Gefäßmalformation
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Sammelbegriff Gefäßmalformation bezeichnet unterschiedliche Erscheinungsformen gutartiger Fehlbildungen der Blut- und Lymphgefäße. Die Krankheit tritt selten auf, ist angeboren, aber nicht vererbbar. Alle Körperregionen können von Gefäßmalformationen betroffen sein, primär treten sie an Armen und Beinen auf sowie im Kopf-Hals-Bereich. Obwohl die Anomalien bereits bei der Geburt vorhanden sind, werden sie meist erst in der Pubertät oder im jungen Erwachsenenalter sichtbar. Manche Malformationen haben nur kosmetische Relevanz, andere können jedoch auch sehr schmerzhaft und gefährlich sein.
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Was sind Gefäßmalformationen?
Gefäßmalformationen – auch als vaskuläre Malformationen bekannt – sind Fehlbildungen der Blut- oder Lymphgefäße, die sich im Embryonalstadium entwickeln. Sie können grundsätzlich in allen Körperregionen vorkommen und sowohl die Haut als auch Muskeln oder Organe betreffen. Die Erscheinungsformen der Anomalien sind vielfältig.
Es werden Gefäßmalformationen mit einem schnellen Blutfluss („fast-flow“) von Malformationen mit einem sehr langsamen Fluss („slow-flow“) unterschieden. Zu Erstgenannten gehören Fehlbildungen mit Beteiligung der Schlagadern (Arterien), zu Letzteren werden venöse, kapillare und lymphatische Gefäßfehlbildungen gezählt. Venen, Arterien und Lymphgefäße können dabei separat oder kombiniert betroffen sein. Mit etwa 64 Prozent stellen die venösen Gefäßmalformationen die häufigste Erscheinungsform dieser Krankheit dar.
Ursachen
Die Fehler im Aufbau des Gefäßsystems gehen auf eine embryonale Fehlentwicklung zurück, die sich beim Wachstum von Blutgefäßen ereignen kann: Das Wachstum, die sogenannte Angiogenese, erfolgt durch Sprossungs- oder Spaltungsvorgänge bereits vorhandener Blutgefäße.
Verläuft der Prozess der Angiogenese gestört, bleiben Reste des „Versorgungsnetzes“ des Embryos übrig. An den Gefäßen dieses Netzwerks können sich Fisteln oder Geschwülste ausbilden, die dann als Gefäßmalformationen bezeichnet werden.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die von den Gefäßgeschwülsten betroffenen Körperteile werden nicht mehr richtig durchblutet und schwellen an. Es kommt zu Hautveränderungen sowie in einem weiteren Stadium zu offenen Stellen, die nicht mehr heilen und das Gewebe schließlich absterben lassen.
Mögliche Symptome sind auch wiederholte Blutungen, Druckgefühl oder auch Veränderungen der angrenzenden Knochen und Körperteile, zum Beispiel des Kiefers. Patienten klagen über Schmerzen in den betroffenen Gliedmaßen, es kann zu Folgeerkrankungen, Funktionseinschränkungen oder gar vollständigen Funktionsverlusten kommen.
Diagnose & Verlauf
So variabel das Krankheitsbild ist, so unterschiedlich sind auch Krankheitsverläufe und Symptome. Die Krankheitsbilder lassen sich nach äußeren, oberflächlichen Gefäßmalformationen und inneren, tiefen Gefäßmissbildungen unterscheiden. Sind verschiedene Gefäßarten gleichzeitig betroffen, liegt häufig ein Groß- oder Kleinwuchs des betreffenden Körperteils vor.
Eine erfolgreiche Therapie setzt deshalb eine systematische Diagnostik voraus sowie eine korrekte Einteilung des vorliegenden Erscheinungsbildes der Fehlbildung. Nach der Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) und einer klinischen Untersuchung können verschiedene, bildgebende Verfahren zum Einsatz kommen.
Ein geeignetes und schonendes Verfahren ist die nicht-invasive („nicht-eindringende“) Ultraschalluntersuchung, die sogenannte Sonografie. Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist ein weiteres, nicht-invasives und röntgenstrahlenfreies Verfahren, das optimale Abbildungen des Weichgewebes und der Verbindung zwischen den Blutgefäßen und Organen, Nerven oder Muskeln liefert.
Ein Nachteil der MRT gegenüber der Sonographie ist die relativ lange Dauer der Untersuchung, die bei Kindern deshalb oft eine Sedierung nötig macht. Eine weitere Möglichkeit der apparativen Diagnostik bietet die Computertomographie (CT), die allerdings mit hohen Strahlenwerten verbunden ist. Die Ergebnisse sind im Vergleich zur MRT weniger gut, es können jedoch zusätzlich Kalkablagerungen und Knochenbeteiligungen dargestellt werden.
Komplikationen
In der Regel kann eine Gefäßmalformation in jedem Bereich des Körpers auftreten und damit in verschiedenen Regionen zu Beschwerden oder Komplikationen führen. Allerdings werden die meisten Beschwerden erst im Erwachsenenalter oder in der Pubertät erkannt und zeigen sich im Kindesalter vorerst nicht. Eine Gefäßmalformationb muss dabei nicht in jedem Fall zu Komplikationen oder zu besonderen Beschwerden führen.
Nicht selten stellt sie nur eine kosmetische Beschwerde dar, bei welcher es eventuell zu einem verringerten Selbstwertgefühl oder zu Minderwertigkeitskomplexen kommen kann. Weiterhin können die Gefäßmalformationen allerdings auch zu Minderwuchs oder direkt zu Missbildungen der inneren Gefäße führen. Damit erhöht sich das Risiko für verschiedene Krankheiten, die durch eine verringerte Durchblutung entstehen können. Auch die Anzahl und Häufigkeit von Blutungen ist durch die Gefäßmalformation stark erhöht.
Nicht selten sind die Patienten auch von Schmerzen und Schwellungen betroffen. Die Schmerzen können dabei auch in Form von Ruheschmerzen auftreten und dabei zu Schlafbeschwerden führen. Bei der Behandlung treten meistens keine Komplikationen auf. Mit Hilfe von operativen Eingriffen können die meisten Beschwerden gelindert und bekämpft werden. In der Regel wird dann die Lebenserwartung des Patienten durch die Gefäßmalformationen nicht verringert.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ein Arzt ist aufzusuchen, sobald es zu einem diffusen Krankheitsgefühl kommt. Bei einem Druckgefühl im Körperinneren, einem allgemeinen Unwohlsein, einer inneren Schwäche oder Abgeschlagenheit wird ein Arzt benötigt. Bilden sich wiederholt Blutergüsse ohne ersichtlichen Grund oder werden Druckschmerzen wahrgenommen, sind diese Anzeichen von einem Arzt untersuchen zu lassen. Bei Schmerzen, Durchblutungsstörungen, Herzrasen oder Störungen des Herz-Kreislauf-Systems sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Kommt es zu Schwindel, Gangunsicherheiten, flimmernden Augen oder Übelkeit sowie Erbrechen, ist ein Arztbesuch erforderlich. Sinkt das gewohnte Leistungsniveau, steigt das Schlafbedürfnis oder kommt es zu einer schnellen Ermüdung, wird ein Arzt benötigt. Bei Störungen der Konzentration oder der Aufmerksamkeit ist ein Arzt um Hilfe zu bitten, wenn die Beschwerden über eine längere Zeit anhalten. Treten Schwellungen am Körper auf oder bilden sich Geschwüre, sind diese Veränderungen von einem Arzt untersuchen und behandeln zu lassen. Bei offenen Wunden muss eine sterile Wundversorgung stattfinden.
Kann diese nicht gewährleistet werden, ist ein Arztbesuch notwendig. Entzünden sich die Wunden oder heilen sie nicht innerhalb weniger Tage ab, wird ein Arzt benötigt. Kommt es wiederholt zu Blutungen verschiedenster Art, muss ein Arzt aufgesucht werden. Probleme und Unregelmäßigkeiten der Knochen oder Gelenke sind ebenfalls ärztlich untersuchen zu lassen.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung von Gefäßmalformationen erfordert eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Neuroradiologen, Kieferchirurgen, HNO-Ärzten und anderen Spezialisten. Der Behandlungsbedarf hängt von der Art, der Lokalisation, der Größe und von einer eventuellen Blutungsneigung ab. Harmlosere Ausprägungen bedürfen keiner invasiven Therapie.
Während bei einer komplexeren Gefäßmalformation früher in der Regel ein chirurgischer Eingriff notwendig war, liegt heute der Fokus auf der mikroinvasiv-radiologischen Therapie. Diese basiert auf dem Verfahren der sogenannten Embolisation. Dabei wird über einen minimalen Zugang ein sogenannter Angiographiekatheter durch die Haut zum betroffenen Gefäße geführt.
Die zuführenden Gefäße werden entweder mit kleinen Metallspiralen oder mit einem Sklerose-Medikament, zum Beispiel hochprozentigem Alkohol oder Äthoxysklerol-Schaum, gezielt verschlossen. Der Eingriff erfolgt in der Regel unter lokaler Betäubung, eine Vollnarkose ist in der Regel nicht notwendig. In den meisten Fällen sind wiederholte Behandlungen erforderlich, da die Gefäße mehrere Zu- und Abflüsse haben.
Bei bestimmten Erscheinungsformen der Krankheit kann auch die „Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie (LITT)“ das Mittel der Wahl sein. Dabei wird eine Laserfaser minimalinvasiv direkt in den Gefäßfehler eingebracht und Laserlicht im Gewebe breit gestreut. Ziel ist es, eine lokale Entzündungsreaktion und die Bildung von Thromben auszulösen, um dadurch - nach mehreren Behandlungen - eine Verödung des Gewebes zu erreichen.
Insgesamt ist die Behandlung von Gefäßmalformationen sicher und relativ komplikationsarm. Bei der Verödung von venösen Malformationen kommt es nach der Behandlung oft zu einer Schwellung und Schmerzen.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Gefäßmalformation ist nach den individuellen Gegebenheiten des Patienten zu bewerten. Bei einigen Betroffenen kommt es im Verlauf des gesamten Lebens zu keinen nennenswerten Beeinträchtigungen oder Fehlfunktionen. Obgleich die Erkrankung vorliegt und fehlerfrei diagnostiziert ist, berichten sie von einer Beschwerdefreiheit. In einer stärkeren Form der Gefäßmalformation kommt es zu kosmetischen Makeln. Diese sind in vielen Fällen in einem chirurgischen Eingriff veränderbar, besitzen jedoch lediglich eine kosmetische Relevanz.
Sind die Missbildungen umfangreicher, besteht in schweren Fällen die Möglichkeit eines lebensgefährlichen Krankheitsverlaufs. Damit dieser vermieden wird, nehmen Chirurgen in einem operativen Eingriff Korrekturen vor. Verläuft die Operation ohne Komplikationen oder Folgeerkrankungen, kann der Patient nach kurzer Zeit als beschwerdefrei entlassen werden. Zur Absicherung werden Kontrolluntersuchungen insbesondere in der Anfangsphase empfohlen.
Zeigen sich keine Unregelmäßigkeiten, ist der Patient im Normalfall lebenslang geheilt. Diese Prognose kann jedoch erst nach Abschluss des Wachstums- und Entwicklungsprozesses des Kindes gestellt werden. Während dieser Zeit besteht die Möglichkeit von Veränderungen oder der Entstehung neuer Fehlbildungen, die ebenfalls korrigiert werden müssen.
Patienten mit einer Gefäßmalformation sollten über die gesamte Lebensspanne zur Verbesserung ihrer Gesundheit auf ihren Blutkreislauf achten. Werden Durchblutungsstörungen bemerkt, ist ein schnellstmöglicher Arztbesuch notwendig, damit unverzüglich eine Behandlung eingeleitet werden kann.
Vorbeugung
Da Gefäßmissbildungen in der Regel angeboren sind, ist eine Vorbeugung nicht möglich. Allerdings verbessert eine frühe Erkennung und Behandlung den Therapieerfolg. Begleitende physikalische Maßnahmen wie Kompression und Krankengymnastik können dazu beitragen, Funktionseinschränkungen zu verhindern oder bereits vorhandene Einschränkungen zu verbessern.
Auch eine Bewegungstherapie kann für Betroffene sinnvoll sein. Patienten sollten außerdem psychologisch betreut werden. Da sich die Krankheit im Laufe des Lebens verändert, eine spontane Heilung ausgeschlossen werden kann, und Malformationen auch weiter zunehmen können, sollten regelmäßige Kontrollen erfolgen.
Wachstumsschübe vaskulärer Malformationen können sowohl hormonbedingt während der Pubertät oder Schwangerschaft als auch durch Verletzungen oder chirurgische Maßnahmen hervorgerufen werden. Ziel der krankheitsbegleitenden Maßnahmen ist es, das betroffene Organ möglichst uneingeschränkt nutzen zu können.
Nachsorge
Bei Gefäßmalformation sind in den meisten Fällen keine Möglichkeiten der Nachsorge möglich oder notwendig. Betroffene sind in erster Linie auf die medizinische Behandlung der Beschwerden angewiesen, wobei nicht alle Gefäßmalformationen zwingend behandelt werden müssen. Allerdings sollte bei den ersten Anzeichen immer ein Arzt aufgesucht werden, um gefährliche Gefäßmalformation früh zu erkennen und zu entfernen.
Nur dadurch können weitere Komplikationen oder die Entstehung von Tumoren verhindert werden. In den meisten Fällen werden die Malformationen durch einen operativen Eingriff entfernt. Dabei kommt es nicht zu besonderen Komplikationen. Nach einem solchen Eingriff müssen Betroffene ihren Körper schonen und sich ausruhen.
Stressige Tätigkeiten oder sportlichen Aktivitäten sollten vermieden werden. Dabei sollten vor allem die betroffenen Stellen besonders geschützt werden. Auch nach einer erfolgreichen Entfernung der Gefäßmalformation sind regelmäßige Untersuchungen des gesamten Körpers sinnvoll, um ein erneutes Auftreten rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Im Falle von Schmerzen oder Schwellungen sind ebenso Besuche bei einem Arzt notwendig. Werden die Gefäßmalformationen früh entfernt, ist die Lebenserwartung des Betroffenen in der Regel nicht verringert. Da sich die Beschwerde auch negativ auf die Ästhetik des Betroffenen auswirken kann, ist dabei Hilfe und Unterstützung durch die eigene Familie und durch Freunde sehr sinnvoll.
Das können Sie selbst tun
In der Regel stehen dem Betroffenen bei einer Gefäßmalformation keine besonderen Möglichkeiten der Selbsthilfe oder der Selbstbehandlung zur Verfügung. Die Patienten sind damit in ihrem Leben immer auf die Behandlung durch einen Arzt angewiesen, um weitere Komplikationen und Beschwerden zu vermeiden.
Im Falle von starken Muskelkrämpfen kann direkt ein Notarzt gerufen oder das Krankenhaus aufgesucht werden. Da viele Betroffene durch die Gefäßmalformation auch an Lähmungen oder an einer deutlich eingeschränkten Sensibilität leiden, sind sie in ihrem Alltag häufig auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Dabei ist vor allem die Hilfe der Familie und der Freunde sehr effizient.
Sehstörungen können in der Regel durch Sehhilfen ausgeglichen werden. Im Falle von Gleichgewichtsstörungen können Gehhilfen sinnvoll sein, um Unfälle und andere Verletzungen zu vermeiden.
Häufig wirkt sich auch die Kommunikation mit anderen Patienten der Gefäßmalformation positiv auf psychische Beschwerden aus und kann dabei zu einem Austausch von Informationen beitragen, die im Alltag des Betroffenen hilfreich sein können.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013