Fucosidase

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Fucosidose gehört zu den sehr seltenen Speicherkrankheiten mit einem progressiven und teils schubweisen Verlauf aufgrund eines Aktivitätsmangels der Alpha-L-Fukosidase, die zu den Oligosaccharidosen beziehungsweise Glykopreteinosen eingeordnet wird. Eine bahnbrechende Behandlungsmethode ist bislang noch nicht in Sicht, weswegen bisher mit einer allogenen Knochenmarktransplantation behandelt wird, was bislang als die fortschrittlichste Methode gilt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Fucosidose?

Mit einer chromatographischen Urinanalyse lässt sich diagnostisch eine Fucosidose bestimmen. Nicht ganz so einfach stellt sich die möglichst genaue Bestimmung des Enzyms in Amnion- und Trophoblastzellen im Labor dar.
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Es handelt sich bei Fucosidose, auch bekannt unter dem Synonym Alpha-L-Fucosidase-Mangel, um eine äußerst seltene autosomal-rezessiv vererbte lysomale Speicherkrankheit aus der Gruppe der Oligosaccharidosen, die nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Hunden auftritt. Die Prävalenz liegt bei kleiner als 1 zu 1.000 000, der Erbgang verläuft autosomal-rezessiv.

Von den bisher bekannten und beschriebenen 100 Fällen circa sind 20 betroffene Patienten aus Süditalien (Grotteria und Mammola in der Gegend von Reggio Calabria). Im Südwesten der Vereinigten Staaten (Colorado und New Mexico) konnte eine weitere Häufung dieser Erkrankung beobachtet werden.

In einem Umfang von ungefähr 40 Prozent besteht eine Blutsverwandtschaft. Mit dem Gründereffekt, der wesentlich geringere geno- und phänotypische Variabilität der Nachkommen zur Folge hat, lässt sich die hohe Prävalenz innerhalb dieser Populationen erklären.

Der Gründereffekt heißt englisch „Founder Effekt“ und beschreibt die genetisch bedingte Abweichung einer isolierten Population beziehungsweise Gründerpopulation. Ausgangspunkt für diese Abweichung ist die geringe Anzahl an vorhandenen „Allelen“ der Individuen, die an ihrer Gründung beteiligt sind. Somit kommen unterschiedliche Selektionsbedingungen nicht in Betracht.

Unterschieden wird zwischen zwei Typen mit fließenden Übergängen: Typ 1 gilt als klinisch schwerwiegender und beginnt bereits zwischen dem 3. und 18. Monat der betroffenen Patienten. Typ 2 mit einem weniger progressiven Verlauf beginnt zwischen dem 12. und 24. Monat. Durch die geringere Progressivität (2) ist die Lebenserwartung von Typ 2 Patienten höher als die von Patienten mit einer Typ 1 Erkrankung. Die Krankheit Fucosidose schreitet weniger schnell und nicht so massiv voran. Deshalb wird auch vom Gegenteil der Progredienz, der positiv zu wertenden Regridienz, gesprochen.

Zur Diskussion steht ein dritter Typ bezogen auf Patienten in den Niederlanden. Die Ausprägung ist weniger stark und die Erkrankung stellt sich insgesamt als eine juvenile Form ohne Angiokeratome dar. Hierbei handelt es sich um gutartige Hautveränderungen. Diese bestehen aus warzenförmigen Hyperkeratosen, die mit Teleangiektasien beziehungsweise Angiomen kombiniert sind.

Ursachen

Die Ursache für eine generalisierte Speicherung der fukosehaltigen Glykolipide sowie Oligosacchariden in allen Geweben liegt im Aktivitätsmangel der Alpha-L-Fukosidase. Dafür wiederum verantwortlich sind die Nonsense- beziehungsweise Missensemutationen auf einem für Alpha-L-Fucosidase kodierenden Gens, dem FUCA 1. Dieses befindet sich auf dem Chromosom 1 Genlocus p34.

Dieses Enzym katalysiert die Spaltung der L-Fucose und der Glycolipiden sowie der Oligosacchariden. Beide enthalten Fructose. Das Substrat Fucose ist eine Hexose. Da aber die Enzymaktivität vermindert ist, reichern sich in den Zellen von allen Geweben des Körpers nicht metabolisierte, also eine nicht verstoffwechselte, Fucose beziehungsweise fucosehaltige Verbindungen an. Die Folge sind Schädigungen der Zelle sowie der betroffenen Organe.

Bei den betroffenen Menschen liegt ein Pseudogen von Fuca1 auf Chromosom 2. Das polymorphe (vielgestaltige) Fuca2-Gen liegt auf Chromosom 6. Die Enzymaktivität im Blutserum und in den Fibroblasten wird durch das Genprodukt von Fuca 2 kontrolliert. 20 unterschiedliche Mutationen wurden bisher als Auslöser für eine Fucosidose gefunden.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Zu den typischen Symptomen einer Frucosidoseerkrankung gehören Gesichtsdeformationen, von der Norm abweichende morphologische Unverhältnismäßigkeiten von Kopf und Gesicht, aber auch Fehlbildungen des Skeletts.

Ferner wurden schwere geistige Retardierungen sowie Krampfanfälle, Lebervergrößerungen (Hepatomegalien), Milzvergrößerungen (Splenomegalien) und Herzvergrößerungen (Kardiomegalien) festgestellt. Des Weiteren kann eine Gehörlosigkeit eintreten. Auch altersabhängige Angiokeratome sowie Dysostosis Multiplex wurden bereits beobachtet.

Diagnose

Mit einer chromatographischen Urinanalyse lässt sich diagnostisch eine Fucosidose bestimmen. Nicht ganz so einfach stellt sich die möglichst genaue Bestimmung des Enzyms in Amnion- und Trophoblastzellen im Labor dar. Eine Absicherung des Befundes kann im Labor durch eine Aktivitätsbestimmung der Alpha-L-Fucosidase in den Leukozyten erfolgen. Nur manchmal ist auch ein Gentest erforderlich.

Komplikationen

Durch die Fucosidase kommt es in der Regel zu verschiedenen Deformationen im Bereich des Gesichtes. Diese Deformationen können den Patienten sowohl physisch als auch psychisch belasten und verringern dabei die Lebensqualität enorm. Die Betroffenen leiden dabei an starken psychischen Beschwerden und an Depressionen. Von den psychischen Beschwerden können dabei auch die Eltern und die Angehörigen des Patienten betroffen sein.

Es kommt dabei zu Krampfanfällen und zu einer Retardierung des Patienten. Die Intelligenz nimmt ab und der Patient ist in seinem Alltag auf die Hilfe von anderen Menschen angewiesen. Es tritt ebenso eine Vergrößerung der Milz und des Herzens auf, welche für den Betroffenen lebensgefährlich sein kann. In der Regel führt die Vergrößerung der Milz durch die Fucosidase zu Schmerzen.

Im weiteren Verlauf der Krankheit kommt es auch zu einem Verlust des Gehöres. Es ist leider nicht möglich, die Fucosidase zu behandeln. Auch die Symptome können nur sehr eingeschränkt behandelt werden. Die Lebenserwartung des Patienten nimmt durch die Fucosidase extrem ab, in den meisten Fällen können die Betroffenen nur das zehnte Lebensjahr erreichen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eine Fucosidase wird normalerweise schon vor der Geburt des betroffenen Kindes festgestellt. Spätestens bei der Geburt kann anhand der typischen Fehlbildungen die Diagnose gestellt werden. Die Eltern sollten einen Arzt aufsuchen, wenn die Beschwerden zunehmen oder sich ungewöhnliche Symptome einstellen. Bei Krampfanfällen und Zuckungen sollte ein Notarzt gerufen werden. Anzeichen einer Vergrößerung der Organe bedürfen ebenfalls einer raschen Abklärung durch einen Facharzt.

Sollten sich ernstzunehmende Komplikationen einstellen, muss das Kind umgehend in ein Krankenhaus gebracht werden. Bei psychischen Beschwerden sollte zeitnah ein Therapeut hinzugezogen werden. Dies empfiehlt sich sowohl dem betroffenen Kind als auch den Eltern, da meist beide Parteien unter der schweren Erkrankung und ihren Auswirkungen leiden.

Sollte es im Rahmen der medikamentösen Behandlung zu unerwünschten Ereignissen kommen, wird am besten mit dem zuständigen Arzt gesprochen. Der Patient sollte außerdem bei einem Arzt vorstellig werden, wenn es nach einer Operation zu Wundheilstörungen, Infektionen oder anderen Komplikationen im Bereich des Eingriffs kommt.

Behandlung & Therapie

Bisher ist nur eine Therapie bekannt. Die nicht symptomatische Knochenmarktransplantation. Sie gilt als eine Behandlungsmethode mit kurativem Ansatz. Mit dieser Methode wurden bisher circa zehn Patienten behandelt.

Eine abschließende Beurteilung kann somit noch nicht erfolgen. Eine erstmalige Erprobung erfolgte übrigens an Hunden. Rein prognostisch können so die Patienten im Gegensatz zu früher, wo sie selten älter als fünf Jahre wurden, heute die zweite Lebensdekade erreichen.

Aussicht & Prognose

Die Fucosidose ist eine schwerwiegende Erkrankung, die einen progressiven Verlauf nimmt. Die bislang einzige Behandlungsmöglichkeit, die Knochenmarktransplantation, ist mit vielen Risiken behaftet und konnte bislang nur bei wenigen Patienten erfolgreich durchgeführt werden. Die Prognose fällt dementsprechend negativ aus.

Typische Symptome wie geistige Schäden und Organstörungen können meist nicht effektiv behandelt werden und führen schließlich zum Tod des Patienten. Zuvor nimmt die Lebensqualität und das Wohlbefinden infolge der Beschwerden schleichend ab. Im weiteren Verlauf treten ernste Komplikationen auf, welche den Betroffenen nicht nur extrem einschränken, sondern auch die Lebenserwartung stark reduzieren. Meist sterben die Erkrankten vor dem zehnten Lebensjahr an den Folgen der Fucosidose.

Gelingt die Knochenmarktransplantation, können weitere körperliche und geistige Beschwerden unter Umständen vermieden werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Behandlung frühzeitig eingeleitet wird und der Patient nicht bereits von Geburt an schwerbehindert ist. Sind diese Faktoren gegeben, kann ein Fortschreiten der Fucosidose gestoppt werden.

Angeborene Fehlbildungen und geistige Beeinträchtigungen lassen sich anschließend unter anderem operativ, physiotherapeutisch und medikamentös behandeln. Trotz aller Maßnahmen kann das betroffene Kind meist kein vollkommen beschwerdefreies Leben führen, da die Fucosidose auch nach einer Transplantation gesundheitliche Probleme verursacht. Deshalb müssen die Erkrankten ein Leben lang medizinisch behandelt werden.


Vorbeugung

Bisher ist es der medizinischen Forschung noch nicht gelungen, vorbeugende Maßnahmen zu entwickeln. Weil der medizinischen Forschung über die Ansatzpunkte hinaus noch keine weiteren Erkenntnisse vorliegen, existieren noch keine Möglichkeiten einem Ausbruch dieser Krankheit bei angenommener genetischer Vorbelastung entgegen zu wirken.

Nachsorge

In den meisten Fällen sind die Möglichkeiten der Nachsorge bei einer Fucosidase sehr stark eingeschränkt. Dabei ist der Betroffene in erster Linie auf die direkte medizinische Behandlung der Krankheit durch einen Arzt angewiesen, um weitere Komplikationen und Beschwerden zu vermeiden. Eine Selbstheilung kann dabei nicht eintreten.

Um das Vererben der Krankheit an die Nachfahren zu verhindern, sollte im Fall eines Kinderwunsches auch eine genetische Beratung durchgeführt werden. Die Behandlung selbst erfolgt dabei in der Regel durch die Transplantation des Knochenmarkes. Dabei kommt es meist nicht zu besonderen Komplikationen oder zu anderen Beschwerden, wobei die Fucosidase allerdings nur kurzzeitig geheilt werden kann.

Eine vollständige Heilung kann dabei leider nicht erreicht werden, sodass die Lebenserwartung des Betroffenen durch diese Krankheit erheblich eingeschränkt und verringert ist. In vielen Fällen sind die Patienten bei der Fucosidase auch auf eine intensive Pflege und Unterstützung durch die eigene Familie und durch Freunde angewiesen. Dabei wirkt sich vor allem eine sehr liebevolle und einfühlsame Pflege der Betroffenen positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus. Allerdings kann auch eine medizinische Pflege durch einen Psychologen im Falle von psychischen Beschwerden notwendig sein.

Das können Sie selbst tun

Bei der Fucosidase handelt es sich um eine schwerwiegende Erkrankung, an der die meisten Patienten vor dem Erreichen des zehnten Lebensjahres versterben. Die wichtigste Therapiemaßnahme besteht darin, die Beschwerden zu lindern.

Dies gelingt zum einen durch die medikamentöse Behandlung, zum anderen durch Physiotherapie und Schonung. Das betroffene Kind benötigt meist eine Vollzeitpflege durch einen Pflegedienst und die Eltern. Vor allem für die Eltern stellt dies eine erhebliche körperliche und seelische Belastung dar. Aus diesem Grund ist eine begleitende Therapie sinnvoll, an deren sowohl die Eltern als auch das erkrankte Kind teilnehmen kann. Bei einem schweren Verlauf benötigen die Eltern und anderen Angehörigen meist ebenfalls psychologische Betreuung. Auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe und das Gespräch mit anderen betroffenen Eltern können dabei helfen, die Erkrankung zu verstehen.

Die eigentliche Behandlung kann außerdem durch eine bewusste Ernährung unterstützt werden. Des Weiteren muss das Kind ständig überwacht werden, damit bei etwaigen Krampfanfällen und sonstigen Komplikationen schnell reagiert werden kann. Bei einer Vergrößerung der inneren Organe sind individuell verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um die Beschwerden zu lindern und dem Kind ein relativ schmerzfreies Weiterleben zu ermöglichen.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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