Hypogenitalismus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 6. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Hypogenitalismus
Hilfreiche Videos: MedLexi.de auf YouTube

Der Hypogenitalismus stellt eine Unterentwicklung der Geschlechtsorgane dar. Dazu zählen sowohl die primären als auch sekundären Geschlechtsmerkmale. Als Ursachen kommen mangelnde Produktion von Sexualhormonen sowie deren unzureichende Wirksamkeit infrage.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Hypogenitalismus?

Bei einem Hypogenitalismus handelt es sich um die unzureichende Ausbildung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale. Dabei steht die Unterentwicklung der äußeren Genitalien im Vordergrund.

Bei einem Hypogenitalismus handelt es sich um die unzureichende Ausbildung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale. Dabei steht die Unterentwicklung der äußeren Genitalien im Vordergrund. Beim Mann entwickelt sich nur ein kleiner Penis. Das Skrotum ist meist klein und glatt. In Extremfällen besteht sogar nur ein Mikropenis. Bei der Frau sind Eileiter und Gebärmutter nicht voll entwickelt.

Beide Geschlechter zeigen auch eine unvollständige Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale. Hypogenitalismus und Hypogonadismus stehen in einem engen Zusammenhang. Dabei dürfen beide Begriffe nicht miteinander verwechselt werden. Beim Hypogonadismus handelt es sich um die Unterfunktion der Keimdrüsen wie Hoden oder Eierstöcke, wobei zu wenig Sexualhormone gebildet werden. Der Mangel an Sexualhormonen verursacht die Unterentwicklung der Geschlechtsorgane (Hypogenitalismus).

Allerdings kann der Hypogenitalismus auch andere Ursachen haben. So ist teilweise trotz normaler Hormonkonzentration die Wirksamkeit der Sexualhormone herabgesetzt.

Ursachen

Die Ursachen für einen Hypogenitalismus sind vielfältig. Dabei ist zu beachten, dass die Unterentwicklung der Geschlechtsorgane keine eigenständige Erkrankung ist, sondern nur ein Symptom einer zugrunde liegenden Störung oder Erkrankung. Oft liegt eine genetisch bedingte Ursache vor. Verschiedene Syndrome wie Klinefelter-Syndrom, Turner-Syndrom, Kallmann-Syndrom, Prader-Willi-Syndrom oder Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom weisen als Symptom auch einen Hypogenitalismus auf.

Mindestens zwanzig verschiedene Erkrankungen oder Syndrome können zu einer Störung der Genitalentwicklung führen. Zumeist sind diese Erkrankungen genetisch bedingt. Sie führen häufig über einen Hypogonadismus zu einer mangelnden Hormonproduktion. Beim Pseudohermaphroditismus feminus besteht jedoch ein männlicher Genotyp XY mit einer ausreichenden Produktion von Testosteron. Aufgrund unwirksamer Rezeptoren für Testosteron kann es seine Wirksamkeit jedoch nicht entfalten.

Der Betroffene ist phänotypisch weiblich, ohne dass jedoch funktionsfähige weibliche Keimdrüsen vorliegen. In einigen Fällen sind jedoch männliche und weibliche Geschlechtsmerkmale gleichermaßen vorhanden. Hierbei wird von Hermaphroditismus (Zwitter) gesprochen.

Ein Hypogenitalismus kann aber auch idiopathisch sein. Hier kommt es zu einer isolierten Unterentwicklung der Genitalien ohne erkennbare Ursache. Möglicherweise findet hier oft aufgrund der unscharfen Definition eine Verwischung der Grenze zwischen normaler und pathologischer Genitaliengröße statt.

Wie bereits erwähnt, ist der Hypogenitalismus nur ein Symptom einer zugrunde liegenden Störung. Er äußert sich beim Mann in einem kleinen kindlichen Penis, der sich auch nach der Pubertät nicht weiterentwickelt. Von Mikropenis wird gesprochen, wenn er im erigierten Zustand eine Länge von sieben cm nicht überschreitet. Außerdem ist die Prostata kaum zu fühlen. Manchmal ist nur ein haselnussgroßer Knoten tastbar. Bei der Frau zeigen sich unterentwickelte Gebärmutter und Eileiter. Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind bei beiden Geschlechtern unzureichend ausgebildet.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die zusätzlichen Symptome richten sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung. Wenn ein Testosteronmangel vorliegt, kommen noch viele weitere Symptome hinzu. Die Voraussetzung für einen Hypogenitalismus ist, dass der Mangel an Testosteron bereits vor der Pubertät auftritt. Es zeigen sich verzögerte Pubertät, kleine Hoden, verminderte Zeugungsfähigkeit, Muskelabbau, weibliche Fettverteilung, Brustentwicklung, Depressionen, sonstige psychische Auffälligkeiten und vieles mehr.

Manchmal besteht ein Hypogenitalismus auch ohne weitere Zusatzsymptome. Bei Auftreten eines Mikropenis liegt manchmal eine intersexuelle Störung vor, bei welcher sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale vorhanden sind. Besonders Jugendliche leiden jedoch oftmals unter psychischen Beeinträchtigungen. Sie entwickeln häufig Schamgefühle und schotten sich vor ihren Altersgenossen ab.

In seltenen Fällen entwickeln sie sogar Angststörungen oder Depressionen. In der Regel sind die Betroffenen hinsichtlich ihrer Erektions- und Ejakulationsfähigkeit durch die Störung nicht beeinträchtigt. In den meisten Fällen ist ein normales Sexualleben für den Betroffenen möglich. Manchmal müssen jedoch Stellungen und Methoden entsprechend angepasst werden. Auch die Zeugungskraft ist uneingeschränkt.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Zur Diagnostik der zugrunde liegenden Störung bei einem Hypogenitalismus wird zunächst die Konzentration der Sexualhormone bestimmt. Je nach auftretenden Symptomen können noch genetische Untersuchungen durchgeführt werden. Das Spektrum der infrage kommenden Syndrome ist sehr groß, sodass Differenzialdiagnosen auf verschiedene Krankheiten notwendig sind.

Komplikationen

Durch den Hypogenitalismus kommt es in erster Linie zu Beschwerden an den Sexualorganen und zu deren Unterentwicklung. Dadurch kann es nicht nur zu physischen, sondern auch zu psychischen Beschwerden beim Patienten kommen. In den meisten Fällen ist die Menge der Sexualhormone beim Patienten gering, sodass sich daraus verschiedene Verhaltensstörungen und Wachstumsstörungen ausbilden.

Nicht selten kommt es auch zu Depressionen und zu anderen psychischen Beschwerden. Die Betroffenen schämen sich oft für die Krankheit und ihre Symptome und leiden damit an Minderwertigkeitskomplexen. Auch die Lebensqualität wird durch die Erkrankung extrem eingeschränkt. In den meisten Fällen wird die Hypogenitalismus durch eine Hormontherapie behandelt wobei keine weiteren Komplikationen auftreten.

Sollten die Beschwerden nicht verschwinden, wird die Grunderkrankung diagnostiziert. Zu Komplikationen kann es dann kommen, wenn keine Behandlung eingeleitet wird und es zum Abbau von Muskeln oder zur Anämie kommt. Weiterhin kann es in schwerwiegenden Fällen auch zu einer Impotenz des Patienten kommen.

Sollte der Hypogenitalismus allerdings nur schwach ausgeprägt sein, ist in den meisten Fällen keine Behandlung notwendig, falls die Beschwerden den Patienten nicht besonders stören. Die Lebenserwartung wird bei einer frühzeitigen und richtigen Behandlung nicht verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Kommt es zu körperlichen Entwicklungsverzögerungen bei Kindern während des Übergangs in die Pubertät, sollte eine Kontrolluntersuchung bei einem Arzt durchgeführt werden. Ebenfalls besorgniserregend ist ein plötzlicher frühzeitiger Entwicklungsstopp bei der Ausbildung der Geschlechtsorgane. Eine verminderte Brustentwicklung oder kleine Hoden sind einem Arzt vorzustellen und untersuchen zu lassen.

Kommt es zu Menstruationsbeschwerden, Unregelmäßigkeiten bei der Monatsblutung oder bleibt die Blutung aus, ist ein Arzt aufzusuchen. Bei sexuellen Funktionsstörungen, einem Verlust der Libido oder optischen Auffälligkeiten der Geschlechtsorgane, ist ein Arztbesuch nötig. Emotionale Probleme, Angst oder Scham sind mit einem Arzt oder Therapeuten zu besprechen. Depressive Phasen, eine anhaltende gedrückte Stimmung, Verhaltensauffälligkeiten oder ein Verlust der Lebensfreude sind Anzeichen, bei denen der Betroffene Hilfe und Unterstützung benötigt.

Eine Änderung der Persönlichkeit gilt als Anlass zur Sorge und muss ärztlich begutachtet werden. Vermehrte partnerschaftliche Konflikte, Isolation oder ein ungewöhnliches Sozialverhalten sind von einem Arzt abklären zu lassen. Ein unerfüllter Schwangerschaftswunsch, ein nicht nachvollziehbarer Abbau der Muskulatur oder eine nicht natürliche Fettverteilung am Körper sollten zu weiteren medizinischen Untersuchungen führen. Eine Ursachenklärung ist nötig, damit sich keine zusätzlichen Erkrankungen ausbilden oder die Lebensqualität des Betroffenen abnimmt. Knotenbildungen im Bereich der Geschlechtsorgane sind schnellstmöglich untersuchen und behandeln zu lassen.

Behandlung & Therapie

Wenn Hypogenitalismus durch einen Mangel an Sexualhormonen verursacht wird, bietet sich eine Hormontherapie an. Bei männlichen Patienten kann Testosteron über Injektionen oder in Form von Testosteronpflastern zugeführt werden. Frauen erhalten weibliche Sexualhormone wie Estradiol, Ethinylestradiol oder das künstliche Sexualhormon Chlormadinon. Die Gabe der Sexualhormone bewirkt eine nachträgliche Entwicklung der primären und sekundären Sexualmerkmale. Es kommt jedoch auch darauf an, um welche Grunderkrankung es sich handelt.

Beim Klinefelter-Syndrom liegt beispielsweise eine numerische Chromosomenaberration bei den Geschlechts-Chromosomen vor. So besteht der Status XXY. Es sind männliche Patienten mit einem primären Testosteronmangel. Die Testosteron-Gabe bewirkt hier eine eindeutige Verbesserung der Lebensqualität. Neben der weiteren Ausbildung der primären Geschlechtsmerkmale wirkt die Hormon-Behandlung auch gegen die bestehende Anämie, Muskelabbau, Osteoporose, Impotenz und Depression.

Manche Störungen haben ihre Ursache auch im hormonellen Regulationssystem. Hier liegt kein isolierter Mangel an Sexualhormonen vor. So kann beispielsweise die Hypophyse als zentrales endokrines Organ betroffen sein. In diesen Fällen muss die Ursache aufgedeckt und behandelt werden. Möglicherweise ist auch eine Hormonersatztherapie notwendig, die andere Hormone mit einschließt. Ein Hypogenitalismus ist jedoch nicht immer behandlungsbedürftig.

Bei einem idiopathischen Hypogenitalismus besteht durchaus zuweilen die Frage, ob die Größe des Geschlechtsorgans in diesem Fall nur außerhalb der per Definition festgelegten Norm liegt.

Hilfreiche Videos für Ihre Gesundheit: MedLexi.de auf YouTube
Hier klicken

Vorbeugung

Eine Vorbeugung vor einem Hypogenitalismus gibt es nicht. Meist liegen hormonelle Störungen vor, die oft genetisch bedingt sind. Grundsätzlich können mehr als zwanzig verschiedene Erkrankungen und Syndrome zu einer Unterentwicklung der Geschlechtsorgane führen. Des Weiteren ist auch zu beachten, dass ein Hypogenitalismus in der Regel nur ein Symptom einer zugrunde liegenden Erkrankung ist.  

Nachsorge

Beim Hypogenitalismus ist eine Nachsorge im medizinischen Sinne rein aufgrund der schwach ausgeprägten Geschlechtsorgane nicht notwendig. Diese bedeuten keinen Behandlungsbedarf, können aber dank einer Hormontherapie zum Wachsen angeregt werden. Diese muss meist ein Leben lang erfolgen, was regelmäßige Kontrollen und gegebenenfalls eine Einstellung der Therapie nach sich ziehen kann.

Allerdings können die vielen verschiedenen Krankheitsbilder und Syndrome, deren Symptom der Hypogenitalismus sein kann, zur Nachsorge zwingen. Zu nennen sind etwa die notwendigen Nachsorgemaßnahmen nach einer Operation bei Menschen mit Trisomie 21, da es hier häufig zu Organfehlbildungen kommt, oder die Nachsorgemaßnahmen bei Menschen mit dem Prader-Willi-Syndrom. Bei letzteren kommt es häufig zu Diabetes und Fettleibigkeit mitsamt allen Komplikationen.

Auch kann der Hypogenitalismus die Betroffenen psychisch stark belasten, was bis zu einem selbstverletzendem Verhalten führen kann. Psychische Erkrankungen und eine anschließende Therapie machen eine Nachsorge in Form von weiteren Gesprächen oder anderen Therapien manchmal notwendig.

Hypogonadismus, welcher sehr häufig ursächlich für den Hypogenitalismus ist, geht öfter mit Osteoporose einher. Aus diesem erhöhten Risiko für Knochenbrüche kann zudem abgeleitet werden, dass die Nachsorge bei Brüchen relevant ist. Dies betrifft aber nicht alle von Hypogonadismus betroffenen Menschen.

Das können Sie selbst tun

Die Mittel der Selbsthilfe sind bei Hypogenitalismus eingeschränkt. Betroffene sind bei dieser Erkrankung immer auf eine ärztliche Untersuchung und Therapie angewiesen, um die Symptome der Erkrankung zu besiegen.

Die weitere Behandlung des Hypogenitalismus hängt allerdings sehr stark von der zugrundeliegenden Erkrankung ab, wird meistens aber mit Hilfe von Hormonen durchgeführt. In den meisten Fällen werden die Beschwerden durch die medizinische Behandlung vollständig eingeschränkt, sodass die Patienten einen gewöhnlichen Alltag führen können. Vor allem eine frühzeitige Diagnose der Erkrankung führt zu einer schnellen Behandlung ohne Komplikationen. Die Betroffenen sind dabei lediglich auf die regelmäßige Einnahme der Hormone angewiesen. Falls die Erkrankung erst spät diagnostiziert wird, so kann sie zu Störungen in der kindlichen Entwicklung führen. Diese Störungen müssen durch eine intensive Therapie ausgeglichen werden. Häufig können dabei auch die Eltern ihr Kind entsprechend fördern, um Beschwerden im Erwachsenenalter zu vermeiden.

Im Falle von psychischen Beschwerden oder Minderwertigkeitskomplexen helfen auch Gespräche bei einem Psychologen oder Therapeuten. Hierbei eignen sich auch Gespräche mit Familienmitgliedern oder mit Freunden. Durch den Kontakt zu anderen Betroffenen des Hypogenitalismus können hilfreiche Informationen für den Alltag gesammelt werden.

Quellen

  • Beckermann, M.J.: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Schwabe, Basel 2004
  • Feige, A., Rempen, A., Würfel, W., Jawny, J., Rohde, A. (Hrsg.): Frauenheilkunde – Fortpflanzungsmedizin, Geburtsmedizin, Onkologie, Psychosomatik. Urban & Fischer, München 2005
  • Goerke, K., Steller, J., Valet, A.: Klinikleitfaden Gynäkologie. Urban & Fischer, München 2003

Das könnte Sie auch interessieren