Kleinwüchsigkeit
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 1. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Kleinwüchsigkeit
Kleinwuchs, Kleinwüchsigkeit oder Minderwuchs sind allgmein umgangssprachliche Begriffe für Mikrosomie. Sie stellt zunächst keine eigenständige Krankheit dar, kann aber als Symptom vieler verschiedener Erkrankungen in Erscheinung treten. Aus ihr heraus ergeben sich allerdings oftmals weitere Beschwerden im Leben der Betroffenen.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Kleinwüchsigkeit?
Etwa 100.000 Menschen in Deutschland gelten als Kleinwüchsig. Oft werden sie in der Gesellschaft auch heute noch ausgegrenzt und diskriminiert und bekommen nicht die gleichen Chancen wie "normalgroße" Menschen.
Als Kleinwüchsigkeit wird ein deutlich eingeschränktes und die Norm unterschreitendes Körperwachstum bezeichnet, dessen Auftreten sich, dank antiker Skulpturen, bis in das alte Ägypten, also schon fast 5000 Jahre, zurückverfolgen lässt. Bei Männern spricht man bei einer Größe von höchstens 1,50 m und bei Frauen bei einer Größe von höchstens 1,40 m von Kleinwüchsigkeit.
Manche Betroffene messen nicht einmal einen Meter. Der medizinische Fachterminus lautet Mikrosomie. Zwar können auch krankhafte Veränderungen der Struktur des Skeletts zu einer sehr geringen Körpergröße, die teilweise ebenfalls die Grenze von 1,50 m bzw. 1,40 m unterschreiten kann, führen, werden aber dennoch nicht als Kleinwüchsigkeit bezeichnet.
Ursachen
So haben Forscher der Universität Leipzig erst kürzlich ein Gen identifiziert, das Kleinwüchsigkeit verursacht. Dabei ist es allerdings nicht zwingend notwendig, das eines der beiden Elternteile ebenfalls unter Kleinwüchsigkeit leidet, da das Gen auch über mehrere Generationen hinweg inaktiv bleiben kann.
Ferner kann sogar ein gestörtes soziales Umfeld, wie beispielsweise eine nicht intakte Familie, zu Verzögerungen der physischen Entwicklung führen und dadurch Kleinwüchsigkeit hervorrufen. Trotz dieser Vielzahl an schon entdeckten Auslösern sind aber längst noch nicht alle offenbart worden. Insgesamt vermuten Experten über 450 verschiedene Ursachen für Kleinwüchsigkeit.
Typische Krankheiten
- Noonan-Syndrom
- Prader-Willi-Syndrom
- Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta)
- Katzenschreisyndrom (Cri-du-Chat-Syndrom)
- Kretinismus
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Trotz zahlreicher Verursacher kann die Kleinwüchsigkeit (Mikrosomie) nicht als eigenständige Erkrankung angesehen werden. Die Kleinwüchsigkeit bildet selbst kein Symptom. Sie ist eine Folgeerscheinung ernährungsbedingter, idiopathischer, intrauteriner, metabolischer, chromosomal bedingter, endokrin- oder dysplasiebedingter Gegebenheiten. Der Kleinwuchs muss nicht immer körperliche Beschwerden nach sich ziehen.
Dennoch können kleinwüchsige Menschen aufgrund ihrer genetischen Disposition an verschiedenen Beschwerden und Symptomen leiden, die mit ihrem Minderwuchs einhergehen. Da es verschiedene Auslöser für eine Kleinwüchsigkeit gibt, müssen diese zunächst festgestellt werden. So kann später möglichen Beschwerden möglichst frühzeitig entgegengetreten werden. Die auftretenden Beschwerden sind individuell verschieden.
Neben seelischen Belastungen, denen kleinwüchsige Menschen lebenslang ausgesetzt sind, können bei achondroplasiebedingten Kleinwuchs durch eine Skelettdysplasie der Mutter Hörprobleme oder Taubheit als Begleitsymptom auftreten. Außerdem kann die Achondroplasie zu Folgesymptomen wie nicht altersgerechtem Gelenkverschleiß und starken Rückenschmerzen führen. Der idiopathische Kleinwuchs tritt familiär gehäuft auf.
Bei Kleinwüchsigen, bei denen die Produktion des Wachstumshormons Somatropin gestört ist, kann eine Behandlung mit Wachstumshormonen im Kindesalter zu einem größeren Körpermaß führen. Tritt die Kleinwüchsigkeit infolge einer Skelettdysplasie wie Osteogenesis imperfecta auf, brechen die Knochen der Betroffenen leicht. Mediziner sprechen daher auch von der Glasknochenkrankheit. Sie beruht auf einer Störung der Kollagen-Synthese. Als Folge kann es zu Kleinwuchs und schmerzhaften Deformierungen am Skelett kommen.
Diagnose & Verlauf
Vorlage:Infobox Kleinwüchsigkeit kann bei genauer Beobachtung des Kindes schon im Säuglingsalter festgestellt werden. Bei ca. 5 Prozent der Geburten mit einem normalen Verlauf sind die Kinder zu klein, allerdings machen knapp 90 Prozent davon diesen Rückstand binnen zwei Jahren wieder wett.
Dennoch sollten Neugeborene mit einem Größendefizit vorsichtshalber von einem Spezialisten, etwa einem Kinder-Endokrinologen, untersucht werden, der durch Röntgenaufnahmen der linken Hand das Knochenalter bestimmen, zerebrale Erkrankungen diagnostizieren oder eine verminderte Ausschüttung von Wachstumshormonen erkennen kann.
Darüber hinaus dokumentiert auch der Kinderarzt bei den Vorsorgeuntersuchungen die körperliche Entwicklung des Kindes und kann notfalls Alarm schlagen, sollte er eine Kleinwüchsigkeit vermuten.
Komplikationen
Klein gewachsene Menschen werden in der Gesellschaft ausgegrenzt. Sie haben mit zahllose Schwierigkeiten zu kämpfen, um ihren Alltag zu bewältigen. Das kann die Betroffenen seelisch stark belasten, mitunter kommt es zu Depressionen. Insgesamt ist die Haltung gegenüber Kleinwüchigen aber inzwischen toleranter.
Vor allem wenn Kinder von Kleinwuchs betroffen sind, kennt die Grausamkeit der anderen oft kein Pardon. Kinder mit Achondroplasie leiden zudem oft an Schädigungen im Bereich der Ohren. Sie haben Beschwerden beim Hören. Manche erleben einen kompletten Hörverlust. Das belastet die Psyche zusätzlich. Möglich sind Suizidgedanken, vor allem in der Pubertät.
Zu Komplikationen kommt es bei achondroplasiebedingtem Kleinwuchs oft auch durch eine Entwicklungsverzögerung. Diese können geistige Einschränkungen, aber auch Fehlbildungen nach sich ziehen. Häufiger kommt es dadurch zu Sensibilitätsstsörungen. Problemtaisch ist auch, dass die Achondroplasie kaum Behandlungsmöglichkeiten bietet. Die Symptome des Kleinwuches können nur teilweise korrigiert werden, meist operativ. Es kann zu innerfamiliären Komplikationen kommen, die therapeutuische Interventionen für die Betroffenen notwendig machen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Zeigt ein heranwachsendes Kind im direkten Vergleich zu Gleichaltrigen einen besonders kleinen Wuchs, sollte ein Arztbesuch zur Abklärung der Auffälligkeit erfolgen. Die ersten Hinweise können bei einer guten Beobachtung der Angehörigen bereits in den ersten Lebensmonaten wahrgenommen werden. Da ein geringes körperliches Wachstum ein Begleitsymptom für eine vorliegende Erkrankung darstellt, sind weiterführende Untersuchungen notwendig. Häufig finden im Säuglingsalter regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen zur Überprüfung der gesundheitlichen Verfassung des Neugeborenen statt.
Bei diesen Kontrollen kann das veränderte Wachstum des Kindes bereits mit dem Kinderarzt besprochen werden. In vielen Fällen liegen genetische Dispositionen, Stoffwechselerkrankungen, Hirnerkrankungen, hormonelle Störungen oder andere lebensbeeinträchtigende Krankheiten vor, die diagnostiziert und behandelt werden müssen. Damit im weiteren Entwicklungsprozess des Kindes keine schwerwiegenden Störungen auftreten, kann über Tests und bildgebende Verfahren das Größendefizit rechtzeitig festgestellt werden.
Kommt es zu Problemen des Bewegungsapparates, Einschränkungen der Mobilität oder Beschwerden der Gelenke, ist ein Arzt aufzusuchen. Stellen sich psychische Besonderheiten ein oder kommt es zu Verhaltensauffälligkeiten, benötigt das Kind eine therapeutische Unterstützung. Bei kognitiven Beeinträchtigungen, Schmerzen, knackenden Geräuschen der Knochen und einem allgemeinen Unwohlsein ist ein Arztbesuch erforderlich. Eine Lernschwäche, Gedächtnisstörungen, Unregelmäßigkeiten des Hautbildes, Deformierungen im Gesichtsbereich oder Anomalien des Haarwuchses sind ebenfalls ärztlich untersuchen zu lassen.
Behandlung & Therapie
Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig und müssen dem jeweiligen Auslöser für die Kleinwüchsigkeit angepasst werden. Im Falle einer nicht ausreichenden Produktion des Wachstumshormons Somatropin, für die normalerweise die Hirnanhangdrüse verantwortlich ist, kann diese durch die Zuführung von künstlich hergestelltem Somatropin ausgeglichen werden und in vielen Fällen zu einem normalen Wachstum des Kindes führen.
Allerdings muss dazu die Kleinwüchsigkeit bereits in einem frühen Stadium diagnostiziert und eine Therapie schon in sehr jungem Alter eingeleitet werden, da eine Behandlung nach dem Schließen der Wachstumsfugen nicht mehr anschlagen würde. In anderen Fällen kann auch Krankengymnastik zu einer Verbesserung des Wachstums führen. Wurde eine Therapie zu spät begonnen oder ist eine Behandlung der Kleinwüchsigkeit schlicht nicht möglich, besteht darüber hinaus die Möglichkeit eine operative Verlängerung der Arme und Beine vorzunehmen, die den Patienten bis zu 20 cm größer machen kann.
Dabei werden zunächst Arme und Beine gebrochen, die dann mithilfe von Schienen miteinander verbunden werden, um die Knochen so künstlich in die Länge zu ziehen. Dies ist allerdings sehr langwierig und mit großen Unannehmlichkeiten verbunden, da häufig mehr als zehn Operationen nötig sind, um zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu gelangen und die Kleinwüchsigkeit zu besiegen.
Aussicht & Prognose
Menschen, bei denen eine Kleinwüchsigkeit diagnostiziert wurde, erhalten in den meisten Fällen eine ungünstige Prognose. Letztlich richtet sich der Krankheitsverlauf jedoch nach der ursächlichen Störung. Grundsätzlich gilt, dass keine Linderung der Beschwerden stattfinden wird, wenn eine medizinische Behandlung abgelehnt wird.
Basiert die Kleinwüchsigkeit auf einer mangelhaften Produktion des Wachstumshormons Somatropin, kann dies in einer medizinischen Behandlung zugeführt werden. Entscheidend für die Genesung ist dabei die frühzeitige Diagnosestellung. Eine Veränderung der Körpergröße ist innerhalb des Wachstumsprozesses eines Kindes oder Jugendlichen möglich. Werden die Arzneien während des Entwicklungsprozesses verabreicht, besteht die Aussicht, eine Normalgröße zu erreichen.
Bei den meisten Patienten ist auch durch die Gabe von Medikamenten mit keiner Beschwerdefreiheit zu rechnen. Die Kleinwüchsigkeit ist keine eigenständige Erkrankung, sondern wird als in einer Vielzahl der Fälle als Symptom einer vorhandenen Grunderkrankung festgestellt. Diese ist oftmals schwerwiegend und muss medizinisch versorgt werden. Das körperliche Wachstum wird bei der Erstellung des Behandlungsplans berücksichtigt, kann jedoch häufig nicht in der Form verändert werden, dass eine Normalgröße des Patienten erreicht wird.
Bei vielen Betroffenen treten aufgrund der körperlichen Auffälligkeiten verschiedene Folgeerkrankungen auf. Es kommt zu seelischen und emotionalen Beeinträchtigungen, die im weiteren Verlauf die Auftretenswahrscheinlichkeit einer psychischen Störung erhöhen.
Vorbeugung
So oder so haben es Menschen mit Kleinwüchsigkeit schwerer im Leben als Menschen jenseits der "Einsvierzig", sei es im Beruf, in der Ausbildung oder im Alltag. Trotz positiver Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten sind Menschen mit Kleinwüchsigkeit noch immer Ziel von Diskriminierung und Vorurteilen.
Nachsorge
Die Nachsorge bezweckt unter anderem das erneute Auftreten einer Erkrankung zu verhindern. Dieses kann bei Kleinwüchsigkeit allerdings nicht zielführend sein. Die Erkrankung ist ab der Volljährigkeit nicht mehr behebbar. Lediglich bei Heranwachsenden lässt sich das Wachstum unter Umständen beeinflussen.
So verspricht etwa eine Hormontherapie Erfolg. Kleinwüchsigkeit hat zudem auch keine zwingende Auswirkung auf die Lebenserwartung. Vielfach gibt es keinen Grund für medizinische Maßnahmen. Problematiken, die aus einer Kleinwüchsigkeit entstehen, betreffen meist den psychosozialen Bereich. Erleben Personen Ausgrenzung sowie berufliche und private Nachteile, entsteht oft ein seelisches Ungleichgewicht.
Im Rahmen einer Therapie werden Betroffene angeleitet, neues Selbstbewusstsein zu erlernen und andere Lebensperspektiven zu erfahren. Ein weiters Ziel der Nachsorge, nämlich Alltagsunterstützung durch Hilfsmittel bereitzustellen, ist meist auch nicht notwendig. Wohnungsausstattungen und Arbeitsplätze lassen sich an das Körpermaß der Kleinwüchsigen anpassen. Arbeitgeber erhalten bei der Integration finanzielle Unterstützung durch den Staat.
Anders als eine Tumorerkrankung bringt Kleinwüchsigkeit somit meist keine Nachsorge mit sich. Die Lebenserwartung betroffener Menschen muss nicht vermindert sein. Körperliche Beschwerden sind nicht zwingend zu erwarten. Patienten können einen normalen Alltag bewältigen. Konflikte resultieren aus psychosozialen Nachteilen und lassen sich durch eine begleitende Therapie bewältigen.
Das können Sie selbst tun
Mit einer gesunden Lebensweise, einer ausgewogenen Ernährung und ausreichender Bewegung, steigt im Allgemeinen die Lebenszufriedenheit immens an. Darüber hinaus sind ein stabiles soziales Umfeld, regelmäßige Freizeitaktivitäten und eine berufliche Anerkennung wichtig, um die alltäglichen Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Eine emotionale Festigkeit und verschiedene Strategien zur Überwindung von seelischen Hindernissen helfen ebenfalls dabei, eine anhaltende Lebensfreude zu erleben. Mit einem starken Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl ist es vielen Betroffenen der Kleinwüchsigkeit möglich, die körperlichen Themen zu bewältigen.
Im Alltag ist es hilfreich, wenn die Inneneinrichtung oder Fortbewegungsmittel auf die Bedürfnisse des Erkrankten angepasst werden. Dies ermöglicht ein selbständiges Leben, das weitestgehend frei von der Abhängigkeit anderer Menschen gestaltet werden kann. Der Austausch mit anderen Kleinwüchsigen kann zusätzlich hilfreich sein, um sich gegenseitig zu stärken oder wichtige Hinweise und Tipps zu erhalten. Grundsätzlich kann es förderlich sein, die Kleinwüchsigkeit nicht als Entscheidungskriterium für ein erfülltes Leben zu sehen.
Quellen
- Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014