Bolustod

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Mediziner sprechen vom so genannten Bolustod, wenn ein zu großer Fremdkörper, meist ein Nahrungshappen, zwischen Kehlkopf und Speiseröhre festsitzt und durch Reizung des oberen Kehlkopfnervs einen reflektorischen Herzstillstand auslöst. Der Begriff „Bolustod“ (bolus death) geht auf das griechische Wort „bolos“ – „Klumpen“ zurück.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Bolustod?

Beim Bolustod tritt als Komplikation der Tod des Patienten ein. In vielen Fällen kann der Tod nicht verhindert werden, wenn der Nerv schon zu stark eingedrückt ist und es zum Herzstillstand kommt.
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Beim Bolustod handelt es sich nicht um Tod durch Ersticken. Im Unterschied zum Aspirieren eines Fremdkörpers, wobei Nahrung oder Gegenstände in die Luftwege geraten, gelangt der Fremdkörper beim Bolustod durch Verschlucken in den Pharynx (Schlund) oder den Ösophagus (Speiseröhre). Wenn der verschluckte Brocken dann im Rachen oder auch im Eingangsbereich des Ösophagus - der Ringknorpel-Enge - stecken bleibt und auf das dortige Nervengeflecht drückt, kann es zu einem reflektorischen Herzstillstand kommen.

Denn dort verlaufen parasympathische Nerven, insbesondere den X. Hirn-Nerv, genannt Nervus Vagus. Der Nervus Vagus ist Teil des Parasympathikus, der dafür verantwortlich ist, den Herzschlag zu verlangsamen. Und wird der Nervus vagus durch einen Fremdkörper extrem gereizt, wird die Herzfrequenz unter Umständen so verlangsamt, dass es zum Herzstillstand und so zum sogenannten Bolustod kommen kann.

Wenn der Fremdkörper in der mittleren oder unteren Speiseröhre feststeckt, liegt ebenfalls ein Notfall vor, unabhängig davon, ob es auffallende Symptome gibt. Denn ein im Ösophagus steckender Fremdkörper kann die Speiseröhre perforieren.

Ursachen

Werden Nahrungsmittel nicht ausreichend gekaut, können absichtlich oder versehentlich Stücke geschluckt werden, die zu groß sind, um den Weg durch den Kehlkopfbereich (Hypopharynx) in die Speiseröhre (Ösophagus) ungehindert zurückzulegen. Dann kann es zu folgendem Pathomechanismus kommen: der feststeckende Fremdkörper reizt die Larynxwand und durch eine überschießende vagale Reaktion kommt es zum Herzstillstand.

Der Nervus laryngeus superior wird im Hals gereizt, ein Ast Nervus Vagus, des X. Hirnnervs des Parasympathicus. Dadurch werden Herz und Kreislauf gedrosselt, es kommt zu einer reflektorischen Bradykardie und darüber zum Herz-Kreislauf-Stillstand. Das Opfer erstickt also nicht an der Nahrung. Der Reflex, der zum plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand führt, wird durch den Fremdkörper verursacht, der im Rachen steckt und auf das Kehlkopf-Nervengeflecht drückt.

Das Nervengeflecht am Kehlkopf wird so sehr gereizt, dass die Herzfrequenz drastisch verlangsamt wird und es zum Herzstillstand kommt. Bei gesunden Erwachsenen ist das Verschlucken zu großer Essensbrocken zwar selten, kommt aber durchaus vor, zum Beispiel bei einem Stück Fleisch. Im Volksmund wird der Bolustod daher auch als Bockwursttod bezeichnet, oder Schlucktod.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Im Gegensatz zum drohenden Bolustod, wo der Patient meist lautlos kollabiert, ringt der Patient bei drohender Erstickung eher geräuschvoll nach Luft und zeigt Anzeichen einer Zyanose (läuft durch die Unterversorgung des Blutes mit Sauerstoff blau an).

Sitzt jemand am Tisch beim Essen, leidet plötzlich unter Atemnot und greift sich an den Hals, ist oft ein Fremdkörper die Ursache. Hat sich ein Nahrungsbrocken (oder auch ein Gebiss) im Rachen verklemmt, kommt es zu plötzlicher Panik, es gibt in der Regel keinen Hustenanfall, höchstens Hüsteln mit sofortiger Atemnot.

Diagnose & Verlauf

Da der Betroffene beim drohenden Bolustod innerhalb weniger Minuten bewusstlos wird, wird sich die Diagnose des Notarztes zunächst auf die Fremdanamnese von Zeugen stützen. Wie auch bei einer kompletten Verlegung der Atemwege ist rasches Handeln vonnöten; es handelt sich um eine lebensbedrohliche Notfallsituation.

Wenn es die Zeit erlaubt, kann der Fremdkörper unter Sicht (Laryngoskop) mit einer Spezialzange entfernt werden. Letztes Mittel der Wahl wäre die Koniotomie (eröffnen der Atemwege in Kehlkopfhöhe, im Volksmund fälschlicherweise als Luftröhrenschnitt bezeichnet). Da das Herz beim drohenden Bolustod innerhalb von Sekunden aufhören kann zu schlagen, muss aber in erster Linie rasch reanimiert werden.

Mehrere Stunden nach Entfernung des Fremdkörpers (zum Beispiel durch „Heimlich-Manöver“) kann der Patient noch unter Dysphagie (Schluckstörungen) leiden. Es muss geschaut werden, ob innere Verletzungen vorliegen oder noch Reste des Fremdkörpers in Kehlkopf oder Speiseröhre verblieben sind. Dies geschieht durch Inspektion des Mund- und Rachenraums und mittels Laryngoskopie (Spiegelung des Kehlkopfs) oder ÖGD (Ösophagogastroduodenoskopie).

Komplikationen

Beim Bolustod tritt als Komplikation der Tod des Patienten ein. In vielen Fällen kann der Tod nicht verhindert werden, wenn der Nerv schon zu stark eingedrückt ist und es zum Herzstillstand kommt. Sollte der Bolustod eintreten, ist eine extrem schnelle Handlung notwendig, um das Leben des Patienten zu retten.

Meistens fällt der Betroffene schon nach nur wenigen Minuten in Ohnmacht und ist nicht mehr ansprechbar. Sollte der Notarzt schnell genug eintreffen, kann der Fremdkörper aus dem Patienten mit Hilfe einer speziellen Zange entfernt werden. In der Regel wird allerdings ein Luftröhrenschnitt durchgeführt. Der Betroffene wird auch reanimiert, damit das Herz wieder schlägt.

Meistens kommt es nach der Behandlung vom Bolustod zu keinen weiteren Komplikationen. Beim Patienten können einige Stunden nach der Operation Störungen und Schmerzen beim Schlucken auftreten, welche allerdings wieder von alleine verschwinden. Durch das Verschlucken des Fremdkörpers kann dieser die Speiseröhre oder den Kehlkopf verletzen.

Ebenso können Stücke des Fremdkörpers dort verbleiben. Diese können dann operativ entfernt werden. Hier kommt es zu keinen weiteren Komplikationen. Beim Bolustod ist eine schnelle Handlung notwendig. Zeugen können den Fremdkörper aus dem Patienten lösen, indem sie ihm kräftige Schläge zwischen den Schulterblättern verpassen. Auch ist die Anwendung des sogenannten Heimlich-Manövers möglich.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei drohendem Bolustod kann das Leben des Betroffenen nur durch extrem schnelles Handeln gerettet werden. Die Frage ob und wann ein Arzt aufgesucht werden soll, stellt sich hier deshalb gar nicht erst. Bei den aller ersten Anzeichen auf drohenden Bolustod muss sofort der Notarzt verständigt werden. Wird der Patient ins Krankenhaus gebracht, verstirbt er meist auf dem Weg dorthin.

Bis zum Eintreffen des Notarztes müssen Erste-Hilfe-Maßnahmen ergriffen werden. Diese sind für das Überleben des Patienten oftmals ausschlaggebend. Sofern der Betroffene bei Bewusstsein ist, sollte er versuchen, den Fremdkörper durch einen Griff in den Rachen zu entfernen. Kann der Fremdkörper nicht erreicht werden, muss eine andere Person versuchen, diesen durch einige kräftige Schläge zwischen die Schulterblätter zu lockern.

Dann kann er oftmals abgehustet werden. Des Weiteren kann versucht werden, den Fremdkörper durch eine Druckerhöhung innerhalb des Bauchraums zu lösen. Besonders effektiv ist das sogenannte Heimlich-Manöver, das aber meist nur ausgebildete Ersthelfer beherrschen. Ereignet sich der Vorfall in einer größeren Gruppe oder an einem öffentliche Ort, sollte gezielt nach Personen gesucht werden, die mit dieser Erste-Hilfe-Technik vertraut sind.

Behandlung & Therapie

Wird ein großer Fremdkörper verschluckt, handelt es sich um eine Notfallsituation: der störende Fremdkörper muss so schnell wie möglich entfernt werden. Ist der Patient bei Bewusstsein, kann manchmal schon ein Griff in den Rachen genügen. Sonst sollte als erste Maßnahme versucht werden, den Fremdkörper mit einigen kräftigen Schlägen zwischen die Schulterblätter zu lösen - am besten mit dem Handballen.

Bleibt dies nach fünf Schlägen erfolglos, kann das „Heimlich-Manöver“ zur Anwendung kommen, bis zu fünf kräftigen Kompressionen im Bereich des Epigastriums. Dabei stellt sich der Ersthelfer hinter den Patienten und legt die eigenen Arme um den oberen Abdomen-Bereich des Patienten, knapp unter dem Rippenbogen. Eine Hand wird am besten zur Faust geballt, die zweite Hand umfasst die Faust.

Dann wird einige Male kräftig und ruckartig in den Oberbauch des Patienten, nach innen und etwas nach oben, in Richtung Wirbelsäule gezogen. Gewünschter Effekt dieses plötzlichen intraabdominellen Überdrucks (Druckerhöhung innerhalb des Bauchraums) ist es, dass der Fremdkörper herausdrückt oder heraus gehustet wird. Dieses Manöver kann übrigens auch beim liegenden Patienten angewendet werden.

Dass es dabei auch zu inneren Verletzungen kommen kann, ist bei Lebensgefahr ein Risiko, das gerne in Kauf genommen wird – also sollten vor allem unerfahrene Ersthelfer keine Angst davor haben, Kraft anzuwenden. Wenn weder der Schlag zwischen die Schulterblätter noch das Heimlich-Manöver etwas bewirken, kann der Notarzt versuchen, den steckengebliebenen Gegenstand mit einer Spezialzange zu entfernen.

Ist auch dies nicht möglich, kann ein Luftröhrenschnitt nötig werden. Bei Herz-Kreislauf-Stillstand muss reanimiert werden (Herzdruckmassage in der Mitte des Brustkorbes, mit einer Frequenz von 100/Minute und einer Drucktiefe von fünf bis sechs Zentimeter, Herzdruckmassage: Beatmung im Verhältnis 30:2).

Aussicht & Prognose

Die Aussicht und Prognose beim Bolustod richten sich nach der Geschwindigkeit, mit der dem Betroffenen geholfen wird. Es handelt sich bei den möglichen Erste-Hilfe-Maßnahmen und etwas, was binnen Sekunden oder wenigen Minuten geschehen muss.

Erfolgt keine Hilfe (entfernen des Fremdkörpers aus dem Kehlkopf und gegebenenfalls Reanimationsversuche), ist der Tod des Betroffenen die Folge. Entsprechend ist zu beobachten, dass ein Transport ins Krankenhaus mittels Notarzt mit einem erheblichen Sterberisiko verbunden ist, da die wenigen Minuten des Transports im Falle eines Herzstillstandes genügen, um beim Betroffenen einen Hirntod zu verursachen.

Wird hingegen rasch vor Ort gehandelt, kann der Tod in vielen Fällen abgewendet werden. Hier ist die Art der Erste-Hilfe-Maßnahmen entscheidend: So sollte erst versucht werden, den Fremdkörper aus dem Betroffenen zu entfernen (insofern er noch bei Bewusstsein ist), im weiteren Verlauf kann eine Herzdruckmassage mit Beatmung erfolgen.

Ist der Fremdkörper entfernt, kann der Patient oftmals reanimiert werden (insofern der Druck auf den Nervus vagus nicht zu groß war) und er übersteht den Vorfall ohne bleibende Schäden.

Im Zuge der Erstbehandlung kann es anschließend zu Schmerzen im Kehlkopf und Schluckbeschwerden kommen. Diese vergehen aber binnen Stunden oder Tagen.


Vorbeugung

Die beste Vorbeugung besteht in entspanntem Essen und gründlichem Kauen aller Speisen. Vorsicht bei Getränken mit größeren Eiswürfeln: am besten mit Strohhalm genießen. Kleine Kinder nehmen gerne Gegenstände in den Mund und laufen dabei Gefahr, diese versehentlich zu verschlucken. Altersgerechte Spielsachen ohne verschluckbare Kleinteile für die Kleinsten helfen vorbeugen.

Patienten mit Krankheitsbildern, die mit Schluckstörungen (Dysphagie) einhergehen, wie zum Beispiel Morbus Parkinson, MS (Multiple Sklerose), ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) oder Demenz-Erkrankungen sollten beim Essen aufmerksam beobachtet und unterstützt werden.

Nachsorge

Bei einem Bolustod orientiert sich die Nachsorge am Verlauf des Leidens. Kann der Bolustod durch sofortige Rettungsmaßnahmen abgewendet werden, muss in erster Linie der damit verbundene Schock überwunden werden. Ein etwaiges Trauma wird im Rahmen einer Traumatherapie und in Gesprächen mit anderen Betroffenen überwunden.

Des Weiteren muss die Ursache für die Atemnot ermittelt werden. Eltern, deren Kind beinahe einen Bolustod erlitten hätte, sollten den Haushalt auf Kleinteile untersuchen und Sicherheitsmechanismen an Schubladen und Schränken installieren. Durch Kontrolluntersuchungen können Blutungen im Hals und andere Komplikationen inausgeschlossen werden.

Bei einem tödlich verlaufenden Bolustod benötigen die Angehörigen in der Regel auch therapeutische Unterstützung. Oftmals dauert es Jahre, bis das Trauma verarbeitet wurde. Zur Nachsorge kann die Ausschleichung etwaiger Antidepressiva gehören. Auch sollten die Betroffenen regelmäßig Rücksprache mit dem Hausarzt und Therapeuten halten.

Noch Jahre nach einem Trauma können sich psychische oder psychosomatische Beschwerden einstellen. Diese müssen erkannt und behandelt werden, bevor sich die körperlicher oder seelische Verfassung weiter verschlechtert. Bei einem Bolustod gibt es also keine einheitliche Nachsorge. Die Nachsorge orientiert sich an den Auswirkungen des Bolustod und dem Verlauf etwaiger Therapien und Medikationsmaßnahmen.

Das können Sie selbst tun

Beim Bolustod verursacht ein großer Fremdkörper im Rachenbereich einen reflektorischen Herzstillstand. Die erste Maßnahme muss deshalb immer darin bestehen, den Fremdkörper zu entfernen. Sofern der Patient bei Bewusstsein ist, sollte er versuchen, dies durch einen Griff in den Rachen selbst zu bewerkstelligen. Betroffene verlieren beim drohenden Bolustod aber häufig sehr schnell das Bewusstsein. In diesem Fall hängt das Überleben des Patienten von der schnellen und effizienten Reaktion der anwesenden Personen ab.

Bei den ersten Hinweisen auf Bolustod muss sofort der Notarzt gerufen und akute Lebensgefahr für den Patienten gemeldet werden. Da Betroffene beim Bolustod nicht ersticken und infolge auch nicht röcheln oder panisch um Atem ringen, sondern häufig lautlos kollabieren, werden die ersten Anzeichen oftmals unterschätzt und für eine einfache Kreislaufschwäche gehalten. Hierdurch geht wertvolle Zeit verloren, was mit dem Tod des Betroffenen enden kann. Kollabiert eine Person während der Nahrungsaufnahme sollte deshalb immer von einem akuten Notfall ausgegangen werden.

Bis zum Eintreffen des Notarztes müssen Erste-Hilfe-Maßnahmen ergriffen werden. Dabei sollte dem Patienten zunächst mit dem Handballen mehrmals kräftig gegen die Schulterblätter geschlagen werden. Reicht das nicht aus, um den Fremdkörper zu entfernen, sollte das Heimlich-Manöver (Oberbauchkompression) zur Anwendung kommen.

Die beste Vorbeugung gegen den Bolustod bietet das gründliche Kauen der Nahrung sowie eine ausreichende Befestigung dritter Zähne, die nicht selten für einen reflektorischen Herzstillstand verantwortlich sind.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Krams, M., et al.: Kurzlehrbuch Pathologie. Thieme, Stuttgart 2013

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