Embolia cutis medicamentosa

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Embolia cutis medicamentosa ist eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation, die in aller Regel im Anschluss an eine intramuskuläre Injektion zu beobachten ist. Die Erkrankung wird mit lokalisierten, teilweise großflächigen Hautnekrosen assoziiert, deren Therapie langwierig ist.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Embolia cutis medicamentosa?

Eine Embolia cutis medicamentosa tritt in aller Regel nach einer versehentlichen intra- oder periarteriellen Injektion von intramuskulär zu applizierenden Medikamenten (v.a. Kristallsuspensionen) auf.
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Als Embolia cutis medicamentosa (auch Nicolau-Syndrom, livedoartige Dermatitis) wird eine schwerwiegende Komplikation infolge einer intramuskulären (zumeist intragluteal bzw. in das Gesäß), in seltenen Fällen auch intraartikulären (in die Gelenkhöhle applizierte) oder subkutanen Injektion bezeichnet, die in vielen Fällen mit partiell großflächigen Hautnekrosen (nicht vitales Hautgewebe) einhergeht.

Eine Embolia cutis medicamentosa manifestiert sich initial innerhalb von Minuten bis einigen Stunden nach der intramuskulären Injektion anhand von sehr harten und schmerzhaften Infiltrationen mit rötlich-livider Hautzeichnung infolge des verlangsamten Blutflusses sowie reflektorischer Gefäßspasmen (krampfartige Verengungen).

Nach etwa 24 bis 72 Stunden können sich zudem eine Gefäßischämie (Minderversorgung), hämorrhagische Nekrosen sowie im weiteren Verlauf tiefer gehende Ulzerationen entwickeln. Schließlich können bei einer Embolia cutis medicamentosa neben der Haut und Muskulatur auch die Organe des kleinen Beckens (Pelvis minor) von Nekrotisierungsprozessen betroffen sein.

Ursachen

Eine Embolia cutis medicamentosa tritt in aller Regel nach einer versehentlichen intra- oder periarteriellen Injektion von intramuskulär zu applizierenden Medikamenten (v.a. Kristallsuspensionen) auf.

Die genaue Ätiologie ist bislang nicht vollständig geklärt. Allerdings wird davon ausgegangen, dass die intra- oder periarterielle Injektion eine Gefäßokklusion (Gefäßblockierung) mit anschließender Ischämie (Minderversorgung mit Blut) bedingt. Aufgrund der längerfristigen Minderversorgung kommt es zu fibrinoiden Nekrosen der Arteriolen (kleine Arterien) sowie Kapillaren, bei welchen zudem die Kollagenstruktur in den betroffenen Arealen zerstört wird. Ebenso ist eine Thrombosierung im terminalen Gefäßsystem (Endstrombahn) feststellbar.

Insbesondere intramuskuläre Injektionen in die gluteale Region mit Depotpenicillinen werden mit einer Embolia cutis medicamentosa assoziiert. Darüber hinaus können Injektionen mit Schwermetallsalzen (u.a. Quecksilber, Wismut), weiteren Antibiotika (u.a. Sulfonamide, Tetracycline) antisteroidalen und phenylbutazonhaltigen Antirheumatika (u.a. Butazolidin) sowie Glukokortikoiden, Glatirameracetat (Immunmodulator zur Therapie der schubförmig auftretenden Multiplen Sklerose) und Cumarinen eine Embolia cutis medicamentosa bedingen. Gleichermaßen werden Fälle von Embolia cutis medicamentosa im Anschluss an Gefäßsklerosierungen (u.a. mit Polidocanol) beobachtet.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bei der Embolia cutis medicamentosa handelt es sich um eine sehr schwerwiegende Komplikation, die im schlimmsten Falle zum Tode des Betroffenen führen kann. Die Krankheit muss aus diesem Grund sofort behandelt werden, um weitere Beschwerden zu verhindern. Dabei kommt es an den betroffenen Blutgefäßen zu einer Embolie. Ebenso kann sich eine Sklerose ausbilden, die sich sehr negativ auf den Alltag des Betroffenen auswirkt.

Es treten starke Störungen der Blutzirkulation auf, sodass die meisten Patienten durch die Embolia cutis medicamentosa auch an Schwindelgefühlen und an Blutdruckbeschwerden leiden. Auch das Herz wird durch die Erkrankung nachhaltig geschädigt, sodass es zu einem Herzinfarkt oder zu einem plötzlichen Herztod kommen kann. Weiterhin führt die Embolia cutis medicamentosa zu Veränderungen auf der Haut, die zu einer deutlich verringerten Ästhetik des Patienten führen können.

Es treten Narben und Wunden auf, die einigen Fällen auch dauerhaft bleiben können. Diese Hautveränderungen sind häufig auch mit psychischen Beschwerden oder mit Depressionen verbunden, da die Betroffenen an einem verringerten Selbstwertgefühl oder an Minderwertigkeitskomplexen leiden. Die Behandlung der Embolia cutis medicamentosa erfolgt häufig über einen sehr langen Zeitraum, sodass die Betroffenen auf eine langwierige Behandlung angewiesen sind.

Diagnose & Verlauf

Eine Embolia cutis medicamentosa wird anhand der Anamnese (u.a. Prüfung, ob im Vorfeld eine intramuskuläre Injektion vorgelegen hatte) sowie der charakteristischen Symptome diagnostiziert.

Differenzialdiagnostisch sollte eine Embolia cutis medicamentosa aufgrund der livedoartigen Veränderungen der Haut von weiteren arteriellen Zirkulationsstörungen wie einer Embolie aus der linken Herzklappe oder dem linken Vorhof sowie von einem Hoigné-Syndrom (intravenöse Embolisierung), Spritzendabszess und einer Livedo racemosa abgegrenzt werden. Der Verlauf einer Embolia cutis medicamentosa ist in aller Regel langwierig.

In den meisten Fällen bilden sich die Hautveränderungen bei frühzeitiger Diagnose und Therapie weitgehend zurück und das betroffene Hautareal heilt nach der Demarkation der nekrotischen Bereiche unter flacher sowie atrophischer Narbenbildung ab.

Komplikationen

Bei der Embolia cutis medicamentosa können schwerwiegende Komplikationen auftreten, wobei die Behandlung der Krankheit über einen relativ langen Zeitraum erfolgen muss. In den meisten Fällen leiden die Patienten an einer starken Embolie und an einer Sklerose. Auch die Haut ist von Ischämie betroffen, sodass für den Patienten erhebliche Einschränkungen im Alltag entstehen.

Auch das Herz ist von den Embolien relativ stark betroffen, sodass es hierbei zu gefährlichen Beschwerden kommen kann. Eine Diagnose der Embolia cutis medicamentosa ist einfach möglich, sodass die Behandlung frühzeitig beginnen kann. Bei der Behandlung werden von allem Medikamente eingesetzt, falls die Nekrosen nicht tief liegen und mit diesen behandelt werden können. Bei einer schwerwiegenden Form sind operative Eingriffe notwendig, um diese Areale abzutragen.

Ebenso müssen die Wunden nach der Behandlung gereinigt werden, damit es zu keinen Infekten oder Entzündungen kommt. In den meisten Fällen leiden die Patienten an starken Schmerzen. Diese werden mit Hilfe von Schmerzmitteln und Antibiotika therapiert. Obwohl die Behandlung über einen langen Zeitraum erfolgt, verläuft sie meist ohne Komplikationen, wenn mit ihr früh begonnen wird.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn es nach einer Injektion zu Hautveränderungen, Muskelschmerzen und anderen Anzeichen einer Embolia cutis medicamentosa kommt, ist ein sofortiger Arztbesuch anzuraten. Spätestens, wenn die Beschwerden über mehrere Tage anhalten und im Verlauf zu einer Abnahme des Wohlbefindens führen, ist medizinischer Rat gefragt. Bei Kreislaufproblemen und Herzrasen wird am besten der ärztliche Notdienst kontaktiert bzw. sollte der Betroffene in das nächstgelegene Krankenhaus gebracht werden.

Abszesse, offene Wunden und Infektionen sollten abgeklärt werden, bevor weitere Komplikationen auftreten. Die Embolia cutis medicamentosa tritt vorwiegend nach Injektionen auf, kann allerdings auch durch die Verabreichung von Medikamenten zur Behandlung von Multipler Sklerose ausgelöst werden. Ebenso kann die Embolie im Anschluss an eine Gefäßsklerosierung auftreten.

Wer nach einer dieser Behandlungen genannte Symptome verspürt, sollte mit dem zuständigen Arzt sprechen. Im Anschluss an die ärztliche Abklärung sollte ein Facharzt für die jeweiligen Symptome aufgesucht werden. Es bieten sich vor allem Neurologen und Spezialisten für ischämische Erkrankungen an.

Behandlung & Therapie

Im Rahmen einer externen Therapie können bei einer Embolia cutis medicamentosa anfänglich topische Glukokortikoide (bspw. Triamcinolon-Creme) auf die betroffenen Hautareale appliziert werden. Geht die Erkrankung mit einer Nekrotisierung des betroffenen Hautgewebes einher, sollte eine stadiengerechte Wundbehandlung erfolgen.

Im Anschluss an die Demarkation (Abgrenzung des gesundem vom nekrotischen Gewebe) ist bei ausgeprägten und tiefer gehenden Nekrosen gegebenenfalls die Indikation für eine chirurgische Abtragung (Débridement) zu stellen, da der Organismus nicht in der Lage ist, die nicht vitalen Gewebeareale selbständig abzustoßen.

Zudem kommen wundreinigende, nekrolytische sowie granulationsfördernde Maßnahmen zur Behandlung der defekten Gewebeareale zum Einsatz. Zusätzlich wird eine interne bzw. systemische Therapie mit nichtsteroidalen und antiphlogistisch (entzündungshemmend) wirkenden Mitteln (u.a. Ibuprofen) empfohlen.

Darüber hinaus kann ein Therapieversuch mit gefäßerweiternden und durchblutungsfördernden Wirkstoffen (u.a. Pentoxifyllin, Nikotinsäure, Papaverin-Derivate) indiziert sein. Zudem können zur Schmerzreduzierung Paracetamol bzw. Tramadol appliziert werden. In einigen Fällen ist eine prophylaktische, systemische Therapie mit Antibiotika wie Ofloxacin angezeigt, die gegebenenfalls an die Resultate des Antibiogramms (Antibiotika-Resistenzbestimmung) adaptiert wird.

Aussicht & Prognose

In den meisten Fällen sind die Betroffenen bei Embolia cutis medicamentosa auf eine langwierige Therapie angewiesen. Dabei kann nicht immer eine vollständige Heilung erreicht werden. In einigen Fällen ist auch die Lebenserwartung des Patienten durch die Embolia cutis medicamentosa verringert und eingeschränkt.

Die Betroffenen sind in der Regel auf mehrere operative Eingriffe angewiesen, um die Beschwerden zu lindern. Ohne Behandlung kommt es dabei nicht zu einer Selbstheilung und häufig zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerden. Die Symptome von Embolia cutis medicamentosa können auch mit Hilfe von Medikamenten gelindert werden.

Nicht selten kann die Erkrankung auch zu psychischen Verstimmungen oder zu Depressionen beim Patienten führen, wobei auch Angehörige und Freunde und diesen Beschwerden leiden können. In solchen Fällen sind die Betroffenen auf einen Besuch bei einem Psychologen angewiesen. Eine direkte Vorbeugung dieser Erkrankung ist meist nicht möglich.

Bei einer muskulären Injektion ist eine erhöhte Vorsicht geboten, um den Betroffenen nicht zu verletzen. In den meisten Fällen wirkt sich eine frühzeitige Diagnose sehr positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus und kann einen langwierigen Verlauf verhindern.


Vorbeugung

Eine Embolia cutis medicamentosa kann durch eine sachgerechte Vorgehensweise bei intramuskulären Injektionen vermieden werden. So kann beispielsweise zur Reduzierung des Risikos für eine Embolia cutis medicamentosa bei sämtlichen intramuskulären im Vorfeld der Applikation der zu injizierenden Lösung eine Aspiration (Ansaugversuch) durchgeführt werden, anhand welcher kontrolliert werden kann, ob durch den Einstich ein Gefäß punktiert wurde. Zudem sollte die Injektion unter möglichst geringem Druck erfolgen.

Nachsorge

Maßnahmen oder Möglichkeiten der Nachsorge stehen dem Betroffenen bei einer Embolia cutis medicamentosa in den meisten Fällen nicht zur Vefügung. Da es sich dabei um eine schwerwiegende Komplikation handelt, muss diese immer sofort durch einen Arzt behandelt werden. Nur dadurch können weitere Beschwerden, Komplikationen oder sogar der Tod des Betroffenen verhindert werden.

Im Vordergrund steht bei der Embolia cutis medicamentosa daher die frühzeitige Diagnose mit einer raschen Behandlung der Erkrankung. Es kann dabei nicht zu einer selbstständigen Abheilung kommen, sodass der Patient dabei immer auf eine medizinische Behandlung durch einen Arzt angewiesen ist. Die Behandlung selbst erfolgt meist durch einen operativen Eingriff.

Dieser sollte schon sehr früh stattfinden, damit sich die Infektionen nicht weiterhin ausbreiten können. In vielen Fällen sind die Betroffenen bei der Embolia cutis medicamentosa auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Diese sollten ebenfalls nach Absprache mit einem Arzt eingenommen werden.

Bei Unklarheiten oder im Zweifelsfall ist dabei immer ein Arzt aufzusuchen. Bei der Einnahme von Antibiotika ist ebenfalls darauf zu achten, dass diese nicht zusammen mit Alkohol eingenommen werden sollten. Wird die Embolia cutis medicamentosa rechtzeitig und erfolgreich behandelt, kommt es in der Regel nicht zu einer verringerten Lebenserwartung des Betroffenen.

Das können Sie selbst tun

Da die Embolia cutis medicamentosa bei einem ungünstigen Verlauf zu einem vorzeitigen Ableben des Betroffenen führen kann, sollte bei Auffälligkeiten und Veränderungen ein Arzt aufgesucht werden. Es handelt sich um eine Komplikation, die durch einen medizinischen Eingriff vorgenommen wurden. Daher besteht bereits Kontakt zu einem Arzt.

Die Maßnahmen der Selbsthilfe sind in diesen akuten Fällen begrenzt, da bei der Embolia cutis medicamentosa eine medizinische Versorgung für das Überleben des Patienten vonnöten ist.

Den Anweisungen des Arztes ist zu folgen, damit weitere Störungen oder Komplikationen vermieden werden. Veränderungen des gesundheitlichen Zustandes sollten engmaschig mit den behandelnden Arzt besprochen werden. Eigenverantwortliche Änderungen des Behandlungsplans sind nicht zu empfehlen. Die Beobachtungen sind durch den Betroffenen oder dessen Angehörigen mit einem Arzt zu besprechen. Hilfreich ist ein gutes Vertrauensverhältnis zum Arzt. Bei Zweifeln oder Unsicherheiten in der Zusammenarbeit mit dem Mediziner muss geprüft werden, ob eine zweite Meinung eingeholt werden sollte.

Hilfreich ist eine umfangreiche Aufklärung über die Erkrankung und deren Erscheinungsbild. Fragen sollten vom behandelnden Arzt beantwortet werden, damit Fehlverhalten oder Überraschungen vermieden werden. Fühlt sich der Betroffene nicht ausreichend versorgt oder informiert, ist dies offen anzusprechen oder Alternativen müssen gesucht werden. Dies lindert die Hilflosigkeit und baut vorhandene Ängste ab.

Quellen

  • Böcker, W. et al.: Pathologie. Urban & Fischer bei Elsevier, München 2008
  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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