Erregungsübertragung
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Erregungsübertragung von Zelle zu Zelle – auch von Nervenzelle zu Nervenzelle – geschieht über Synapsen. Es handelt sich um Verbindungsstellen zwischen zwei Nervenzellen oder zwischen Nervenzelle und anderen Gewebezellen, die auf die Signalübertragung und den Signalempfang spezialisiert sind. Meist geschieht die Signalübertragung über sogenannte Botenstoffe (Neurotransmitter), nur bei der Übertragung von Muskelzelle zu Muskelzelle kann die Reizübertragung auch über ein elektrisches Potenzial erfolgen. Die Erregungsübertragung ist auch als ‘‘‘Transmission‘‘‘ bekannt.
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Was ist die Erregungsübertragung?
Die enorm vielen Zellen des menschlichen Körpers müssen sich untereinander verständigen oder Anweisungen erhalten können, um ein bestimmtes Verhalten des Organismus, z. B. Muskelkontraktionen, zu erzeugen. Dieser vielseitige Prozess geschieht über eine differenzierte Erregungsübertragung oder Transmission.
Die meisten Erregungsübertragung werden an den Synapsen durch Aktivierung und Freisetzung von Transmittersubstanzen weitergeleitet. Diese Weiterleitung und gegebenenfalls die Verteilung von Aktionspotentialen auf mehrere Empfänger erfolgt also in der Regel auf chemischem Wege über chemische Synapsen, an denen die Botenstoffe oder Neurotransmitter auf die Empfängerzelle übertragen werden.
Die Synapsenendknöpfchen haben dabei keinen direkten Kontakt mit der Zielzelle, sondern sind durch den synaptischen Spalt in der Größenordnung von 20 bis 50 Nanometern von ihr getrennt. Das bietet die Möglichkeit, die Transmittersubstanzen im synaptischen Spalt, den sie überwinden müssen, zu verändern oder zu inhibieren, also in inaktive Substanzen umzuwandeln. Das Aktionspotential wird anschließend wieder kassiert.
Muskelzellen können untereinander zudem mit elektrischen Synapsen verbunden sein. Aktionspotentiale werden in diesem Fall in Form von elektrischen Impulsen direkt an die nächste Muskelzelle oder sogar an viele Zellen gleichzeitig übertragen.
Funktion & Aufgabe
Zur Erfüllung der Aufgaben wird der Körper von einem dichten Netzwerk von Nerven durchzogen, die einerseits sensorische Informationen aus allen Körperregionen an das Gehirn melden und es andererseits dem Gehirn erlauben, Anweisungen an Organe und Muskeln zu übermitteln. Allein der aufrechte Gang setzt für den koordinierten Bewegungsablauf Millionen von Nervenzellen in Aktion, die gleichzeitig und ständig die Lage der Gliedmaßen, die Richtung der Schwerkraft, die Vorwärtsgeschwindigkeit und vieles mehr überprüfen, vergleichen und im Gehirn prozessieren, um in Echtzeit Kontraktions- und Entspannungssignale an bestimmte Muskelpartien zu senden.
Zur Erfüllung dieser Aufgaben steht dem Körper ein einzigartiges System von Erregungsübertragungen oder Transmissionen zur Verfügung. In der Regel muss ein Signal von Nervenzelle zu Nervenzelle oder von Nervenzelle zu einer Muskelzelle oder einer anderen Gewebezelle übertragen werden. In manchen Fällen ist auch eine Signalübertragung zwischen Muskelzellen untereinander notwendig. Meist wird ein elektrisches Aktionspotenzial innerhalb einer Nervenzelle elektrisch weitergeleitet und bei Erreichen der Kontaktstelle (Synapse) zur nächsten Nervenzelle wieder in Freisetzung spezifischer Botenstoffe oder Neurotransmitter umgesetzt. Der Neurotransmitter muss den synaptischen Spalt überwinden und wird nach Empfang durch die Empfängerzelle wieder in den elektrischen Impuls rückverwandelt und weitergeleitet.
Der Umweg der Signalübertragung über die chemischen Zwischenphasen ist wichtig, da spezifische Neurotransmitter nur an spezifischen Rezeptoren andocken können und die Signale dadurch selektiv werden, was bei rein elektrischen Signalen nicht möglich wäre. Es würde ein wildes Chaos an Reaktionen ausgelöst.
Ein weiterer wichtiger Punkt liegt darin, dass die Botenstoffe während der Passage durch den synaptischen Spalt verändert oder sogar inhibiert werden können, was gleichbedeutend mit der Aufhebung des Aktionspotentials sein kann.
Einzig die Signalübertragung zwischen Muskelzellen kann rein elektrisch durch elektrische Synapsen erfolgen. In diesem Fall ermöglichen es sogenannte gap junctions, dass elektrische Signale direkt von Cytoplasma zu Cytoplasma übertragen werden. Das hat bei Muskelzellen – besonders bei Herzmuskelzellen – den Vorteil, dass viele Zellen über größere Entfernungen hinweg für eine Kontraktion synchronisiert werden können.
Krankheiten & Beschwerden
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass Synapsen übererregt oder gehemmt werden. Das bedeutet, dass Gifte oder Medikamente an neuromuskulären Synapsen Krämpfe oder Lähmungen auslösen können. Falls Synapsen im ZNS durch Gifte oder Medikamente beeinflusst werden, stellen sich leichte bis gravierende psychische Auswirkungen ein. Es können dadurch Angst, Schmerz, Müdigkeit oder Reizbarkeit verursacht werden, ohne dass zunächst ein ersichtlicher Grund vorhanden zu sein scheint.
Es gibt mehrere Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Transmission. Beispielsweise hemmt das Botulinumtoxin die Vesikelentleerung in den synaptischen Spalt, so dass kein Neurotransmitter übertragen wird und es dadurch zu Muskellähmungen kommt. Der gegenteilige Effekt wird durch das Gift der Schwarzen Witwe bewirkt. Es kommt zu einer Totalentleerung der Vesikel, so dass der synaptische Spalt regelrecht mit Neurotransmittern überschwemmt wird, was zu starken Muskelkrämpfen führt. Zu ähnlichen Symptomen wie beim Botulinumtoxin kommt es bei Substanzen, die die Wiederaufnahme der Botenstoffe durch die Empfängerzelle verhindern.
Es existieren zudem weitere Möglichkeiten, die Erregungsübertragung zu unterbinden oder zu beeinträchtigen. Beispielsweise können einige Stoffe die Rezeptoren eines bestimmten Neurotransmitters besetzen und dadurch Lähmungserscheinungen auslösen.
Quellen
- Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
- Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015