Infradiane Rhythmik

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die infradiane Rhythmik umfasst wesentliche biologische Zyklen, die länger als 24 Stunden dauern. Ihre Frequenz liegt damit unter der eines Tages. So leitet sich der Begriff von den lateinischen Worten infra (unter) und dies (Tag) ab. Zu diesen chronobiologischen Rhythmen gehören beispielsweise die rund ein Jahr andauernden Vorgänge des Vogelzuges, der Brunftzeit sowie des saisonbedingten Wechsels der Haar- und Federkleider. Sie werden auch als circannuale Rhythmik bezeichnet. Darunter fallen ebenso die Winterruhe, der Sexualzyklus sowie Rhythmen, die etwa einen Lunarmonat dauern (circalunare Rhythmik).

Inhaltsverzeichnis

Was ist die infradiane Rhythmik?

Biologische Rhythmen lassen sich in zwei Hauptarten unterteilen. Neben den infradianen sind dies die circadianen Rhythmen, die sich über 24 Stunden erstrecken und für den Menschen am wichtigsten sind. Zu ihnen zählen der Schlaf-Wach-Rhythmus sowie beispielsweise auch die Rhythmik der pflanzlichen Blattbewegungen.

Weiterhin bedeutsam sind ultradiane Zyklen, die kürzer als 24 Stunden sind. Sie lassen sich exemplarisch an den Fresszyklen der Feldmäuse festmachen. Die semilunare Rhythmik wiederum ist an den Gezeiten orientiert und zum Beispiel für Fische und deren Laichgewohnheiten wichtig. Sie erstreckt sich über 14,25 Tage und erreicht ihre Mitte zwischen zwei Springfluten. Die Zeit von 12,5 Stunden zwischen Ebbe und Flut wird als circatidale Rhythmik bezeichnet. Nach ihr richten sich besonders die Menschen am Wattenmeer.

Funktion & Aufgabe

Dank der modernen Chronobiologie wird die infradiane Rhythmik mittlerweile sehr genau erforscht. Mit ihr sind im sozialmedizinischen Bereich viele wichtige Fragestellungen für den Menschen verbunden. Die vielfältigen Auswirkungen der Schichtarbeit sind dafür ein Beispiel. Weiterhin beeinflussen heutzutage viele Psychopharmaka den Tagesrhythmus des Menschen. Psychiatrische Krankheitsbilder haben teilweise gravierenden Einfluss auf die circadiane Rhythmik.

Generell entfernen sich das heutige Leben und Arbeiten immer weiter vom Lauf der sogenannten biologischen Uhr. Neben der zunehmenden Schichtarbeit ist auch immer mehr Lichtmangel eine Ursache für diese Veränderung. Darüber hinaus beeinflussen häufige Reisen über Zeitzonen hinweg die circadiane Rhythmik stark. Der Zusammenhang dieser Entwicklungen mit psychiatrischen Erkrankungen wie etwa Depressionen ist nicht zu leugnen. Die Chronobiologie als relativ junge Wissenschaft versucht die Auswirkungen der gestörten natürlichen Rhythmik zu erforschen und sie weitgehend beherrschbar zu machen.

Die an den Mondphasen orientierte, circalunare Rhythmik hat dabei eine besondere Bedeutung. Als Teil der infradianen Rhythmik beschreibt sie den 29,5 Tage dauernden Phasenzyklus des Mondes. Die erstaunlichen Reaktionen einiger Tiere auf diese natürlichen Rhythmen lassen sich etwa gut an den Borstenwürmern beobachten. Im Mittelmeer paaren sich einige Arten von ihnen zuverlässig bei Vollmond. Der Palolowurm richtet sich ebenfalls nach den circalunaren Rhythmen. Kurz vor dem Neumond stößt er seinen Hinterleib ab. Dieser enthält die Keimzellen und bewegt sich zur Wasseroberfläche, wo Spermien und Eizellen mit dem Sonnenaufgang zur Befruchtung freigesetzt werden.

Perfekt auf die infradiane Rhythmik eingestellt ist auch der Neuweltliche Ährenfisch (Grunion). Er laicht in den Nächten kurz nach der Springflut im Küstensand. Zum nächsten Hochwasser werden die Laichplätze freigespült und die Larven des Tieres gelangen ins offene Meerwasser. Dieser Vorgang wiederholt sich etwa alle zwei Wochen, jeweils abhängig von Vollmond beziehungsweise Neumond.

Auch der weibliche Sexualzyklus von Mensch und Tier mit Eisprung und Periode stellt einen typischen infradianen Rhythmus dar. Die männliche Brunft ist daran ausgerichtet. Darüber hinaus ist die infradiane Rhythmik bei vielen Säugetieren zugleich mit einem bestimmten Jahresrhythmus verbunden. Dies wiederum lässt sich beim Menschen nicht feststellen.


Krankheiten & Beschwerden

Wird der infradiane Rhythmus des Menschen unterbrochen oder stark verlagert, kann dies bei Frauen beispielsweise zu Unfruchtbarkeit führen. Starke Belastungen durch ständigen Schicht- beziehungsweise Nachtdienst oder verlängerte Arbeitszeiten können eine Schwangerschaft erschweren, wie Studien ergeben haben. Frauen sind in Perioden empfänglich, die im Wesentlichen mit den Zyklen des Mondes und der Gezeiten vergleichbar sind. Ist die infradiane Rhythmik der Frau intakt, setzt sie die Sexualhormone auf eine Art und Weise frei, dass ihre Fruchtbarkeit in einem optimalen Maß gewährleistet ist. Jede gravierende Störung dieser Rhythmik geht zu Lasten der Fruchtbarkeit wie auch der Gesundheit allgemein.

In den infradianen Rhythmus des Menschen eingebunden ist auch der permanente Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung. Wird dieser ständige Wechsel eingehalten und bewusst akzeptiert, bedeutet das weniger Stress im täglichen Arbeitsablauf. Auch der menschliche Stoffwechsel ist an bestimmte Rhythmen gewöhnt und reagiert mit einem Abwehrverhalten, wenn der gewohnte Zeitablauf durcheinander gerät. Entsprechend seiner „inneren Uhr“ benötigt jeder Mensch nach einer aktiven Phase (Arbeit, Sport usw.) von 90 bis 120 Minuten regelmäßig eine Ruhephase von 20 bis 30 Minuten. Wird diese infradiane Rhythmik eingehalten, bleibt die Leistungsfähigkeit langfristig gesehen auf dem bestmöglichen Niveau.

Der menschliche Organismus ist es von Natur aus gewöhnt, diese Rhythmen zu akzeptieren. Mit bestimmten Reaktionen wie dem Gähnen, der Schläfrigkeit und Unkonzentriertheit macht er auf Störungen dieser rhythmischen Abläufe aufmerksam. Wird das Verlangen nach einer Pause übergangen, bildet der Körper über das gewöhnliche Maß hinaus Stresshormone aus, die den Kreislauf und das Wohlbefinden mehr oder weniger stark negativ beeinflussen. Über längere Zeiträume betrachtet werden auf diese Weise zahlreiche körperliche und seelische Krankheiten begünstigt.

Quellen

  • Classen, M., Diehl, V., Kochsiek, K. (Hrsg.): Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2009
  • Mletzko, H., Mletzko, I.: Biorhythmik. Eine Einführung in die Chronobiologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1985
  • Peschke, E.: Chronobiologie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2011

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