Asthenische Persönlichkeitsstörung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Asthenische Persönlichkeitsstörung

Unter einer Persönlichkeitsstörung wird ein psychiatrisches Krankheitsbild verstanden, bei dem das Verhalten von Betroffenen deutlich von der Norm abweicht und sich in starren, immer wiederkehrenden Verhaltensmustern äußert. Eine Form dieser psychiatrischen Erkrankung ist die asthenische Persönlichkeitsstörung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine asthenische Persönlichkeitsstörung?

Wie bei jedem psychiatrischen Krankheitsbild geht man davon aus, dass auch die asthenische Persönlichkeitsstörung aus einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren entsteht. Genetische, psychische und umweltbedingte Faktoren spielen hierbei eine Rolle.
© koldunova_anna - stock.adobe.com

In der Fachliteratur werden für die asthenische Persönlichkeitsstörung synonym auch die Begriffe abhängige Persönlichkeitsstörung verwendet. Patienten mit dieser Störung übernehmen nur selten Eigenverantwortung und ordnen sich zumeist anderen unter. Ein passives Verhalten und Unterwürfigkeit gegenüber Mitmenschen ist zu beobachten.

Menschen mit dieser Erkrankung haben wenig Selbstwertgefühl und geben die Verantwortung gerne an andere Menschen ab. Dies impliziert ein geringes Maß an Eigenreflexion und Selbstkritik, so dass Fehler nicht im eigenen Verhalten, sondern immer bei anderen gesucht werden. Die Grundstimmung dieser Menschen ist als ängstlich-depressiv zu beschreiben, sie leiden vermehrt unter Trennungsängsten, fühlen sich hilflos und zerstört, wenn eine Beziehung scheitert.

Ursachen

Wie bei jedem psychiatrischen Krankheitsbild geht man davon aus, dass auch die asthenische Persönlichkeitsstörung aus einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren entsteht. Genetische, psychische und umweltbedingte Faktoren spielen hierbei eine Rolle. In der Psychoanalytik geht die Forschung davon aus, dass die Ursache dieser Störung sich bereits in der frühen Kindheit manifestiert.

Kinder, die in einem besonders behüteten und gleichzeitig autoritärem Elternhaus aufwachsen, sind häufiger von dieser Erkrankung betroffen. Die Eltern trauen ihren Kindern wenig zu, tragen wenig zum Loslösen des Kindes von den Eltern bei und binden ihre Kinder durch strenge Regeln und autoritäre Vorgaben an sich. Dies hat zur Folge, dass die Kinder kein eigenes Selbstkonzept aufbauen können und sich von ihren Eltern abhängig fühlen.

Maximiert wird dies dadurch, wenn Eltern das für sie abhängige Verhalten positiv verstärken und unabhängige Verhaltensweisen der Kinder bestrafen. Verhalten sich die Eltern oder ein Elternteil bereits nach demselben Muster, so geben sie diese Verhaltensweisen an ihre Kinder weiter, indem sie als Modell fungieren. Kinder können so kein Vertrauen in sich selbst entwickeln, erleben sich selber als unwirksam und auf den Schutz und die Unterstützung anderer Menschen angewiesen.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Betroffene mit einer asthenischen Persönlichkeitsstörung können anderen Menschen gegenüber kaum eine eigene Meinung vertreten. Ohne den Rat und die Bestätigung ihrer Umwelt fällt es ihnen schwer, eigene Entscheidungen zu treffen. Menschen mit diesem Krankheitsbild haben kein Vertrauen in sich selbst, so dass Entscheidungen nicht aus eigenem Antrieb heraus gefällt werden können.

Kennzeichnend ist weiterhin die Angst vor dem Alleinsein oder dem Verlassen werden. Selbst unangenehme Aufgaben werden übernommen, nur um anderen zu gefallen. Kommt es dann dennoch zu Trennungen innerhalb von Beziehungsgefügen, so fühlen sich Erkrankte hilflos, minderwertig, innerlich leer und unzulänglich. Sie wollen anderen gefallen und stellen aus diesem Grund eigene Wünsche und Bedürfnisse zurück, würden sich immer wieder unterordnen.

Diagnose & Verlauf

Wie bei jeder anderen psychiatrischen Störung auch erfolgt die Diagnosestellung im Rahmen einer ausführlichen Anamnese. Hierzu wird der behandelnde Arzt selber mit dem Patienten sprechen und ihm Fragen bezüglich seiner Lebensumstände und der persönlichen Biografie stellen. In diesem Rahmen können auch Angehörige befragt werden.

Dies ist dahingehend vorteilhaft, da sie Patienten in seinem Alltag erleben und im Rahmen der Fremdanamnese Auskunft erteilen können, wenn der Patient dies wünscht. Ein besonderes Augenmerk wird in jedem Fall auf die Kindheit des Patienten und die damalig herrschenden Abhängigkeitsstrukturen gelegt werden. Der Verlauf der Krankheit wird positiv beeinflusst, wenn die Betroffenen diese erkennen und sich in eine psychiatrische Therapie begeben.

Komplikationen

Menschen mit asthenischer Persönlichkeitsstörung fällt es in der Regel schwer, ihre eigenen Bedürfnisse zu äußern. Dadurch bleiben diese Bedürfnisse oft unerfüllt. Häufig liegt diesem Schweigen über eigene Wünsche und Interessen die Angst zugrunde, von anderen abgelehnt zu werden. In einigen Fällen kann sich darauf eine zusätzliche Angststörung entwickeln, zum Beispiel eine soziale Phobie mit Bewertungsangst.

Die Neigung, Verantwortung abzulehnen, kann soziale Komplikationen nach sich ziehen. Vor allem im Beruf und in einer Partnerschaft wird diese Haltung zum Teil als Lustlosigkeit oder Desinteresse missverstanden. Partner und Kollegen gewinnen möglicherweise auch den Eindruck, der Betroffene wolle Aufgaben aus dem Weg gehen.

Insbesondere in einer Liebesbeziehung besteht dabei die Gefahr, dass eine Ungleichheit zwischen den Partnern entsteht. Oft leiden die nächsten Angehörigen indirekt unter der asthenischen Persönlichkeitsstörung des Betroffenen. Soziale Konflikte sind dadurch ebenfalls wahrscheinlich.

Eine weitere Komplikation, die häufig auftritt, ist Depression. Die Depression entsteht oft dadurch, dass die eigentlichen Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Durch den Mangel an Eigeninitiative halten sich Betroffene oft für unwichtig und überflüssig. Aus dem Abhängigkeitsverhältnis mit einer anderen Person können außerdem Schuldgefühle entstehen, die ebenfalls zur Depression beitragen.

Die asthenische Persönlichkeitsstörung geht außerdem oft mit einer anderen Persönlichkeitsstörung einher. Häufig handelt es sich dabei um die emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ oder die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Sobald die Abhängigkeit von anderen Personen das Ausmaß einer Störung erreicht, ist eine Behandlung sinnvoll. Durch frühe Interventionen lassen sich oftmals Komplikationen verringern. Auch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Behandlung ist günstiger, wenn sich Erlebens- und Verhaltensmuster noch nicht zu stark verfestigt haben.

Häufig suchen asthenische Persönlichkeiten erst dann professionelle Hilfe, wenn sich Beziehungsprobleme einstellen oder der Leidensdruck sehr groß ist. Im Zweifelsfall kann ein diagnostisches Gespräch mit einem Psychiater oder Psychotherapeuten Klärung bringen.

Wenn die Abhängigkeit vom Partner problematisch ist, aber (noch) nicht die Schwelle zur asthenischen Persönlichkeitsstörung überschritten hat, kann bereits eine Beratung positive Effekte bewirken. Sowohl Einzel- als auch Paarberatungen kommen in diesem Fall in Betracht.

Asthenische Persönlichkeiten können sich an einen Psychotherapeuten wenden, um eventuell einen Therapieplatz zu erhalten. Approbierte Psychotherapeuten sind grundsätzlich in der Lage, Persönlichkeitsstörungen zu behandeln. Einige Therapeuten haben sich jedoch auf Persönlichkeitsstörungen oder partnerschaftliche Probleme spezialisiert und können ebenfalls kontaktiert werden. Alternative Behandlungsformen bieten Heilpraktiker mit beschränkter Zulassung („Heilpraktiker für Psychotherapie“) an. Letztere werden jedoch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.

Neben der psychotherapeutischen Behandlung kommen auch medizinische Behandlungsmethoden in Betracht. Eine psychiatrische Behandlung kann beispielsweise durch den Einsatz von Antidepressiva oder angstlindernden Psychopharmaka weitere Symptome verringern, die bei der asthenischen Persönlichkeitsstörung typischerweise ebenfalls auftreten.

Behandlung & Therapie

An erster Stelle in der Behandlung der asthenischen Persönlichkeitsstörung steht die Psychotherapie. Oft suchen Betroffene einen Therapeuten auf, wenn sie sich hilflos und am Ende fühlen, oft nach dem Verlust eines nahe stehenden Menschen oder nach einer Trennung. Vornehmliches Ziel des Behandlers ist es dann, das Selbstbewusstsein des Erkrankten zu stärken und ihm zu ermöglichen, ein positives Selbstkonzept aufzubauen.

Die Eigenverantwortung und verschiedene Alltagskompetenzen des Patienten werden in einer solchen Therapie gestärkt, so dass der Betroffene Vertrauen in sich selbst fasst und eigene soziale Handlungskompetenz erlangt. Im Bereich der Psychoanalyse werden dem Patienten Stück für Stück die unbewussten inneren Konflikte der Kindheit bewusst gemacht mit dem Ziel diese aufzulösen.

Der Patient lernt dadurch, eigene Wünsche, Interessen und Bedürfnisse wahrzunehmen und diese auch zu vertreten. Auch eine Gruppentherapie kann bei asthenisch gestörten Persönlichkeiten nachhaltige Erfolge erzielen. Der Betroffene erkennt, dass er mit seinen Problemen nicht alleine ist und auch andere Menschen mit denselben Problemen zu kämpfen haben.

In der Gruppe lernen die Patienten ihre Position und Befindlichkeit dem anderen gegenüber zu kommunizieren. Sie erfahren, wie andere mit ihren Problemen umgehen und können so selbstbewusster auftreten. Unter Umständen wird der Arzt bei dieser Art der Persönlichkeitsstörung auch Psychopharmaka verschreiben. Dies ist der Fall, wenn mit der asthenischen Persönlichkeitsstörung eine Depression einhergeht. Neuroleptika werden dann eingesetzt, wenn mit der Erkrankung eine Angststörung verbunden ist.

Aussicht & Prognose

Die asthenische Persönlichkeitsstörung dauert in der Regel viele Jahre an. Fachleute stellen die Diagnose erst, wenn sich die Symptome mindestens zwei Jahre lang zeigen. Menschen, die unter einer asthenischen Persönlichkeitsstörung leiden, suchen oft nicht von sich aus einen Arzt oder Therapeuten auf. Dadurch kann sich der Behandlungsbeginn deutlich verzögern. Im Rahmen einer Psychotherapie können Betroffene lernen, mit ihren Verlustängsten und ihrem unterwürfigen Verhalten besser umzugehen.

Dennoch geht die allgemeine Prognose von einer durchschnittlichen Verminderung der Symptome aus. Die meisten Betroffenen leiden vor allem im jungen Erwachsenenalter stark unter ihrer Persönlichkeitsstörung. Im mittleren und höheren Alter verringert sich der Einfluss der psychischen Erkrankung jedoch in vielen Fällen.

Unter ungünstigen Bedingungen, zum Beispiel bei einem sehr instabilen Umfeld und hohem Stress, kann die asthenische Persönlichkeitsstörung trotz zunehmendem Alter gleich bleiben. Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit dafür, neben einer Persönlichkeitsstörung unter einer weiteren psychischen Krankheit zu leiden, sehr groß. Die individuelle Prognose kann im Einzelfall von den allgemeinen Erwartungen und Tendenzen stets abweichen.

Auch positive Verläufe sind jedoch möglich. Lange Zeit galten Persönlichkeitsstörungen als nicht behandelbar: Die Therapie konzentrierte sich auf die Behandlung von Symptomen, Sozialkompetenzen und eine allgemeine Stabilisierung des Patienten. Neuere Studien weisen jedoch darauf hin, dass eine Psychotherapie auch zu umfassenden Erfolgen führen kann.


Vorbeugung

Da die Ursache dieser Persönlichkeitsstörung meist in der Kindheit begründet liegt, sind vorbeugende Maßnahmen schwer zu treffen. Rechtzeitige Gespräche mit vertrauten Personen bei auffälligem Verhalten können spätere schwerwiegende Probleme verhindern. Wichtig ist dem Gefährdeten zu ermöglichen, ein positives und stabiles Selbstwertgefühl aufbauen zu können.

Nachsorge

Die asthenische Persönlichkeitsstörung verschwindet auch mit einer Psychotherapie oft nicht vollständig, doch eine Therapie kann dabei helfen, die Symptome deutlich zu verbessern. Der Übergang zwischen einer asthenischen (abhängigen) Persönlichkeitsstörung und einem anhänglichen Persönlichkeitsstil ist fließend.

Für die Nachsorge ist es deshalb wichtig, dass Patienten ihr eigenes Verhalten immer wieder selbstkritisch hinterfragen, um die Grenze zur Persönlichkeitsstörung nicht zu überschreiten. Es kann sinnvoll sein, dabei auch das Feedback des Partners oder anderer Bezugspersonen einzubeziehen, um die Situation realistisch einzuschätzen.

Nach einer abgeschlossenen Psychotherapie sollten asthenische Persönlichkeiten das Gelernte weiterhin in die Praxis umsetzen. Insbesondere Beziehungskrisen stellen oft eine Herausforderung für die Betroffenen dar. Asthenische Persönlichkeiten können sich bei der Nachsorge darüber hinaus bemühen, ihre sozialen Kompetenzen weiterhin zu verbessern und insgesamt selbstsicherer zu werden.

Andere psychische Krankheiten treten oft gemeinsam mit der asthenischen Persönlichkeitsstörung auf und müssen bei der Nachsorge berücksichtigt werden. Vor allem ein Rückfall in eine Depression oder Angststörung kann das Risiko für ein Erstarken der asthenischen Persönlichkeitsstörung erhöhen.

Wenn eine asthenische Persönlichkeit Medikamente einnimmt, sollte sie diese nach dem Therapieende nicht eigenständig absetzen. Stattdessen sollte sie diesen Schritt mit dem behandelnden Arzt besprechen. In einigen Fällen werden Medikamente im Rahmen der Rückfallprophylaxe bei Begleiterkrankungen wie Depressionen und Angststörungen eingesetzt.

Das können Sie selbst tun

Das tiefgreifende Muster, das der asthenischen Persönlichkeitsstörung zugrunde liegt, wird vor allem psychotherapeutisch aufgearbeitet. Unterstützend können Betroffene verhaltenstherapeutische Übungen zu Hause durchführen. Das Reflektieren in der Therapie bewusstgemachter Denk- und Verhaltensweisen hilft, alte Muster zu erkennen, zu überwinden sowie neue zu erlernen.

Betroffene sollten ihre Aufmerksamkeit auf ihre Bedürfnisse lenken und einüben, ihre Meinung anderen gegenüber zu vertreten, anstatt sich aufgrund von Unsicherheit übermäßig anzupassen. Das bewusste Ziehen von Grenzen stärkt das Selbstbewusstsein und verhindert, in erneute Abhängigkeit zu geraten.

Um Ängste zu überwinden, die mit der asthenischen Persönlichkeitsstörung einher gehen können, sollten Expositionsübungen auch außerhalb des therapeutischen Settings immer wieder durchgeführt werden. Das gilt auch für typisches Vermeidungsverhalten, wie etwa Konflikten aus dem Weg zu gehen.

Ratsam ist es außerdem, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. In Internetforen oder Selbsthilfegruppen finden asthenische Persönlichkeiten Unterstützung und Motivation, an ihren Problemen zu arbeiten. Wichtig ist, das Durchhaltevermögen zu stärken, denn die Gefahr in alte Muster zurückzufallen ist groß, ganz besonders nach Rückschlägen. In der Gruppe werden asthenische Persönlichkeiten aufgefangen und gestärkt, ihren Weg unbeirrt fortzusetzen.

Quellen

  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Möller, H.-J.: Therapie psychischer Erkrankungen. Thieme, Stuttgart 2006
  • Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013

Das könnte Sie auch interessieren