Chaddock-Reflex

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter dem Chaddock-Reflex versteht der Neurologe einen krankhaften Fußgliederreflex der Babinski-Gruppe. Reflexe dieser Gruppe sind als Pyramidenbahnzeichen bekannt und verweisen auf eine Schädigung der zentralen Motoneuronen. Die Sensitivität des Chaddock-Reflexes ist mittlerweile umstritten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Chaddock-Reflex?

Unter dem Chaddock-Reflex versteht der Neurologe einen krankhaften Fußgliederreflex der Babinski-Gruppe.

Der Chaddock-Reflex ist ein pathologischer Reflex der Fußglieder. Er fällt in die sogenannte Babinski-Gruppe und zählt damit zu den Pyramidenbahnzeichen. Alle Pyramidenbahnzeichen sind Fremdreflexe. Andere Reflexe aus der Babinski-Gruppe sind der Gordon- und der Babinski-Reflex.

Als Symptom stehen diese krankhaften Reflexbewegungen in der Regel mit einer Läsion der zentralen Motoneuronen in Zusammenhang. Die Motoneuronen sind Teil des motorischen Systems und steuern damit die Bewegungen der Skelettmuskulatur. Sowohl willkürliche Bewegungen, als auch reflexhafte Bewegungen werden über die Motoneuronen verschalten. Diese Neuronen sind ein Teil der Pyramidenbahnen und damit des zentralen Nervensystems.

Das untere Motoneuron liegt im Vorderhorn des Rückenmarks. Von hieraus werden Nervenimpulse als bioelektrische Erregungen aus dem Zentralnervensystem efferent an die Muskeln der Skelettmuskulatur weitergeleitet.

Der Chaddock-Reflex wurde nach Charles G. Chaddock benannt, der die Reflexbewegung im 20. Jahrhundert dokumentierte. Der Japaner K. Yoshimura gilt als Erstbeschreiber des Chaddock-Reflexes, obgleich erst Chaddocks umfangreiche Dokumentation die Bewegung als Reflex der Babinski-Gruppe bekannt machte.

Funktion & Aufgabe

Reflexe sind automatisierte und unwillkürliche Körperbewegungen, die im Zentralnervensystem nicht direkt im Gehirn, sondern über die Pyramidenbahnen verschalten sind. Diese Verschaltung macht die Bewegungen unmittelbarer und weniger zeitaufwendig. Zwischen dem Trigger und dem Reflex auf diesen Trigger hin vergehen so nur wenige Millisekunden.

Reflex-Trigger sind bestimmte Wahrnehmungen der Sinnessysteme. Bei den meisten Reflexen des Menschen handelt es sich um Schutzreflexe. Beispiele hierfür sind der Hustenreflex und der Lidschlussreflex. Das Lid schließt sich so zum Beispiel unwillkürlich, sobald das visuelle System etwas auf das Auge zukommen sieht. So wird der Augapfel vor Verletzungen und Funktionseinbußen geschützt.

Der Hustenreflex schützt dagegen vor dem Ersticken. Er wird getriggert, wenn die Rezeptoren in den Schleimhäuten der Atemwege eine Reizung detektieren. Solche Reizungen werden zum Beispiel durch Nahrungsbestandteile oder Flüssigkeiten ausgelöst, die versehentlich nicht die Speiseröhre, sondern die Luftröhre durchqueren. Durch ihre Schutzfunktion kommt den menschlichen Reflexen ein evolutionärer Wert zu.

Das Reflexsystem des Menschen verändert sich mit dem Alter. Säuglinge verfügen so zum Beispiel über deutlich mehr Reflexe als ein Erwachsener. Bei Säuglingen ist der Nuckel-Reflex der bekannteste Reflex. Wenn einem Baby zum Beispiel ein Finger an den Mund gelegt wird, triggert diese Berührung automatisch eine Nuckel-Bewegung. Der Mund des Kindes unterscheidet also nicht zwischen der Brust der Mutter und einem Handglied oder sogar einem Gegenstand, wie dem Schnuller. Der Nuckel-Reflex bildet sich in der Regel bis zum ersten Lebensjahr des Säuglings zurück, da das Kind ab diesem Alter nicht mehr darauf angewiesen ist.

Das gesamte Reflexsystem verändert sich während der ersten Lebensjahre. Diese Veränderungen liegen vor allem an der Entwicklung übergeordneter Bewegungskontrolle. Für die übergeordnete Kontrolle der Willkür- und Reflexmotorik sind die Motoneuronen verantwortlich.

Säuglinge unter einem Jahr verfügen neben dem Nuckel-Reflex über alle Reflexe der Babinski-Gruppe. Auch der Chaddock-Reflex ist für Babys also physiologisch. Nur beim Erwachsenen ist von einer krankhaften Erscheinung die Rede. In einem Alter von unter einem Lebensjahr ist die übergeordnete Kontrolle der Motorik noch nicht voll ausgereift. Daher bewegen sich nah beieinander liegende Muskelgruppen wie die der Zehenglieder immer als Gruppe. So wird beim Chaddock-Reflex durch das Bestreichen des äußeren Fußrückens eine Bewegung der Großzehe nach oben getriggert. Die anderen Zehenglieder führen zur selben Zeit eine Spreizbewegung aus.

Wenn diese Erscheinung an einem erwachsenen Menschen beobachtet wird, dann liegt sozusagen eine Rückentwicklung zu einem Stadium vor, während dem die einzelnen Muskelgruppen noch nicht einzeln aktivierbar waren. Da die zentralen Motoneuronen die übergeordnete Kontrollinstanz für Bewegungen sind, lässt sich so eine Schädigung dieser Strukturen vermuten.


Krankheiten & Beschwerden

Der Chaddock-Reflex ist wie alle anderen Reflexe aus der Babinski-Gruppe als Symptom zu werten. In der Regel wird die Reflexbewegung symptomatisch mit Läsionen der zentralen Motoneuronen in Zusammenhang gebracht.

Die Sensitivität des Chaddock-Reflexes ist allerdings umstritten. Zwar ist die Reflexuntersuchung bislang eine Standarduntersuchung bei der neurologischen Diagnostik, das Vorliegen eines pathologischen Reflexes allein reicht für die Diagnose von neurologischen Erkrankungen aber bei Weitem nicht aus. So sind zum Beispiel nur mehrere Pyramidenbahnzeichen ein tatsächlicher Hinweis auf Schädigungen der Motoneuronen. Zusätzlich muss auch der restliche Befund durch Auffälligkeiten im Gebiet der Motorik geprägt sein.

Bei einer Schädigung des ersten Motoneurons liegen primärbefundlich meist spastische Erscheinungen vor. Schädigungen des zweiten Motoneurons äußern sich dagegen in Muskelschwäche, Bewegungsunsicherheiten oder Lähmungen. Beide Motoneuronen können durch verschiedene Erkrankungen des Zentralnervensystems geschädigt werden.

Zu den bekanntesten solcher Erkrankungen zählen Multiple Sklerose (MS) und die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). ALS ist eine degenerative Krankheit des motorischen Nervensystems. Die Multiple Sklerose ist dagegen eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem des Betroffenen körpereigenes Nervengewebe angreift und darin Entzündungen hervorruft. Pyramidenbahnzeichen wie der Chaddock-Reflex werden gerade zu Beginn der Erkrankung als Kriterien für die ungünstige Verlaufsprognose beigezogen.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Schmidt, R., et al.: Physiologie des Menschen. Springer, Heidelberg 2010

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