Kinn
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Anatomie Kinn
Das Kinn ist beim Menschen unterschiedlich ausgeprägt, kann klein oder groß sein, ein Grübchen oder eine vorspringende bzw. zurückliegende Form aufweisen. Es bildet zwar nicht das Zentrum des Gesichts, bestimmt allerdings das gesamte Gesichtsprofil, wodurch wiederum die Harmonie des Gesichts beeinflusst wird. Das Kinn trägt somit viel dazu bei, ob ein Mensch als schön empfunden wird.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist das Kinn?
Anatomisch betrachtet stellt das Kinn die untere Vorderseite bzw. den unteren Abschluss des menschlichen Gesichts dar. Die anatomische Bezeichnung lautet „Regio mentalis“.
Das Kinn ist mit dem Unterkiefer verbunden und wird von den beidseitigen lateralen Höckerchen des Unterkiefers und von der Protuberantia mentalis gestützt. Darüber liegen ein Fettpolster und der Kiefermuskel, auch „Musculus mentalis“ genannt. Seitlich befindet sich der Niederzieher der Unterlippe und oben der Mundschließmuskel, der die Mimik des Gesichts bestimmt, was wiederum durch den Ast des Nervus facialis möglich ist. Unterhalb des Kinns liegen die Kinnlymphknoten. Die sichtbaren Bereiche werden als Kinnbacken bezeichnet.
Anatomie & Aufbau
Andere Forschungen allerdings ergaben wiederum, dass die Belastung des Kieferknochens nicht zu einem ausgeprägten Wachstum des Kinns führen. Vielmehr ist das Kinn wohl eine Folge des gesamten Entwicklungsprozesses des Menschen, der sich auch auf die untere Gesichtspartie ausgewirkt hat. Das Kinn ist demnach mehr oder weniger ein Zufall und bildete sich im Laufe der Evolution heraus, weil das gesamte Gesicht mit der Zeit immer kleiner wurde. Im Vergleich zum Neandertaler ist das menschliche Gesicht um fast 15 Prozent geschrumpft.
Funktion & Aufgaben
Unter normalen Bedingungen sind Knochenvorsprünge, wie es auch beim Kinn der Fall ist, Ansatzstellen für Muskeln oder dienen einer Stabilisierung des Skeletts. Die rein mechanische Funktion des Kinns hat sich jedoch anhand von biomechanischen Messungen und Forschungsergebnissen nicht bestätigen können. Im Gegenteil zeigte sich, dass der Schädel instabiler wurde, je größer er war. Menschen, die dazu viel kauen und den Unterkiefer verstärkt nutzen, besitzen meistens ein kleineres Kinn als andere.
Wissenschaftler gehen nun vielmehr davon aus, dass das Kinn sich herausbildete, weil der Mensch seine Lebensweise verändert und dadurch seine aggressiv tierischen Merkmale verloren hat. Ähnliche Beobachtungen konnten bei der Veränderung eines wilden Tiers zum Haustier gemacht werden. Die wilden Tendenzen gingen mit der Zeit verloren.
Seit der Mensch durch klimatische Veränderungen und Gefahren durch andere Tiere Gruppen bilden musste, um sich zu wehren und so miteinander zu kooperieren, bildete sich ein soziales Netzwerk des gemeinsamen Zusammenlebens. Durch das Sozialleben hat sich das Äußere angepasst, die Gesichtszüge haben sich für das Miteinander in diesem Sinne verändert. Die Gemeinschaft bewirkte ein immer friedlicheres Aussehen, um miteinander zurechtzukommen.
Das aufeinander Einstellen und die Verteilung der Jagd auf viele Menschen nahm einiges der vorangegangenen Last vom Menschen und bewirkte so eine hormonelle Veränderung der zuvor harten und verwilderten Züge in weiche und gesellige. Die Friedfertigkeit führte zu einem sinkenden Testosteronspiegel. Sowohl die Psyche als auch die Anatomie erfuhren eine Erneuerung.
Auch heute lassen sich diese Bedingungen wahrnehmen. Ein Mann wird z. B. zum echten Kerl und von Frauen als besonders attraktiv wahrgenommen, wenn er ein starkes und ausgeprägtes Kinn besitzt. Damit wird auf biologischer Basis eine gute Zeugungsfähigkeit vorausgesetzt und der für Frauen notwendige Beschützerinstinkt geweckt.
Das Kinn bestimmt mit Nase und Stirn das Profil. Allgemein bewirkt das Kinn die ästhetische Form und den ästhetischen Ausdruck des Gesichts. Dieses wird als besonders attraktiv bzw. schön empfunden, wenn die Frontansicht schmal ist, spitz zuläuft und eine leichte Dreiecksform aufweist. Als Profilansicht wiederum wirkt das Gesicht harmonischer, wenn das Kinn leicht nach außen gewölbt ist.
Eher unästhetisch wirkt daneben ein so bezeichnetes fliehendes Kinn. Die medizinische Bezeichnung dafür lautet „Mikrogenie“. Solch ein Kinn wirkt wie zurückgesetzt und amit sehr unproportioniert. Es ist meistens schwach ausgebildet und bewirkt, dass Mund und Nase weit vorgeschoben erscheinen. Gerade in der Profilansicht wirkt eine Nase durch das fliehendes Kinn weitaus größer als sie ist und dominiert dadurch das Gesicht. Ein fliehendes Kinn kann auch schneller zu einem Doppelkinn führen, gerade wenn am Hals zu viel Haut vorhanden ist.
Ein fliehendes Kinn kann von Geburt aus vorhanden sein, sich aber auch durch den Knochenschwund im Unterkiefer im Laufe der Zeit und des Alterungsprozesses einstellen.
Krankheiten
Das gesamte Gesicht wirkt dann verändert. Die Kinnkorrektur ist darum ein häufig durchgeführter chirurgischer Eingriff, findet sowohl bei einem fliehenden, aber auch bei einem vorspringenden Kinn oder bei einen Doppelkinn Anwendung. Ein Kinnaufbau wird durch körpereigene Knochen oder durch Material ermöglicht, das nicht dem Körper entspringt, also beispielsweise durch biokompatible Implantate.
Bei einer Verkleinerung des Kinns wird ein Teil der knöchrigen Kinngrundlage entfernt. Das geschieht durch eine Osteotomie.
Quellen
- Grillparzer, M.: Körperwissen. Gräfe und Unzer, München 2007
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Klinke, R., Silbernagl, S.: Lehrbuch der Physiologie. Thieme, Stuttgart 2005