Gordon-Reflex
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter dem Gordon-Reflex versteht der Neurologe einen pathologischen Fußreflex. Die kranhafte Zehenbewegung ist ein Pyramidenbahnzeichen und deutet auf Schädigungen der zentralen Motoneurone hin. Als Ursachen kommen Krankheiten wie Multiple Sklerose in Frage.
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Was ist der Gordon-Reflex?
Als Gordon-Reflex kennt die Neurologie einen krankhaften Reflex der Zehen, der symptomatisch im Rahmen von neurologischen Erkrankungen auftreten kann. Die reflexhafte Bewegung wird auch Zehenzeichen, Gordon-Scharfer-Reflex oder Wadenreflex genannt und ist an den einzelnen Fußgliedern zu beobachten.
Der Arzt löst die Reflexbewegung aus, indem er die Waden des Patienten knetet. Die Großzehe streckt sich daraufhin unwillkürlich nach oben, während die anderen Zehenglieder Greifbewegungen ausführen.
Der Gordon-Reflex wird zu den Pyramidenbahnzeichen gerechnet und ist ein Hinweis auf Läsionen der zentralen Motoneurone. Bei diesen Neuronen handelt es sich um motorische Schaltstellen im zentralen Nervensystem, die für die Motorik verantwortlich sind.
Pyramidenbahnzeichen beziehen sich auf die Pyramidenbahnen des Rückenmarks. Diese motorischen und zentralnervensystemischen Bahnen sitzen im Rückenmarkvorderhorn und steuern vor allem willkürliche Bewegungen, aber auch Reflexbewegungen.
Der Gordon-Reflex wurde nach seinem Erstbeschreiber Alfred Gordon benannt. Dieser US-amerikanische Neurologe spekulierte im 20. Jahrhundert über den pathologischen Wert der Reflexbewegung beim Erwachsenen.
Funktion & Aufgabe
Die Pyramidenbahnen des Rückenmarkvorderhorns sind Efferenzen. Als efferente Bahnen leiten sie Informationen durch bioelektrische Impulse aus dem zentralen Nervensystem zu Erfolgsorganen im Körper. Bei den motorischen Nervenbahnen sind die Muskeln der Skelettmuskulatur die Erfolgsorgange. So erhalten die Muskelfasern den Auftrag zur Bewegung.
Gerade die Reflexsteuerung kann nur über das Rückenmark laufen. Viele der menschlichen Reflexe sind Schutzreflexe, die vor Verletzungen schützen sollen. Als Trigger kommen einzelne Wahrnehmungen infrage, so vor allem die des visuellen Systems. Würde die Steuerzentrale der motorischen Reflexe im Gehirn liegen, dann würden die Muskeln die Bewegungen nicht rechtzeitig ausführen. Damit könnten die Reflexe ihrer Schutzfunktion nicht mehr gerecht werden. Denn über das Gehirn gesteuerte Impulse erreichen nicht schnell genug die Muskelfasern. Bewegungsimpulse mit Verschaltung im Vorderhorn des Rückenmarks haben kürzere Wege zu gehen und erreichen so schneller die Zielorgane.
Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Wenn die Schleimhaut der Atemwege gereizt wird, löst das einen Hustenreflex aus. So soll die Aspiration von Flüssigkeit und Nahrungsbestandteilen verhindert werden. Der Hustenreflex schützt den Menschen so vor dem Ersticken. Bei einer Verschaltung mit zu langen Wegen würde der Mensch erst husten, wenn er die Flüssigkeit oder die Nahrungsbestandteile bereits eingeatmet hat. Damit würde sich die eigentliche Schutzfunktion der Reflexbewegung verlieren.
Verglichen mit einem Säugling hat der Erwachsene ungleich weniger Reflexe. Babys verfügen zum Beispiel über einen Saugreflex, der durch Berührungen an ihren Lippen ausgelöst wird. Im Laufe ihrer natürlichen Entwicklung verlieren sie diesen Reflex, weil das Nuckeln für sie nicht mehr lebenserhaltend ist.
Auch der Gordon-Reflex ist für Säuglinge unter einem Lebensjahr ein physiologischer, also natürlicher Reflex. Wenn also ihre Waden geknetet werden, bewegt sich auf einer oder beiden Seiten ihre Großzehe nach oben. Die restlichen Fußglieder führen analog dazu eine Greifbewegung aus. In einem bestimmten Alter verliert sich dieser Reflex.
Krankheiten & Beschwerden
Sowohl der Oppenheim-Reflex und der Babinski-Reflex, als auch der Chaddock-Reflex oder die Strümpell-Zeichen können den Gordon-Reflex begleiten. Sie alle sind pathologische Reflexe aus der Babinski-Gruppe. Diese symptomatische Gruppe von Reflexen ist auch als Pyramidenbahnzeichen bekannt.
Mittlerweile wird die diagnostische Wertigkeit des Gordon-Reflexes angezweifelt. Nur wenn sich im Einzelfall weitere Reflexe aus der Babinski-Gruppe auslösen lassen, ist heute noch von einem zuverlässigen Diagnostikkriterium die Rede. Die gesamte Babinski-Gruppe wird mit Schädigungen der zentralen Motoneuronen in Verbindung gebracht. Die Untersuchung dieser pathologischen Reflexe ist in der neurologischen Diagnostik ein Standard.
Eine Läsion zentralnervensystemischer Motoneuronen kann auf verschiedene Primärerkrankungen des Zentralnervensystems zurückzuführen sein. Als Ursache kommt zum Beispiel die degenerative Erkrankung ALS in Frage. Im motorischen Nervensystem bauen sich bei dieser Krankheit Stück für Stück die motorischen Nervenzellen ab.
Neben den Motoneuronen im Gehirn kann auch das Rückenmark von dem Verfall betroffen sein. Wenn das erste Motoneuron geschädigt ist, treten Muskelschwächen, Bewegungsunsicherheiten oder sogar Lähmungen ein. Schädigungen am zweiten Motoneuron lösen dagegen spastische Erscheinungen aus.
Auch MS kann unter Umständen die Motoneuronen schädigen. Bei der Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem zentrales Nervengewebe an und ruft damit Entzündungen hervor. Pyramidenbahnzeichen kurz nach dem Ausbruch einer Multiplen Sklerose werden mit einem prognostisch ungünstigen Verlauf assoziiert.
Quellen
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
- Mumenthaler, M., Mattle, H.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012