Cannabis und seine Verwendung in der Medizin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. Januar 2023Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Cannabis (Hanf) hat in der Naturheilkunde eine lange Historie. Bis Anfang des letzten Jahrhunderts war Cannabis ein entscheidender Bestandteil von Schmerzmitteln. Mit dem Siegeszug von Aspirin büßte Cannabis seinen medizinischen Wert etwas ein. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Bedeutung von Cannabis als Arznei durch ein weltumspannendes Verbot schließlich rigoros limitiert. Erklärt wurde das Verbot mit den berauschenden Wirkungen des Bestandteils THC (Tetrahydrocannabinol).
Erst seit einigen Jahren wieder öffnet sich das Bewusstsein für den umfassenden Nutzen, den die traditionelle Heilpflanze der Menschheit bieten könnte. So haben mehrere Staaten den Freizeitgebrauch von Cannabis legalisiert, auch in Deutschland steht eine Liberalisierung von Hanf auf der politischen Agenda.
Die Medizin ist da schon weiter – basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen lassen viele Regierungen Cannabis für den Gebrauch als Arzneimittel inzwischen zu. Hierzulande darf Cannabis seit März 2017 auf Rezept verschrieben werden.
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Was wird unter medizinischem Cannabis verstanden?
Als medizinisches Cannabis oder Medizinalcannabis werden Medikamente bezeichnet, deren wichtigste Wirkstoffe aus den Blüten der weiblichen Hanfpflanze extrahiert werden. Die Pflanzen werden in Deutschland an wenigen Standorten unter hohen Sicherheitsvorkehrungen gezüchtet und angebaut. Bevorzugte Arten sind unter anderem die Mango Kush Sorte oder die Blackbird Plain.
Für einen therapeutischen Effekt sorgen vornehmlich die beiden Wirkstoffe (Cannabinoide) THC und CBD (Cannabidiol). THC wirkt sich berauschend und stimulierend auf die Psyche aus. CBD dagegen werden entzündungshemmende, entspannende, schmerzlindernde und krampflösende Eigenschaften attestiert.
Im Zusammenspiel und unter Beachtung der richtigen Dosierung hat Medizinalcannabis zwar keine heilende Wirkung. Es kann aber die Symptome schwerer Krankheiten abschwächen und so die Lebensqualität der betroffenen PatientInnen entscheidend verbessern.
Medizinisches Cannabis – Droge oder Arznei
Cannabis gehört zu den ältesten Kulturpflanzen der Welt. Es findet sowohl als Rauschmittel als auch als Heilpflanze Verwendung. Auf diesem Umstand basiert eine bis heute andauernde Kontroverse.
Während viele ÄrztInnen Hanf als Möglichkeit sehen, leidenden Patientinnen Erleichterung zu verschaffen, kehren andere MedizinerInnen einen möglicherweise schädlichen Konsum, eine eventuelle Abhängigkeit und einen damit verbundenen Missbrauch in den Vordergrund. Ein Ende dieser emotional geführten Diskussion ist nicht in Sicht.
Fakt ist, dass sich das Abhängigkeitspotenzial von Cannabis im Vergleich zu anderen Substanzen auf einem sehr niedrigen Niveau bewegt, womit ein eher geringes Therapierisiko verbunden ist. Da das wissenschaftliche Interesse an Cannabis im Allgemeinen und Medizinalcannabis im Speziellen stetig steigt, kann in absehbarer Zukunft mit neuen Erkenntnissen gerechnet werden.
Welche Wirkung auf den Organismus geht von medizinischem Cannabis aus?
Cannabis wird erst seit einigen Jahren wissenschaftlich untersucht. Das Wissen darüber, wie Cannabinoide die körpereigenen Funktionen beeinflussen, ist daher noch begrenzt. Derzeit geht man davon aus, dass sich die Wirkungen über das menschliche Endocannabinoid-System (ECS) entfalten.
Das ECS wurde per Zufall Anfang der 1990er-Jahre entdeckt. Es handelt sich um ein Netz von Rezeptoren, das sich über den gesamten Organismus verteilt. Die Rezeptoren ermöglichen es, dass Transmitterstoffe in Form von Endocannabinoiden, die vom Körper selbst gebildet werden, Informationen vom Gehirn zu den Organen und zurück transportieren.
Es wird nun vermutet, dass THC und CBD als Phytocannabinoide die Funktion der körpereigenen Cannabinoide ausfüllen könnten. Sie docken dabei an den für die Reizweiterleitung verantwortlichen Schaltstellen, den Rezeptoren, an und besitzen die Fähigkeit, negative Empfindungen wie Schmerz und Trauer zu blockieren.
Unter welchen Bedingungen kann Medizinalcannabis verschrieben werden?
Medizinalcannabis kann von allen zugelassenen ÄrztInnen verschrieben werden. Ausnahmen bilden einzig die Vertreter der Zahn- und Veterinärmedizin. Die Nutzung von Cannabis zu medizinischen Zwecken unterliegt exakten Vorgaben. Um ein cannabishaltiges Arzneimittel zu verordnen, müssen die folgenden Vorgaben erfüllt sein:
- Es muss eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen.
- Herkömmliche Therapien schlagen nicht oder nicht mehr an.
- Der Einsatz von Cannabis muss eine gewisse Erfolgschance besitzen, den Alltag der PatientInnen erträglicher zu gestalten.
- Nur ein Kassenarzt darf ein Rezept ausstellen.
In Deutschland ist es üblich, Cannabis nicht für einzelne, bestimmte Krankheiten zu verschreiben. Vielmehr steht die Schwere der jeweiligen Krankheit im Fokus. Die Entscheidung, ob eine Therapie mit Cannabis erfolgversprechend ist, liegt allein im Ermessen des/der behandelnden ÄrztIn.
Bei welchen Beschwerden zeigt medizinisches Cannabis Nutzen?
Als Medikament besitzt Cannabis ein breites therapeutisches Anwendungsspektrum. In der Regel wird medizinisches Cannabis als begleitende Therapieform von herkömmlichen Behandlungsformen eingesetzt.
Als Krankheiten, bei denen Cannabisprodukte Erleichterungen verschaffen können, werden trotz der mäßigen Aussagekraft der bisher erfolgten klinischen Studien folgende Beschwerden angesehen:
- Krämpfe (Spasmen), wie sie bei Multipler Sklerose auftreten.
- Gewichtsverlust bei Magersucht (Anorexie) oder einer HIV-Infektion.
Neben diesen als einigermaßen gesicherten Anwendungsgebieten richtet sich die Hoffnung von Medizin, Forschung und Patient vornehmlich auf die folgenden Krankheiten, bei denen potenzielle Erfolgsaussichten gegeben sind:
Psychisch bedingte Beschwerden
- PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung)
- Tourette-Syndrom
- ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung)
Neurologische Erkrankungen des Nervensystems
- Dystonie
- Morbus Huntington
- Alzheimer
- ALS (Amyotrophe Lateralsklerose)
- Tremor
Obendrein findet medizinisches Cannabis in der Palliativmedizin Verwendung und kommt bei Glaukomen (Grüner Star) zum Einsatz.
Wo kann medizinisches Cannabis gekauft werden?
Derzeit ist Medizinalcannabis in Form von Cannabispräparaten oder Cannabisblüten über Apotheken zu beziehen. Damit die Qualität der Produkte gesichert ist, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eigens eine sogenannte Cannabisagentur eingerichtet. Diese kontrolliert die gesamte Wertschöpfungskette vom Anbau über die Verarbeitung bis hin zur Abgabe.
Da der Bedarf an medizinischem Cannabis hierzulande das Angebot übersteigt, werden fehlende Kapazitäten durch Importe vornehmlich aus Kanada und den Niederlanden aufgefüllt. Aktuell ist der Anbau in Eigenregie verboten.
Wie wird medizinisches Cannabis eingenommen?
Die Einnahme von medizinischem Cannabis hängt von der jeweiligen Darreichungsform ab. Es lassen sich zwei Formen unterscheiden: Tabletten, Kapseln oder Tropfen werden oral wie ein herkömmliches Arzneimittel mithilfe von etwas Wasser geschluckt. Das Medikament passiert den Magen-Darm-Trakt, sodass eine erste Wirkung nach etwa einer Stunde zu verspüren ist.
Wird Cannabis in Form von Blüten verschrieben, bedarf es zur Einnahme eines sogenannten Vaporizers. Dieser ähnelt einer E-Zigarette und erhitzt das Cannabis auf etwa 200° Celsius. Bei diesem Vorgang entsteht Dampf, in dem die Wirkstoffe gelöst sind. Der Dampf wird inhaliert und über die Lunge verstoffwechselt. Alternativ dazu können die Blüten, üblicherweise in einer Mischung mit Tabak, in eine Zigarette eingerollt und geraucht werden. In beiden Fällen treten die Wirkungen binnen weniger Sekunden in Erscheinung.
Die Erstattung durch die Krankenkassen
Die Krankenkassen stehen medizinischem Cannabis eher skeptisch gegenüber. Wenn eine Indikation von Cannabis gegeben ist, müssen die PatientInnen vorab einen Antrag einreichen. Die Bearbeitungszeit beträgt etwa fünf Wochen. Die Ausnahme bilden PatientInnen der Palliativmedizin. In solchen Fällen antwortet die Kasse binnen dreier Tage. In der Regel gilt, dass die Kassen eine Kostenübernahme nur in begründeten Fällen ablehnen dürfen.