Lokalanästhesie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. August 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Lokalanästhesie kommt vor allem zum Einsatz, wenn es sich nur um eine kleinflächige Betäubung der Haut (beispielsweise bei einem Zahnarztbesuch) handeln soll. Man unterscheidet dabei grundlegend die Oberflächenanästhesie und die Infiltrationsanästhesie und einige weitere Unterformen. Ziel ist es immer, den Schmerz an einem spezifischen Körperteil für eine gewisse Zeit auszuschalten, wobei Bewusstsein und Motorik im Gegensatz zur Vollnarkose erhalten bleiben.
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Was ist Lokalanästhesie?
Bei der Lokalanästhesie (auch örtliche Betäubung genannt) handelt es sich um eine Betäubung, bei der das Schmerzempfinden in einem genau definierten Gebiet der Haut vorübergehend ausgeschaltet wird. Die dabei verwendeten Mittel werden Lokalanästhetika genannt. Diese zeitigen ihre Wirkung an den Aufzweigungen der Nervenenden direkt in der Unterhaut und vermeiden das Weiterleiten von Schmerzimpulsen an das Gehirn.
Diese Nervenhemmungen sind dabei reversibel und klingen nach einiger Zeit wieder ab. Dadurch können medizinische Eingriffe ohne Schmerzen erfolgen, während die Bewegungsfähigkeit und das Bewusstsein nicht ausgeschaltet werden.
Geschichte & Entwicklung
Die Entdeckung und Entwicklung der Lokalanästhesie begann im späten 19. Jahrhundert und revolutionierte die Medizin, insbesondere die Chirurgie. Die Geschichte der Lokalanästhesie ist eng mit der Entdeckung von Kokain als Anästhetikum verbunden. Im Jahr 1860 isolierte der deutsche Chemiker Albert Niemann erstmals Kokain aus den Blättern der Kokapflanze, und erkannte seine betäubenden Eigenschaften. Doch erst 1884 führte der österreichische Augenarzt Carl Koller Kokain in die Medizin ein, indem er es als Lokalanästhetikum für Augenoperationen verwendete. Kollers Arbeiten markierten den Beginn der modernen Lokalanästhesie.
In den folgenden Jahren wurde Kokain in verschiedenen medizinischen Bereichen verwendet, aber seine toxischen Nebenwirkungen machten es notwendig, nach sichereren Alternativen zu suchen. Die Suche führte 1905 zur Synthese von Novocain (Procain) durch den deutschen Chemiker Alfred Einhorn. Novocain erwies sich als weniger toxisch und sicherer in der Anwendung, was es schnell zu einem der am häufigsten verwendeten Lokalanästhetika machte.
Die Weiterentwicklung von Lokalanästhetika setzte sich im 20. Jahrhundert fort, mit der Entdeckung und Einführung weiterer Substanzen wie Lidocain in den 1940er Jahren, das heute eines der am häufigsten verwendeten Lokalanästhetika ist. Diese Entwicklungen ermöglichten eine breitere Anwendung der Lokalanästhesie in der Medizin, wodurch Eingriffe sicherer und schmerzfreier wurden.
Einsatz & Indikation
Eine Lokalanästhesie wird durchgeführt, wenn ein medizinischer Eingriff auf einen bestimmten, begrenzten Bereich des Körpers beschränkt ist und der Patient dabei wach bleiben kann. Sie wird notwendig, um Schmerzen in diesem spezifischen Bereich während des Eingriffs zu verhindern, ohne den gesamten Körper zu betäuben oder den Patienten in Vollnarkose zu versetzen.
Lokalanästhesie ist ideal für kleinere chirurgische Eingriffe, z. B. bei der Entfernung von Hautläsionen, Zahnbehandlungen, dem Nähen von Wunden oder kleineren orthopädischen Eingriffen wie der Behandlung von Frakturen oder Sehnenverletzungen. Sie wird auch bei diagnostischen Verfahren wie Biopsien verwendet, wo eine Schmerzlinderung erforderlich ist, aber eine Vollnarkose überflüssig oder zu riskant wäre.
Die Notwendigkeit einer Lokalanästhesie ergibt sich, wenn der Eingriff zu Schmerzen führen würde, aber die Risiken oder Nebenwirkungen einer Vollnarkose vermieden werden sollen. Besonders bei Patienten mit bestimmten Gesundheitsrisiken, die Vollnarkosen gefährlich machen könnten, ist die Lokalanästhesie eine sicherere Alternative. Sie bietet den Vorteil, dass die Patienten schneller nach dem Eingriff wieder auf die Beine kommen und keine Nachwirkungen wie Übelkeit oder Schläfrigkeit erleben, die bei Vollnarkosen häufig auftreten.
Vorteile & Nutzen
Eine Lokalanästhesie bietet gegenüber anderen Behandlungs- und Untersuchungsmethoden mehrere bedeutende Vorteile, insbesondere im Vergleich zur Vollnarkose. Einer der größten Vorteile ist die geringere Belastung für den Körper. Da nur ein spezifisches Gebiet betäubt wird, bleibt der Patient während des Eingriffs bei Bewusstsein, was das Risiko von Komplikationen, die bei einer Vollnarkose auftreten können, erheblich verringert. Dies ist besonders wichtig für Patienten mit bestehenden Gesundheitsproblemen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Atemwegserkrankungen, bei denen eine Vollnarkose riskant wäre.
Ein weiterer Vorteil der Lokalanästhesie ist die schnellere Erholungszeit. Da der Patient nicht in einen tiefen Schlaf versetzt wird, treten weniger postoperative Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Schläfrigkeit auf. Dies ermöglicht es dem Patienten, schneller wieder normal zu funktionieren und in vielen Fällen das Krankenhaus am selben Tag des Eingriffs zu verlassen.
Zusätzlich reduziert die Lokalanästhesie die Notwendigkeit für eine intensive Überwachung und postoperativen Pflege, was die Kosten und den Aufwand für die Behandlung senkt. Sie bietet auch eine bessere Kontrolle über die Schmerzbehandlung, da das Anästhetikum direkt an der betroffenen Stelle wirkt, was eine gezielte und effektive Schmerzlinderung gewährleistet.
Funktion, Wirkung & Ziele
Die Lokalanästhesie ist ein Zweig der Regionalanästhesie, wobei man zwei grundlegende Formen unterscheidet: die Infiltrationsanästhesie und die Oberflächenanästhesie.
Bei der Oberflächenanästhesie werden die entsprechenden Wirkstoffe direkt in die Haut des Gebiets gespritzt, in dem die Operation erfolgen soll. Typische Beispiele sind hierbei die Zahnbehandlung oder die Entfernung eines Muttermals. Bei der Infiltrationsanästhesie ist es möglich, dass Sprays oder Tropfen mit Wattetupfern auf die Hornhaut, die Schleimhäute oder Bindehaut aufgetragen werden.
Typisch für diese Verfahren sind Magenspiegelungen, Wachintubationen (das Einführen eines Beatmungsschlauchs in Mund und Rachen) und Untersuchungen am Auge. Des Weiteren unterscheidet man auch die Leitungsanästhesie, wobei ganze, durch spezifische Nerven versorgte Körperregionen umfasst werden. Es gibt ferner die intravenöse Regionalanästhesie, bei der mithilfe einer Manschette eine Extremität gestaut wird und das Anästhetikum dann in eine Vene gespritzt wird.
Außerdem existieren die zentrale Leitungsanästhesien (Spinalanästhesie und Periduralanästhesie), die auf solche Weise funktionieren, dass rückenmarksnah Spinalnerven blockiert werden und damit mehrere Teile des Körpers für eine gewisse Zeit schmerzfrei gemacht werden.
Dabei gibt es kürzer oder länger wirkende Lokalanästhetika. Möglich ist es, dem Betäubungsmittel Adrenalin hinzuzufügen, um die Wirkdauer zu verlängern. Denn das Adrenalin verengt die Gefäße, drosselt damit die Durchblutung des Gewebes, so dass die Lokalanästhetika länger wirksam sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass an Zehen oder Fingern beispielsweise kein Adrenalin eingesetzt werden darf, weil es sonst zum Absterben des Gewebes kommen kann.
Durch den Einsatz von Lokalanästhetika können Behandlungen schmerzfrei durchgeführt werden, die ansonsten für den Patienten mit sehr unangenehmen Begleiterscheinungen einhergehen würden. Der Vorteil ist, dass Bewusstsein und Motorik erhalten bleiben, der Patient also alles „voll mitbekommt“. Lokalanästhetika sind aus diesem Grunde auch weniger risikobehaftet als Anästhetika, bei denen das Bewusstsein und die Motorik ausgeschaltet werden.
Im Gegensatz zu der Allgemeinanästhesie werden bei der Lokalanästhesie Hirn- und Lungenfunktion, der Säuren-Basen-Haushalt und der Stoffwechsel kaum beeinträchtigt. Dies erlaubt eine Behandlung mit Lokalanästhetika auch dann, wenn sich der Patient in einem schlechten allgemeinen Zustand befindet und eine Vollnarkose zu risikobehaftet ist. Wenn es möglich ist, wird daher vorwiegend auf Lokalanästhetika zurückgegriffen, während man die Vollnarkose nur dann anwendet, wenn es die Behandlung anders nicht ausführbar ist.
Durchführung & Ablauf
Eine Lokalanästhesie verläuft in mehreren Schritten, die darauf abzielen, einen bestimmten Bereich des Körpers schmerzfrei zu machen, ohne den Patienten in Vollnarkose zu versetzen. Der Ablauf beginnt mit einer gründlichen Vorbereitung, bei der der Arzt den Patienten über den Eingriff und die Lokalanästhesie aufklärt und mögliche Allergien oder Kontraindikationen abklärt.
Zunächst wird die Haut im betroffenen Bereich desinfiziert, um Infektionen zu verhindern. Anschließend wird das Lokalanästhetikum, meist Lidocain oder ein ähnliches Mittel, mit einer feinen Nadel in das Gewebe injiziert. Das Anästhetikum blockiert die Nervenimpulse in diesem Bereich, wodurch Schmerzsignale nicht mehr an das Gehirn weitergeleitet werden können.
Nach der Injektion wartet der Arzt einige Minuten, bis das Anästhetikum vollständig wirkt. Der betäubte Bereich wird während des gesamten Eingriffs regelmäßig überprüft, um sicherzustellen, dass die Schmerzlinderung ausreichend ist. Der Patient bleibt wach und kann während des Eingriffs mit dem medizinischen Personal kommunizieren.
Nach dem Eingriff klingt die Wirkung der Lokalanästhesie in der Regel innerhalb von ein bis zwei Stunden ab, je nach verwendetem Anästhetikum. Während dieser Zeit wird der Patient weiterhin überwacht, um sicherzustellen, dass keine Komplikationen auftreten und die Schmerzfreiheit anhält, bis die normale Empfindung zurückkehrt.
Risiken & Gefahren
Allerdings kann es als Nebenwirkung von Lokalanästhetika zu verschiedenen allergischen Reaktionen kommen. Diese stellen auch die häufigsten unerwünschten Begleiterscheinungen dieser Betäubungsverfahren dar. Theoretisch kann es in gut durchblutetem Gewebe, in dem das Lokalanästhetikum schnell abtransportiert wird, auch zu Vergiftungen (Intoxikationen) kommen.
Damit einher gehen Nervosität, Schwindel und Krampfanfälle. Auch Blutdruckabfall und Herzrhythmusstörungen können die Folge sein. Die zuletzt genannten Begleiterscheinungen sind allerdings sehr selten, da meist nur sehr kleine Bereiche der Haut betäubt werden. Dadurch sind nicht die Mengen an Lokalanästhetika erforderlich, die eine Vergiftung auslösen könnten.
Generell kann man aber sagen, dass Lokalanästhetika bei weitem weniger risikobehaftet sind als die Vollnarkose, so dass im Zweifelsfall eher auf diese Verfahren zurückgegriffen wird.
Alternativen
Wenn eine Lokalanästhesie nicht möglich oder nicht geeignet ist, gibt es mehrere alternative Verfahren zur Schmerzkontrolle während medizinischer Eingriffe. Eine häufige Alternative ist die Vollnarkose, bei der der Patient in einen tiefen Schlaf versetzt wird und das Bewusstsein verliert. Dies ist besonders sinnvoll bei größeren Operationen oder wenn mehrere Körperbereiche betroffen sind. Die Vollnarkose erfordert jedoch eine intensivere Überwachung und birgt ein höheres Risiko für Nebenwirkungen und Komplikationen, insbesondere bei Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen.
Eine weitere Alternative ist die Regionalanästhesie, die zwischen Lokalanästhesie und Vollnarkose liegt. Dabei wird ein größerer Bereich des Körpers betäubt, wie beispielsweise bei der Spinal- oder Epiduralanästhesie, die häufig bei Eingriffen im unteren Körperbereich, wie Kaiserschnitten oder Hüftoperationen, eingesetzt wird. Diese Methode blockiert die Nervenimpulse in größeren Körperregionen, während der Patient bei Bewusstsein bleibt.
Sedierung ist eine zusätzliche Möglichkeit, bei der der Patient in einen entspannten, schläfrigen Zustand versetzt wird, während gleichzeitig eine Lokalanästhesie oder Regionalanästhesie angewendet wird. Dies ist hilfreich, wenn Patienten Angst vor dem Eingriff haben oder wenn eine Lokalanästhesie allein nicht ausreicht, um die notwendige Schmerzlinderung zu gewährleisten.
Jedes dieser Verfahren wird je nach Art des Eingriffs, den spezifischen Bedürfnissen des Patienten und möglichen Kontraindikationen sorgfältig ausgewählt, um die sicherste und effektivste Anästhesiemethode zu gewährleisten.
Quellen
- Roewer, N., Thiel, H., Wunder, C.: Anästhesie compact. Thieme, Stuttgart 2012
- Schulte am Esch, J., et al.: Anästhesie und Intensivmedizin. Thieme, Stuttgart 2011
- Schüttler, J., Neglein, J., Bremer, F.: Checkliste Anästhesie. Thieme, Stuttgart 2000