Blutgerinnungsstörung
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Etwa eine von 5000 Personen in Deutschland leidet unter einer Blutgerinnungsstörung. Dabei sind die Auslöser wie auch die Behandlung von Gerinnungsstörungen sehr unterschiedlich.
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Was ist eine Blutgerinnungsstörung?
Unter Blutgerinnungsstörungen versteht man entweder eine zu schwache oder eine zu starke Gerinnung (Hämostaste) des Blutes im Falle einer Verletzung eines oder mehrerer Blutgefäße.
Normalerweise geschieht die Gerinnung durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren: zum Einen findet eine Verengung der Blutgefäße statt, die den weiteren Zufluss von Blut, das dann aus der Wunde austreten würde, eindämmen soll.
Zum Anderen verkleben sich die Thrombozyten, also die Blutplättchen, an der entsprechenden Stelle und sorgen so für einen raschen Wundverschluss, der dann durch die sogenannten Fibrin-Fäden verstärkt wird. Diese Fäden sind das Produkt von 12 Gerinnungsfaktoren im Blutplasma, die im Notfall aktiviert werden.
Bei einer eingeschränkten Funktionstüchtigkeit dieser Gerinnungsfaktoren liegt eine Blutgerinnungsstörung vor, die entweder zu einer zu starken Gerinnung (z.B. Thrombose) oder einer zu schwachen (z.B. Bluterkrankheit) führen kann.
Ursachen
Es gibt verschiedene Gründe für das Auftreten einer Blutgerinnungsstörung. In einigen Fällen sorgt ein Mangel an Bluttplättchen dafür, dass die beschädigten Blutgefäße durch diese nicht ausreichend verklebt und somit die Blutung nicht richtig gestoppt werden kann.
Dies ist z.B. beim sogenannten Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom der Fall. Doch auch wenn Blutplättchen in ausreichender Menge vorhanden sind, kann es diesen an der Fähigkeit mangeln sich miteinander zu verkleben. Diese Fehlfunktion kann in seltenen Fällen vererbt werden. Weitaus häufiger tritt sie aber in Folge einer Einnahme von bestimmten Medikamenten als Nebenwirkung auf.
Ein weiterer Auslöser einer zu schwachen Gerinnung des Blutes kann die Dysfunktion der Gerinnungsfaktoren sein. Dies ist beispielsweise bei der berühmten Bluterkrankheit der Fall. Da die Leber für die Bildung der meisten der 12 Gerinnungsfaktoren verantwortlich ist, können darüber hinaus auch Erkrankungen der Leber ursächlich für eine Blutgerinnungsstörung sein.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Eine Blutgerinnungsstörung äußert sich in erster Linie durch das gehäufte Auftreten von Hämatomen. Liegt eine Gerinnungsstörung vor, kommt es bereits nach leichten Schlägen auf die Haut zu blauen Flecken, die meist mehrere Wochen bestehen bleiben. Blutungen nach einer Verletzung oder Operation halten deutlich länger an als üblich oder treten erneut auf, nachdem sich die Wunde bereits geschlossen hat.
Des Weiteren kann es zu Einblutungen verschiedener Größen kommen. Typisch sind kleine Hautblutungen, sogenannte Petechien, aber auch flächenhafte Wunden und blutige Ausschläge. Diese Beschwerden weisen eindeutig auf eine Störung der Blutgerinnung hin. Meist führen sie zu weiteren körperlichen Anzeichen. So machen sich länger andauernde Blutungen durch die Symptome einer Blutarmut bemerkbar: Der Betroffene ist blass, hat eingefallene Augenhöhlen und ist körperlich und geistig weniger leistungsfähig.
Auch Kopfschmerzen, Sehstörungen und Gelenkschmerzen können infolge der Erkrankung auftreten. Manchmal wird Blut im Urin oder Stuhl bemerkt. Abhängig vom Grad des Mangels, können Schwellungen im Bereich von Muskeln und Knöcheln auftreten, die meist mit Bewegungsstörungen und Nervenschmerzen verbunden sind. Auch Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sind bei einer Blutgerinnungsstörung typisch. Ebenso kann es zu Schwindel und Konzentrationsschwäche kommen.
Diagnose & Verlauf
Eine Blutgerinnungsstörung kann schlimme Folgen für die betroffene Person haben. Durch eine zu starke Gerinnung können sich beispielsweise Blutgerinnsel bilden, die dann zu einer Verstopfung von Gefäßen im Gehirn, in der Lunge oder im Herz führen können.
Dies kann dann im schlimmsten Fall in einem Herzinfarkt, einer Lungenembolie oder einem Schlaganfällen münden. Eine zu schwache Blutgerinnung bedeutet hingegen schon bei kleinen Schnittwunden oder unbemerkten inneren Blutungen große Gefahr für die Betroffenen, da die Blutungen nur sehr schwer zu stoppen sind.
Zur Erkennung einer Blutgerinnungsstörung dienen in erster Linie labormedizinische Untersuchungen, bei denen die Blutgerinnung auf ihre Aktivität, etwa durch die Feststellung der Anzahl der Blutplättchen, überprüft wird. Zudem kann auch Anzahl der Gerinnungsfaktoren im Blut festgestellt werden. Ist ein Mangel an Blutplättchen der Auslöser für die Blutgerinnungsstörung wird zusätzlich eine Knochenmarksprobe entnommen, um den Grund für den Mangel zu hinterfragen.
Komplikationen
Eine Blutgerinnungsstörungen kann sowohl eine verlängerte Blutung als auch eine verkürzte Blutung bedeuten, was beides unterschiedliche Komplikationen haben kann. Eine verlängerte Blutung im Rahmen einer Hämophilie verursacht Blutungen in allen möglichen Stellen des Körpers. Zum Beispiel können große Blutverluste im Bereich von Muskeln entstehen, so dass sich starke Schmerzen einstellen.
Im Bauchbereich kann dies irreführend sein und es wird eher an eine Entzündung des Wurmfortsatzes (Appendizitis) gedacht, so dass eventuell eine nicht notwendige Operation eingeleitet wird. Starke Blutungen können auch zu Kompressionen von Organen führen. Im Bereich von Muskeln und Gefäßen kann dies zu einem Kompartmentsyndrom führen, was im schlimmsten Falle das Absterben der einzelnen Muskelgruppen zur Folge hat.
Auch im Bereich des Hals-Kopfes-Bereiches führt eine Einblutung typischerweise zu einer Verengung der Atemwege und der Betroffene leidet unter einer Atemnot. Eine verkürzte Blutung im Rahmen einer Thrombophilie lässt das Risiko einer Thrombose steigern. Vor allem in den Beinvenen sind Thrombosen prädisponiert. Diese führen zu starken Schmerzen und Ödemen in den Beinen.
Außerdem bilden sich leichter Geschwüre an den Knöcheln und Füßen. In den schlimmsten Fällen löst sich die Thrombose und wird mit dem Blutstrom verschleppt. Dies kann in Richtung Lunge und Gehirn führen und so eine Lungenembolie oder sogar einen Schlaganfall auslösen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Blaue Flecken nach einem Sturz oder einer Stoßverletzung sind in den meisten Fällen harmlos und müssen nicht ärztlich behandelt werden. Auch wegen leichtem Nasenbluten oder kleinen Wunden muss man nicht sofort einen Arzt aufsuchen. Wenn sich aber nach einem harmlosen Zusammenprall oder einem leichten Stoß größere blaue Flecken bilden, ist Vorsicht geboten, denn es könnten Anzeichen für die Bluterkrankheit (Hämophilie) sein, die unbehandelt lebensbedrohlich werden kann.
Menschen, die unter der Bluterkrankheit leiden, haben eine gestörte Blutgerinnung und können ohne ärztliche Behandlung bei größeren Verletzungen oder Operationen verbluten. Ebenso wie große Blutergüsse können häufiges, starkes Nasenbluten oder kleinere Wunden, die immer weiter bluten, auf die Bluterkrankheit hinweisen.
Bei beiden Anzeichen sollte man unbedingt einen Gerinnungsspezialisten aufsuchen, denn die Bluterkrankheit muss medikamentös behandelt werden, weil Betroffenen ein Gerinnungsfaktor zur Wundheilung fehlt. Um nicht zu verbluten, müssen sie sich den fehlenden Gerinnungsfaktor intravenös spritzen. Beim Verdacht auf eine Blutgerinnungsstörung sollte immer eine Blutuntersuchung stattfinden. Auch Menschen mit der Neigung zu Thrombosen und Blutgerinnseln sollten einen Arzt aufsuchen.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung einer Blutgerinnungsstörung hängt ganz von ihrem jeweiligen Auslöser ab. Mangelt es etwa an Blutplättchen, müssen diese in Form eines Blutplättchenkonzentrats künstlich zugeführt werden.
Da ein Mangel an Blutplättchen in seltenen Fällen auch durch eine Fehlreaktion des Immunsystems ausgelöst werden kann, muss diese durch die Einnahme von Immunsuppressiva wie Kortison verhindert werden. Auch ein Mangel an Gerinnungsfaktoren kann durch die regelmäßige Verabreichung eines speziellen Konzentrats behoben werden.
Sind hingegen äußere Faktoren wie die Einnahme von Medikamenten oder ein Alkoholmissbrauch für die gestörte Blutgerinnung verantwortlich, müssen diese natürlich unverzüglich abgesetzt bzw. ein Entzug begonnen werden. Liegt hingegen eine zu starke Gerinnung mit Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln vor, muss als Erstes die Ursache für diesen Vorgang ausfindig gemacht werden.
Diese finden sich häufig in anderen Erkrankungen wie Krebs oder Infektionen oder in den Folgeerscheinungen einer Geburt oder eines schweren Blutverlustes. Werden diese Ursachen richtig erkannt und bekämpft, führt dies in den meisten Fällen auch zur Normalisierung der Blutgerinnung und in Konsequenz zum Verschwinden der Blutgerinnungsstörung.
Aussicht & Prognose
In den meisten Fällen kann eine Blutgerinnungsstörung relativ gut und einfach behandelt werden, sodass der Betroffene an einem gewöhnlichen Alltag ohne Komplikationen und Einschränken teilnehmen kann. Der Verlauf der Erkrankung ist allerdings auch von der genauen Ursache abhängig, sodass eine allgemeine Prognose nicht gegeben werden kann.
Bei Fehlreaktionen des Immunsystems wird die Blutgerinnungsstörung durch die Gabe von Suppressiva oder Kortison relativ gut gelindert. Bei der Einnahme von anderen Medikamenten oder bei einer starken Alkoholabhängigkeit muss in erster Linie die Grunderkrankung behandelt oder das jeweilige Medikament ausgetauscht oder abgesetzt werden.
Bei einer richtigen und frühzeitigen Erkennung der Ursache kann die Blutgerinnungsstörung in den meisten Fällen vollkommen eingeschränkt werden. Die Betroffenen müssen beim Auftreten der Blutgerinnungsstörung immer den behandelnden Arzt über die Störung informieren, um starke Blutungen zu vermeiden.
Durch eine gesunde Lebensweise mit vielen sportlichen Aktivitäten und einer gesunden Ernährung können mögliche Thrombosen aufgrund dieser Störung vermieden werden. Im Falle von Krebs als Ursache der Blutgerinnungsstörung kann in der Regel keine positive Voraussage über den Krankheitsverlauf gegeben werden. Der Verlauf ist dabei stark von der Krebsart und der Ausprägung abhängig.
Vorbeugung
Einer Blutgerinnungsstörung, die auf der Bluterkrankheit beruht, kann naturgemäß nicht vorgebeugt werden. Liegt der Gerinnungsstörung eine Medikamentengabe zugrunde, so kann durch das Absetzen der Arzneimittel der Blutgerinnungsstörung vorgebeugt werden.
Dies sollte jedoch nur in Rücksprache mit dem Arzt geschehen. Blutgerinnungsstörung, die zu einer Thrombose führen können, lassen sich rechtzeitig mit viel Bewegung, Sport und einer gesunden Ernährung vorbeugen. Trotz alledem: Blutgerinnungsstörungen und ihre möglichen Folgen können gefährlich sein aber glücklicherweise sind sie auch gut zu behandeln.
Nachsorge
Die Nachsorge bei einer Blutgerinnungsstörung erfolgt mittels vorsorgenden Maßnahmen und ärztlichen Kontrollen. Die Art der Nachsorge richtet sich zudem auch danach, welcher Natur die Blutgerinnungsstörung ist. In beinahe jedem Fall ist es notwendig, die Fließeigenschaften des Blutes regelmäßig kontrollieren zu lassen und einen Überblick über die Gerinnungsfaktoren zu wahren.
Bei Menschen mit starker Gerinnungsneigung besteht die Nachsorge vor allem in regelmäßigen Kontrollen der Gefäße. Da Thrombosen häufig auftreten, müssen diese frühzeitig entdeckt werden. Entsprechend kann eine prophylaktische Gabe von Blutverdünnern sinnvoll sein. Bei belastenden Situationen, die mit wenig Bewegung einhergehen wie Langstreckenflüge zum Beispiel, wird die Gabe von Blutverdünnern empfohlen.
Bei Formen der Hämophilie besteht die Nachsorge im Abklären von Auffälligkeiten (beispielsweise Hautverfärbungen, Blut im Stuhl oder Urin) sowie im dringenden Vermeiden von Verletzungen. Medikamente, die Gabe von Hormonen oder Spenderfaktoren können ein Leben lang zur Prophylaxe notwendig sein.
Sollten innere Blutungen zu Gewebeschäden geführt haben, besteht die Nachsorge in einer entsprechenden Therapie. Bei betroffenen Muskeln oder Knochen bedeutet dies, dass Physiotherapie genutzt wird. Sport kann zur Stärkung der Gelenke sinnvoll sein, da diese ebenfalls bei einer Hämophilie in Mitleidenschaft gezogen werden. Geeignet sind Ausdauersportarten, nicht aber Kontaktsportarten. Bei Schäden an den Organen muss sich die Nachsorge hingegen nach dem jeweiligen Schaden richten.
Das können Sie selbst tun
Anpassungen im Alltag an Blutgerinnungsstörungen hängen davon ab, ob eine verminderte Blutgerinnung oder eine zu starke Blutgerinnung vorliegt. Bei einer herabgesetzten Blutgerinnung wie sie häufig auch medikamentös willentlich erzeugt wird bei Herzrhythmusstörungen oder nach der Implantierung künstlicher Herzklappen, besteht grundsätzlich die Gefahr nur schwer stillbarer Blutungen. Das kann bei inneren Verletzungen zu Komplikationen führen. Falls die zu geringe Blutgerinnung wie bei sogenannten Blutern auf erblichen Faktoren beruht, ist eine ursächliche Therapie nicht möglich.
In den Fällen, in denen die ungewollte verminderte Gerinnungsfähigkeit des Blutes auf der Einnahme bestimmter Medikamente beruht oder auf Alkoholmissbrauch, sollte über alternative Medikamente oder einen Alkoholentzug nachgedacht werden. Eine wichtige Maßnahme bei künstlich herbeigeführter „Blutverdünnung“ durch die Einnahme von Koagulationshemmern besteht einerseits in notwendiger erhöhter Aufmerksamkeit, um Verletzungen wegen des starken Blutungsrisikos zu vermeiden.
Darüber hinaus ist es empfehlenswert, einen kleinen Ausweis mit sich zu führen, auf dem vermerkt ist, welche koagulationshemmenden Medikamente in welcher Stärke eingenommen werden. Das ist besonders wichtig, falls nach einem Unfall ein operativer Eingriff notwendig wird.
Im gegenteiligen Fall einer zu starken Neigung zur Gerinnungshemmung besteht grundsätzlich ein erhöhtes Risiko einer Thrombose, eines Schlaganfalls oder eines Herzinfarktes. Um die Thromboserisiken zu minimieren können neben der Einnahme von Koagulationshemmern auch Selbsthilfemaßnahmen präventiv wirken. Es handelt sich dabei sportliche Aktivitäten und um gesunde Ernährung zur Vermeidung von Vitamin- und Mineralstoffmangel.
Quellen
- Gesenhues, S., Zisché, R.H., Breetholt, A. (Hrsg.): Praxisleitfaden Allgemeinmedizin. Urban & Fischer, München 2013
- Grüne, S., Schölmerich, J.: Anamnese, Untersuchung, Diagnose. Springer, Heidelberg 2007
- I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015