mit einhergehender Sehschwäche kann auftreten. Bereits im Mutterleib lässt sich das Symptom bei einem Screening nachweisen.
Der Ausprägungsgrad sowie die Behandlungsweise unterliegt der Fallabhängigkeit. Als erste Therapiemethode wird eine Normalisierung der Beatmungsparameter erwogen, wobei der Rippenthorax operativ gedehnt wird. Das Operationsrisiko wägt die Überlebenschancen des Kindes auf. Patienten mit asphyxierenden Thoraxdysplasie benötigen ihr Leben lang ärztliche Kontrolle, bezüglich der Organfunktion sowie physiotherapeutische Maßnahmen, um den beeinträchtigten Bewegungsapparat mobil zu halten.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Der Verdacht auf eine asphyxierende Thoraxdysplasie kann in der Regel umgehend nach der Geburt gestellt werden. Die Erkrankung äußert sich durch eindeutige körperliche Merkmale (u.a. kurze, horizontal verlaufende Rippen unverkürzte Röhrenknochen), die vom zuständigen Arzt, dem Geburtshelfer oder den Eltern selbst bemerkt werden. Die Diagnose wird anschließend mit Hilfe eines Röntgenbilds gesichert.
Welche Behandlungsschritte im Anschluss in Frage kommen, hängt unter anderem von der Schwere der Dysplasie ab. In weniger schweren Fällen genügt es, die auftretenden Infektionen zu behandeln und die Nieren- und Leberfunktion regelmäßig zu kontrollieren. Gelegentlich muss auf neuartige Behandlungsmöglichkeiten wie VEPTR (Vertical expandable prosthetic titanium Ribs) zurückgegriffen werden, die einen längeren Krankenhausaufenthalt erfordern.
Der zuständige Arzt wird die passende Behandlung vorschlagen und in Rücksprache mit den Eltern des betroffenen Kindes Termine für die Behandlung vereinbaren. Auch bei einer erfolgreichen Behandlung muss der Betroffene regelmäßig Untersuchungen durchführen lassen. Bei einer plötzlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes sollte mit einer asphyxierenden Thoraxdysplasie sofort ins Krankenhaus gegangen werden.
Behandlung & Therapie
Bei der Behandlung der asphyxierenden Throaxdysplasie muss der Arzt zunächst versuchen, die oberen Atemwege frei von Infektionen zu halten. Je nachdem welche zusätzlichen Symptome die Erkrankung im Einzelfall ausmachen, muss er außerdem gegen die Niereninsuffizienz und gegen die Fibrosierung der Leber und der Bauchspeicheldrüse vorgehen. Falls sich der Patient im Einzelfall für diesen Eingriff eignet, kann unter Umständen das VEPTR-Verfahren Anwendung finden.
Diese Operationstechnik hat eine dauerhafte Erweiterung des Thorax zum Ziel. Dem Patienten wird dabei eine vertikal expandierbare Rippenprothese aus Titan eingesetzt, die den Brustkorb aufstemmen soll. Unter Vollnarkose wird dem Betroffenen dabei die Titan-Rippe eingesetzt. Die Titanrippe hat eine gebogene Form und mehrere Löcher zur Fixierung in der erforderlichen Länge. Entweder wird der Titanstab zwischen zwei Rippen gezwängt oder zwischen einer Rippe und dem Becken befestigt. Die Wirbelsäule wird so indirekt aufgerichtet. Der Thorax gewinnt an Volumen und die Lungen haben mehr Platz.
Unter Umständen können zur Dehnung des Brustkorbs auf das gewünschte Volumen mehrere Operationen erforderlich sein. Patienten werden nur dann für dieses Verfahren ausgewählt, wenn die Operation in ihrem Einzelfall vielversprechende Erfolge erwarten lässt. Solange Infektionen der Atemwege vorliegen, darf eine Operation wie diese ohnehin nicht stattfinden. Damit ist die Bekämpfung von Atemwegsinfektionen und die Stabilisierung des Patienten vor der Operation zwingend notwendig.
Aussicht & Prognose
Die Prognose einer asphyxierenden Thoraxdyplasie ist sehr ungünstig. Viele Erkrankte sterben bereits innerhalb der ersten Lebensmonate oder Jahre nach der Geburt. Die Erkrankung gilt bei den derzeitigen wissenschaftlichen und medizinischen Möglichkeiten als nicht heilbar. Es liegt eine genetische Disposition vor, die nicht korrigiert werden kann.
Aus rechtlichen Gründen sind Forschungen und Behandlungen an der Genetik des Menschen eingeschränkt sowie untersagt. Daher gibt es keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten, um das Skelettsystem in der Form zu verändern, dass eine Heilung oder wenigstens Linderung der Symptome möglich wäre.
Die inneren Organe haben im Brustkorb nicht den Platz, den sie benötigen, um ihren Tätigkeiten nachgehen zu können. Es kommt zu Störungen der Funktionsfähigkeit und insbesondere einer starken Atemnot. Auch bei einer künstlichen Beatmung besteht ein hohes Sterberisiko. Mit dem zunehmenden Wachstums- und Entwicklungsprozess des Körpers verengt sich der Platz für die Organe, Gefäße und umliegendes Gewebe immens. Der Vorgang ist nicht verhinderbar.
Überleben Kinder den Wachstumsprozess, ist dennoch ihre Lebenserwartung nicht sehr hoch. Die Sterberate ist bei Erwachsenen mit einer asphyxierenden Thoraxdyplasie exorbitant hoch. Eine deutlich verringerte Lebenserwartung führt zu den schlechten Prognoseaussichten. Bei dieser Erkrankung geht es darum, die Schmerzen zu lindern und das Leid des Patienten zu minimieren.
Vorbeugung
Da die asphyxierende Throaxdysplasie einer Genmutation entspricht, lässt sich der Erkrankung nicht vorbeugen. Für Eltern, die bereits ein Kind mit der asphyxierenden Throaxdysplasie zur Welt gebracht haben, liegt die Wahrscheinlichkeit für ein zweites Kind mit der Erkrankung bei 25 Prozent.
Nachsorge
Bei dieser Krankheit stehen dem Betroffenen in der Regel gar keine oder nur sehr wenige Maßnahmen und Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei muss in erster Linie eine umfassende Diagnose mit einer anschließenden Behandlung durchgeführt werden, um weitere Komplikationen zu verhindern. Es kann auch nicht zu einer Selbstheilung kommen, sodass eine Behandlung durch einen Arzt auf jeden Fall durchgeführt werden muss.
Je früher der Arzt bei dieser Krankheit aufgesucht wird, desto besser ist in der Regel auch der weitere Verlauf der Erkrankung. Eine vollständige Heilung ist dabei nicht möglich, da es sich dabei um eine erblich bedingte Krankheit handelt. Sollte beim Betroffenen ein Kinderwunsch bestehen, kann eine erbliche Beratung sinnvoll sein, damit es nicht zum Vererben des Syndroms an die Nachfahren kommt.
Der Betroffene ist bei dieser Krankheit in der Regel auf die Pflege und die Unterstützung von der eigenen Familie angewiesen. Dabei wirken sich auch liebevolle und intensive Gespräche positiv auf den Verlauf der Krankheit aus und können dabei auch psychische Verstimmungen oder Depressionen verhindern. Eventuell ist durch diese Krankheit auch die Lebenserwartung des Patienten verringert.
Das können Sie selbst tun
Bei der asphyxierenden Thoraxdyplasie, auch als Jeune-Syndrom bekannt, handelt es sich um eine Erbkrankheit. Die Betroffenen haben keine Möglichkeit die Störung ursächlich zu behandeln.
Eine asphyxierenden Thoraxdyplasie zeigt sich bereits beim Fötus und kann durch eine Ultraschalluntersuchung erkannt werden. Bei Verdacht auf diese Störung stehen zusätzliche Methoden der pränatalen Diagnose zur Verfügung. Das Jeune-Syndrom geht mit sehr schweren gesundheitlichen Einschränkungen einher und endet meist tödlich. Bis zur 24. Schwangerschaftswoche ist deshalb ein medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbruch möglich.
Frauen, die sich dennoch für das Austragen der Schwangerschaft entscheiden, müssen damit rechnen, dass das Kind während der ersten zwei Jahre verstirbt. Für junge Eltern stellt das eine enorme psychische Belastung dar. Sie sollten sich deshalb frühzeitig Rat und Hilfe bei anderen Betroffenen suchen und sich auch nicht scheuen, die Hilfe eines Psychologen in Anspruch zu nehmen.
Da die ersten zwei Lebensjahre für Patienten, die am Jeune-Syndrom leiden, besonders kritisch sind, sehen sich die Familien betroffener Kinder während dieser Zeit mit ständigen Arztbesuchen, Klinikaufenthalten und heimischer Krankenpflege konfrontiert.
Wie diese Mehrbelastung organisatorische in den (Berufs-) Alltag integriert werden kann, sollte bereits während der Schwangerschaft abgeklärt werden. Über finanzielle und organisatorische Unterstützungsmöglichkeiten informieren Selbsthilfegruppen und die Krankenkassen.
Quellen
- Bungeroth, U.: BASICS Pneumologie. Urban & Fischer, München 2010
- Emminger, H., Kia, T. (Hrsg.): Exaplan – Das Kompendium der klinischen Medizin. Urban & Fischer, München 2010
- Lehnert, H., Werdan, K.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2006