Bickerstaff-Enzephalitis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 22. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Bickerstaff-Enzephalitis handelt es sich um eine Krankheit, die mit einer Entzündung im Hirnstamm einhergeht. Zudem sind die Nerven des Gehirns durch die Bickerstaff-Enzephalitis beeinträchtigt, sodass die Patienten meist schwerwiegende Störungen des Bewusstseins erleiden. In letzter Zeit untersucht die Medizin vermehrt den Zusammenhang zwischen der Bickerstaff-Enzephalitis und dem Miller-Fisher-Syndrom.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Bickerstaff-Enzephalitis?

Bei der Bickerstaff-Enzephalitis ist der Hirnstamm entzündet und die Hirnnerven beeinträchtigt.
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Die Erstbeschreibung der Bickerstaff-Enzephalitis erfolgte im Jahr 1951 durch den Mediziner Edwin Bickerstaff. Grundsätzlich stellt die Bickerstaff-Enzephalitis eine selten vorkommende Ausprägung der Enzephalitis dar. Vermutungen zufolge findet sich die Ursache der Bickerstaff-Enzephalitis in körpereigenen Antikörpern, die sich gegen den Hirnstamm richten. In der Folge davon schwillt der Hirnstamm deutlich an.

In manchen Fällen betrifft die Bickerstaff-Enzephalitis zudem das periphere Nervensystem. Zunächst verspüren die an der Bickerstaff-Enzephalitis erkrankten Patienten Symptome, die denen einer Grippe ähneln. So fühlen sich die Personen matt und abgeschlagen, sind müde und leiden an Kopfschmerzen. Zudem besteht meist mehr oder weniger starkes Fieber.

Im weiteren Verlauf der Bickerstaff-Enzephalitis ergeben sich ernsthafte Beeinträchtigungen in der Funktion des Hirnstamms. Von diesen Störungen sind in erster Linie die Hirnnerven betroffen. Dadurch ergeben sich Lähmungen im Gesicht, das Sehen von Doppelbildern sowie Störungen des Schluckvorgangs. Zusätzlich erleiden die an der Bickerstaff-Enzephalitis erkrankten Menschen Ataxien und erleben Beeinträchtigungen des Bewusstseins.

Der oft schwere Verlauf der Bickerstaff-Enzephalitis erfordert meist eine intensive Betreuung der Patienten. Der Heilungsprozess erstreckt sich mindestens über einige Monate, dauert teilweise aber länger als ein Jahr. Dennoch stellt sich beim überwiegenden Teil der Patienten mit Bickerstaff-Enzephalitis schließlich eine komplette Genesung ein.

Ursachen

Wie die Bickerstaff-Enzephalitis genau entsteht, ist aktuell noch nicht erforscht. Grundsätzlich identifizieren Ärzte bei den Patienten mit Bickerstaff-Enzephalitis jedoch einen speziellen Antigangliosid-Antikörper, der auch als ‚anti-GQ1b‘ bekannt ist. Forscher vermuten, dass die Bickerstaff-Enzephalitis durch eine Infektion der Luftwege oder des Magen-Darm-Trakts in den Organismus eindringt.

Dadurch entstehen vermutlich die ursächlichen Antikörper. Diese richten sich nicht nur gegen externe Erreger, sondern auch gegen das körpereigene Gewebe der Nerven. Denn diese Nervenstrukturen ähneln den Antigenen zum Teil. Möglich sind aber auch Lymphome sowie Infektionen mit Viren.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome der Bickerstaff-Enzephalitis äußern sich auf verschiedene Weise. Am Anfang der Erkrankung erleiden die Patienten oftmals eine Ataxie. Dabei weisen die Personen Störungen der Motorik auf, zeigen einen unsicheren Gang und generell beeinträchtigte Bewegungen. Auch entwickelt sich oft eine Ophthalmoplegie, wobei die inneren und äußeren Muskeln der Augen gelähmt sind.

Die Patienten mit Bickerstaff-Enzephalitis sehen Doppelbilder oder verschwommen und unscharf. Zudem ist der Lidschluss beeinträchtigt. Zusätzlich entwickeln sich meist Störungen des Sprachvermögens. Einige Patienten fallen im weiteren Verlauf der Bickerstaff-Enzephalitis ins Koma.

Durch die Bickerstaff-Enzephalitis sind lange Nervenleitungen betroffen, die sich durch den Hirnstamm ziehen. Dadurch entwickeln sich Störungen an den Eigenreflexen der Muskulatur. Zudem zeigen sich sogenannte Pyramidenbahnzeichen, etwa im Zusammenhang mit dem Babinski-Reflex. Meist verstärken sich die Beschwerden der Bickerstaff-Enzephalitis über einen Zeitraum von einer Woche bis zu einem Monat.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose der Bickerstaff-Enzephalitis ist unbedingt von einem Facharzt zu stellen, an den der Allgemeinarzt den Patienten nach einer ersten Begutachtung der Beschwerden überweist. Die Anamnese fragt vor allem nach dem Beginn der Symptome der Bickerstaff-Enzephalitis sowie möglicherweise vorangegangenen leichten Infektionen.

Die klinische Untersuchung konzentriert sich zu Beginn auf bildgebende Verfahren. Dabei setzt der Arzt meist eine MRT-Untersuchung ein. Denn dadurch sind Entzündungen in der Gegend von Mittelhirn, Brücke und Thalamus feststellbar. Auch das Nervenwasser untersucht der Arzt mittels labortechnischer Analysen. Dabei sind leicht gesteigerte Konzentrationen von Entzündungszellen sowie Gangliosid-Antikörper nachweisbar.

Eine sichere Diagnose der Bickerstaff-Enzephalitis ist jedoch nur schwer möglich. Denn die Bickerstaff-Enzephalitis weist starke Ähnlichkeiten zum Guillain-Barré-Syndrom sowie dem Miller-Fisher-Syndrom auf. Deshalb erhalten diese beiden Syndrome bei der Differentialdiagnose besondere Beachtung.

Komplikationen

Da die Bickerstaff-Enzephalitis eine Entzündung im Hirnstamm verursacht und darüber hinaus die Nervenfunktionen des Gehirns beeinträchtigt, leiden die meisten Patienten an schwerwiegenden Bewusstseinsstörungen. Weitere Komplikationen stellen sich bei Beteiligung des peripheren Nervensystems ein. Die Symptome erscheinen zuerst harmlos, da sie denen einer Grippe ähneln.

Die Betroffenen fühlen sich müde und abgeschlagen, klagen über Kopfschmerzen und hohes Fieber. Bei fortschreitendem Krankheitsverlauf stellen sich ernsthafte Beeinträchtigungen der Hirnstammfunktion und der Hirnnerven ein. Durch diese Komplikationen ergeben sich Störungen beim Schluckvorgang und Lähmungen im Gesicht.

Der Patient sieht Doppelbilder, erlebt Beeinträchtigungen des Bewusstseins sowie Probleme bei der Bewegungskoordination und beim Sprechen. Da die langen Nervenleitungen im Hirnstamm beteiligt sind, entwickeln sich gestörte Eigenreflexe der Muskulatur. Weitere potentielle Begleiterscheinungen sind Lähmungen der inneren und äußeren Augenmuskeln sowie ein beeinträchtigter Lidschluss. Patienten mit Bickerstaff-Enzephalitis bemerken die ersten Symptome in der Regel innerhalb von vier Wochen.

Bei schwerem Krankheitsverlauf können sich die eindeutigen Symptome bereits nach einer Woche einstellen. Wird die Bickerstaff-Enzephalitis rechtzeitig erkannt, fällt die Prognose vergleichsweise positiv aus. Medikamentöse Therapien mit Immunglobulinen und Wirkstoffen aus der Gruppe der Corticosteroide können die Symptome und Beschwerden mildern beziehungsweise ganz beseitigen.

Bei einigen Patienten ist das erneute Erlernen einzelner Bewegungen im Rahmen einer Rehabilitationstherapie notwendig. Ohne Behandlung verläuft die Bickerstaff Enzephalitis tödlich.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei der Bickerstaff-Enzephalitis handelt es sich um eine selten auftretende Form der Gehirnentzündung, bei der der Hirnstamm stark anschwillt und die Hirnnerven in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Bickerstaff-Enzephalitis muss deshalb unbedingt ärztlich behandelt werden, da andernfalls Langzeitschäden am Gehirn und im schlimmsten Fall der Tod drohen. Keinesfalls sollten die Symptome alleine mit Hausmitteln oder freiverkäuflichen Medikamenten therapiert werden.

Die Bickerstaff-Enzephalitis macht sich meist durch eine Störung der Bewegungskoordination bemerkbar. Viele Patienten zeigen zunächst einen unsicheren Gang. Kurze Zeit später stellen sich auch andere Beeinträchtigungen der Motorik, insbesondere Schwierigkeiten beim Schreiben oder Greifen ein. Personen, die solche Anzeichen an sich bemerken, sollten unverzüglich einen Arzt aufsuchen.

Diese Symptome sind zwar noch kein ausreichendes Indiz für eine Bickerstaff-Enzephalitis, sollten aber trotzdem unbedingt abgeklärt werden. Beschwerden dieser Art sind nur selten harmlos, so dass ein Arztbesuch in jedem Fall dringend anzuraten ist. Dies gilt auch dann, wenn diese Symptome nur vorübergehend bemerkt werden und hierfür kein Grund, wie zum Beispiel exzessiver Alkoholkonsum, erkennbar ist.

Behandlung & Therapie

Die Bickerstaff-Enzephalitis kommt relativ selten vor, sodass in der heutigen Zeit noch kaum wirksame Behandlungsmöglichkeiten erprobt sind. Zudem fehlen entsprechende Studien, die den Erfolg verschiedener therapeutischer Maßnahmen bezüglich der Bickerstaff-Enzephalitis vergleichen. Wegen der Parallelen, die die Bickerstaff-Enzephalitis zu anderen Krankheiten mit Gangliosid-Antikörpern aufweist, erhalten die Patienten oft eine medikamentöse Therapie mit Immunglobulinen.

Außerdem kommt eine sogenannte Plasmapherese zum Einsatz. Dabei zeigen sich in einzelnen Fällen positive Effekte auf den Verlauf der Bickerstaff-Enzephalitis. Auch weitere medizinische Wirkstoffe aus der Gruppe der Kortikosteroide kommen zur Behandlung der Bickerstaff-Enzephalitis zur Anwendung. Die Immunglobuline verabreicht der Arzt in der Regel mittels intravenöser Injektionen, um die Wirksamkeit zu erhöhen.

Die Prognose der Bickerstaff-Enzephalitis steht bei einer rechtzeitigen und adäquaten medikamentösen Behandlung vergleichsweise positiv. Allerdings ist es bei einigen Patienten erforderlich, dass sie im Rahmen der Rehabilitation spezielle Bewegungen erneut lernen.

Aussicht & Prognose

Obwohl die Bickerstaff-Enzephalitis eine schwerwiegende Erkrankung darstellt, kann sie jedoch in der Regel sehr gut behandelt werden. In ungefähr 50 Prozent der Fälle heilt die Enzephalitis nach der Therapie wieder vollständig aus. Bei den anderen Patienten bleiben Restsymptome zurück, die abhängig sind vom Ausmaß der vorangegangenen Schädigungen der Hirnnerven.

Wie bereits erwähnt, greift das Immunsystem körpereigene Proteine des Nervensystems an, sodass es zur Zerstörung von Hirnnerven kommt. Durch den Einsatz von Immunglobulinen und Kortikosteroiden werden die Autoimmunprozesse gestoppt. Die Nerven des Hirnstamms können sich wieder erholen. Mögliche Restsymptome beruhen auf der Zerstörung von Strukturen, die nur schwer wieder aufgebaut werden können.

Nach der Immuntherapie beginnt die Zeit der Rehabilitation. Manche Patienten müssen in dieser Phase verloren gegangene Bewegungsabläufe wieder neu erlernen. Auch bei diesen Patienten ist die Prognose jedoch meist gut. Die Länge der Rehabilitationsphase ist allerdings auch abhängig von dem Ausmaß der Schäden. Sie kann sich über Monate oder auch Jahre hinziehen. In der Regel bleiben allerdings auch nach schweren Verläufen oft vergleichsweise geringe Restsymptome wie leichte Bewegungseinschränkungen oder leichte Schluckbeschwerden zurück.

Ohne Behandlung ist die Prognose jedoch sehr schlecht. Die Krankheit schreitet immer weiter voran. Von alleine heilt sie nicht aus. Daher führt die Bickerstaff-Enzephalitis ohne Therapie immer zum Tod.


Vorbeugung

Eine gezielte Vorbeugung der Bickerstaff-Enzephalitis gestaltet sich relativ schwierig. Die Bickerstaff-Enzephalitis nimmt ihren Anfang meist mit einer leichten Infektion infolge des Eintritts der Krankheitserreger in den Körper. Auf diese Infektion besteht jedoch außer der Einhaltung normaler hygienischer Standards kaum eine Einflussmöglichkeit. Bei deutlichen Beschwerden der Bickerstaff-Enzephalitis ist sofort ein geeigneter Arzt zu konsultieren, damit rechtzeitig eine intensivmedizinische Therapie der Bickerstaff-Enzephalitis erfolgt.

Nachsorge

Eine Nachsorge ist bei der Bickerstaff-Enzephalitis in den meisten Fällen nicht möglich. Die Krankheit kann nicht immer vollständig geheilt werden, sodass der Betroffene an starken Störungen des Bewusstseins und damit an deutlichen Einschränkungen im Alltag leidet. Da die Krankheit selbst in der Regel mit Hilfe von Medikamenten behandelt wird, ist auf eine regelmäßige Einnahme dieser zu achten.

Nur dadurch kann sich eine Besserung einstellen. Ebenfalls können Injektionen verabreicht werden. Eventuell müssen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten mit dem Arzt besprochen werden. Weiterhin müssen viele Betroffene der Bickerstaff-Enzephalitis einige Alltagsbewegungen erneut erlernen.

Dafür stehen dem Patienten Maßnahmen der Physiotherapie zur Verfügung, bei welchen die Beweglichkeit des Körpers und der Extremitäten wieder gesteigert wird. Einige Übungen können dabei auch im eigenen Zuhause mit Hilfe der Familie oder von Freunden durchgeführt werden. Im Falle von Schluckbeschwerden ist der Betroffene eventuell auf eine künstliche Ernährung oder auf die Hilfe anderer Menschen in seinem Alltag angewiesen.

Im Allgemeinen wirkt sich eine liebevolle Pflege sehr positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus. Da die Bickerstaff-Enzephalitis auch zu psychischen Beschwerden oder zu Depressionen führen kann, ist auch der Besuch eines Psychologen hilfreich. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen kann sich positiv auf die Krankheit auswirken.

Das können Sie selbst tun

Bereits bei den ersten Beeinträchtigungen oder Störungen sollte ein Arzt aufgesucht werden. Gangunsicherheiten, das Sehen von Doppelbildern oder Störungen des Sprachvermögens sind alarmierende Anzeichen, denen schnellstmöglich nachgegangen werden sollte.

Die Selbsthilfe beginnt bei dieser Erkrankung mit einem Abbruch der alltäglichen Geschäftstätigkeit und einem sofortigen Arztbesuch. Es sollten keine Medikamente eingenommen werden, bis die Rücksprache mit dem Arzt stattgefunden hat. Die eigenverantwortliche Einnahme von Arzneien kann schwerwiegende Komplikationen auslösen und den Gesundheitszustand akut verschlechtern. Die Entzündung der Hirnnerven kann vom Betroffenen mit eigenen Möglichkeiten nicht ausreichend gestoppt werden.

In Zusammenarbeit mit der medizinischen Versorgung ist eine Unterstützung der körpereigenen Abwehrsystem zu empfehlen. Damit der Organismus ausreichende Kapazitäten hat, um Entzündungen zu minimieren oder an deren Fortschritt zu hindern, ist ein stabiles Immunsystem vonnöten. Dies kann mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährung, einem erholsamen Schlaf sowie einer ausreichenden Sauerstoffzufuhr erreicht werden. Die Vermeidung von Schadstoffen wie Nikotin, Alkohol oder Drogen ist dabei elementar. Sie schwächen den Körper und ermöglichen den Krankheitserregern eine weitere Ausbreitung und Vermehrung.

Wissenschaftler stellten fest, dass zudem die mentale Kraft gestärkt werden sollte. Eine grundsätzlich positive Lebenseinstellung und eine stabile Psyche haben einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf und verhindern einige mögliche Komplikationen.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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