Lenz-Majewski-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Als Lenz-Majewski-Syndrom kennt der Mediziner eine Art des hyperostotischen Kleinwuchses, der mit einer Cutix laxa und einer Osteosklerose vergesellschaftet ist. Dem Syndrom liegt eine Mutation von Gen PTDSS1 auf Gen-Locus 8q22.1 zugrunde. Eine kausale Therapie steht den Betroffenen bislang nicht zur Verfügung.
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Was ist das Lenz-Majewski-Syndrom?
Das Lenz-Majewski-Syndrom ist eine spezielle und extrem seltene Form des Kleinwuchses. Der Symptomkomplex wurde bislang nur an neun Fällen beschrieben. Als Syndrom aus der Gruppe des hyperostotischen Kleinwuchses zeichnet sich der Komplex neben dem Kleinwuchs durch charakteristisch faziale Merkmale und eine Cutis laxa aus. Auch fortschreitende Knochensklerosierung wurde an den neuen beschriebenen Fällen beobachtet.
Die fortschreitende Sklerosierung ist auch als Osteosklerose bekannt und entspricht einer Verhärtung des Knochengewebes. Als Prävalenz wird für das Lenz-Majewski-Syndrom nur ein Fall auf eine Million Menschen vermutet. Synonyme für den Symptomkomplex sind die klinischen Begriffe Braham-Lenz-Syndrom und Lenz-Majewski hyperostotic dwarfism.
Ersteres Synonym geht auf den Erstbeschreiber Braham zurück. In seinen Ausführungen bezeichnete er das Syndrom im 20. Jahrhundert noch als Camurati-Engelmann-Syndrom. Eine Erstabgrenzung nahm wenig später der deutsche Humangenetiker Lenz zusammen mit dem Kinderarzt Majewski vor. Die Bezeichnung der Krankheit als Lenz-Majewski-Syndrom bezieht sich auf diese Erstabgrenzung gegen Ende des 20. Jahrhunderts.
Ursachen
Mittlerweile konnte trotz der wenigen beschriebenen Fälle das ursächliche Gen identifiziert werden. So liegt dem Syndrom vermutlich eine Mutation des PTDSS1-Gens zugrunde, das sich am Gen-Locus 8q22.1 befindet. Das Gen codiert für ein Protein, die sogenannte phosphatidylserine Synthase 1.
Durch die Mutation des Gens verliert das Protein seine Funktion, die in der Ausformung von Phosphatidylserine besteht. Phosphatidylserine sind bedeutende Phospholipide, die zu den Membrankomponenten gezählt werden. Dieser Zusammenhang scheint den extremen Kleinwuchs mit krankhaft veränderten Wirbelkörpern auszulösen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Patienten des Lenz-Majewski-Syndroms leiden an verschiedenen klinischen Kriterien. So manifestiert sich die Krankheit bereits im frühen Säuglingsalter und tritt in dieser Zeit als Gedeihstörung in Erscheinung. Die Patienten wirken vorgealterte und progeroid. Ihre Schädelnähte sind ungewöhnlich weit. Dasselbe gilt für ihre Fontanelle. Oft fallen unmittelbar nach der Geburt bereits kraniofaziale Dysmorphien ins Auge.
Die meisten Patienten besitzen eine prominent und extrem breite Stirn. Zusätzlich liegt oft Hypertelorismus vor. Die Tränenkanäle der Betroffenen sind in ihrem Verlauf oft mehr oder weniger weit verlegt. Die Ohrmuscheln wirken übermäßig groß und auffällig schlaff. Am Zahnschmelz der Betroffenen liegen meist Defekte vor, die später Karies begünstigen. Das vorgealterte Aussehen der Betroffenen ist auf eine sogenannte Cutis laxa zurückzuführen.
Dieses Phänomen entspricht dünner und welk wirkender Haut, die vermehrt von Venen durchzeichnet und mit Hernien, Kryptorchismus oder Hypospadie vergesellschaftet ist. Die meisten Patienten leiden an einer geistigen Retardierung. An den Fingern zeigt sich das Syndrom durch häutige Syndaktylien, die meist den Raum zwischen zweitem und fünftem Finger betreffen.
Der schwere Minderwuchs ist das charakteristischste Symptom des Lenz-Majewski-Syndroms. Unter Umständen sind die Körperglieder der Betroffenen zusätzlich von Brachydaktylie betroffen und wirken stark verkürzt.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Um eine erste Verdachtsdiagnose auf das Lenz-Majewski-Syndrom zu stellen, reicht dem Arzt meist schon das klinische Bild. Ergänzend dazu kann ein Röntgenbild veranlasst werden. Die Bildgebung zeigt typische Kriterien wie zum Beispiel die progrediente Osteosklerose an den Schädelknochen und Wirbelkörpern. Dieses Anzeichen kann mit breite Rippen oder Schlüsselbeinen vergesellschaftet sein.
Zusätzlich lassen sich im Röntgenbild unter Umständen diaphysäre Sklerosen mit einer Verbreiterung der Knochen erkennen. Auch eine Hypoplasie an den Mittelphalangen spricht für das Syndrom. Differentialdiagnostisch muss der Arzt das Syndrom von Symptomkomplexen mit ähnlichem Erscheinungsbild abgrenzen, so beispielsweise vom Camurati-Engelmann-Syndrom, der kraniodiaphysären Dysplasie oder der kraniometaphysären Dysplasie.
Um eine Verdachtsdiagnose zweifellos zu sichern, kann eine molekulargenetische Untersuchung vorgenommen werden. Falls der Patient tatsächlich am Lenz-Majewski-Syndrom leidet, erbringt diese Analyse einen Beweis über die genetisch ursächliche Mutation.
Komplikationen
Ohne Behandlung leiden die Betroffenen dabei an starken Zahnschmerzen und an weiteren unangenehmen Beschwerden im Mundraum. Nicht selten führt das Lenz-Majewski-Syndrom auch zu einer geistigen Retardierung, sodass die Patienten auf die Hilfe anderer Menschen in ihrem Alltag angewiesen sind. Oft leiden auch die Eltern und die Angehörigen der Betroffenen unter den Symptomen an psychischen Beschwerden oder an Depressionen.
Weiterhin können auch einzelne Extremitäten durch die Krankheit verkürzt sein, was ebenso zu verschiedenen Einschränkungen im Leben führen kann. Es ist nicht möglich, das Lenz-Majewski-Syndrom kausal zu behandeln. Aus diesem Grund zielt die Behandlung vor allem auf die Reduzierung der einzelnen Symptome ab. Komplikationen treten dabei zwar nicht auf, allerdings stellt sich kein vollständig positiver Krankheitsverlauf ein. In der Regel sind die Betroffenen durch das Lenz-Majewski-Syndrom ihr gesamtes Leben lang auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei Patienten mit dem Lenz-Majewski-Syndrom treten verschiedene Beschwerden auf, die abgeklärt werden müssen. Da die Erkrankung erblich bedingt ist, können die Symptome bereits kurz nach der Geburt diagnostiziert werden. Die Eltern sollten enge Rücksprache mit einem Arzt halten, falls es zu Beschwerden oder Komplikationen kommen sollte. Falls das Kind infolge der Fehlbildungen und Hautveränderungen seelische Probleme entwickelt, muss ein Therapeut hinzugezogen werden. Auch Komplikationen durch etwaige geistige Beschwerden sind von einem Fachmann abzuklären.
Die Eltern halten am besten Kontakt zu einer Fachklinik für genetische Erkrankungen. Weitere Ärzte müssen hinzugezogen werden, wenn das Kind Anzeichen von Sehstörungen oder Beschwerden im Mundraum zeigt. Der charakteristische Minderwuchs muss von einem Orthopäden behandelt werden. Wird das Lenz-Majewski-Syndrom frühzeitig therapiert, können die Beschwerden stark gelindert werden. Deshalb ist eine frühzeitige Abklärung notwendig, auch wenn die Symptome des hyperostotischen Kleinwuchses zu Beginn womöglich noch nicht stark ausgeprägt sind. Das Kind benötigt nach der initialen Behandlung weiterhin die Hilfe von Physiotherapeuten, Psychologen und Ärzten.
Behandlung & Therapie
Bislang stehen für Patienten mit einem Lenz-Majewski-Syndrom keine kausalen Therapieansätze zur Verfügung. Aktuell sind gentherapeutische Behandlungswege aber ein Gegenstand der medizinischen Forschung. Abhängig vom Fortschritt dieses Forschungsgegenstands wird es für das Syndrom zukünftig eventuell gentherapeutisch kausale Heilungsoptionen geben. Aktuell müssen sich Betroffene allerdings mit einer symptomatischen Behandlung zufrieden geben.
Diese symptomatische Behandlung kann beispielsweise eine chirurgische Korrektur der Fehlbildungen beinhalten. Eine solche Korrektur muss nicht immer stattfinden, sondern beschränkt sich auf Syndaktylien, die den Patienten in seinem Alltag einschränken. Die fortschreitende Verhärtung der Knochen lässt sich unter Umständen durch diätische und medikamentöse Interventionen verlangsamen.
Die Osteosklerose sollte ständig und engmaschig kontrolliert werden, damit aufgetretene Frakturen schnell behandelt werden können. Wegen der geistigen und intellektuellen Defizite wird den betroffenen Patienten meist eine Frühförderung empfohlen. Im Rahmen dieser Frühförderung lassen sich etwaige Defizite auf intellektuellem Level idealerweise abschwächen, sodass sie moderat ausfallen und kaum mehr ins Auge fallen. Die Eltern von betroffenen Kindern erhalten idealerweise eine eingehende Beratung bezüglich etwaiger Fördermöglichkeiten.
Aussicht & Prognose
Die Prognose des Lenz-Majewski-Syndroms ist ungünstig. Nach dem bisherigen medizinischen und wissenschaftlichen Stand, gibt es keine Therapiemöglichkeit, die zu einer Genesung führt. Die Ursache der gesundheitlichen Störung basiert auf einem Gendefekt. Da Veränderungen der menschlichen Genetik aus rechtlichen Gründen nicht vorgenommen werden dürfen, gibt es keine Möglichkeit, um die Mutation zu korrigieren.
Der weitere Krankheitsverlauf richtet sich nach der Ausprägung der einzelnen Beschwerden. Dennoch ist bei einem Patienten des Syndroms grundsätzlich die Lebensqualität erheblich eingeschränkt. Auch bei einer leichten Ausprägung der Symptome kommt es zu Auffälligkeiten im Wachstumsprozess. Charakteristisch für die Erkrankung ist ein Minderwuchs. Dieser kann auch durch die Gabe von Hormonen nicht korrigiert werden. Der optischen Makel führt zu einem Zustand der emotionalen Belastung. Aus diesem Grund ist das Risiko für psychische Folgeerkrankungen bei den Betroffenen erhöht.
Bei einem schweren Krankheitsverlauf sind neben den körperlichen Auffälligkeiten auch kognitive Einschränkungen vorhanden. Die geistige Retardierung kann bereits in den ersten Lebensjahren durch eine Frühförderung unterstützt werden. Die kognitive Leistungsfähigkeit ist dann insgesamt verbessert, jedoch besteht die Möglichkeit, dass Einschränkungen des Leistungsniveaus lebenslang erhalten bleiben. Die Defizite können mit der Hilfe eines Therapeuten und Unterstützung von Angehörigen minimiert werden. Dadurch wird bei einigen Patienten eine gute Lebensführung ermöglicht.
Vorbeugung
Dem Lenz-Majewski-Syndrom lässt sich bislang nicht vorbeugen, da dem Symptomkomplex ursächlich eine genetische Neu-Mutation aus nicht näher identifiziertem Grund zugrunde liegt.
Nachsorge
Da das Lenz-Majewski-Syndrom unheilbar ist, ist eine regelmäßige und umfassende Nachsorge erforderlich. Betroffene leiden meist an einer Reihe von Komplikationen und Beschwerden, die dabei im schlimmsten Fall zum Tod des Betroffenen führen können. Die Krankheit sollte daher schon sehr rasch erkannt werden, um weitere Beschwerden oder Komplikationen einzudämmen.
Betroffene sollten regelmäßig einen Arzt aufsuchen, um die Einstellung der Medikamente sowie mögliche Nebenwirkungen zu überprüfen. Da die Erkrankung sehr belastend sein kann für den Betroffenen und dessen Angehörige, kann eine psychologische Betreuung empfehlenswert sein, um das Leid generell zu mindern.
Das können Sie selbst tun
Es ist nicht möglich, das Lenz-Majewski-Syndrom durch Mittel der Selbsthilfe zu behandeln. In der Regel ist auch eine direkte, medizinische Behandlung des Syndroms nicht möglich, da es sich um eine erblich bedingte Erkrankung handelt.
Sollte der Betroffene intellektuelle Defizite aufweisen, so müssen diese durch eine intensive Förderung behoben werden. Je früher diese Förderung dabei beginnt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit des Ausgleiches dieser Defizite. Hierbei können auch die Eltern mit dem Kind im eigenen Zuhause verschiedene Übungen durchführen, um den Geist zu fördern und zu stärken. Allerdings sollte auch im Kindergarten und in der Schule eine intensive Förderung des Kindes erfolgen.
Die Verhärtung der Knochen kann durch die Einnahme von Medikamenten gelindert werden. Hierbei ist auf eine regelmäßige Einnahme zu achten, wobei Eltern vor allem bei Kindern diese Regelmäßigkeit beachten sollten. Durch eine angepasste Ernährung kann die Verhärtung ebenso aufgehalten werden. Hierbei ist jedoch die genaue Anweisung des Arztes zu einer speziellen Diät zu beachten. Die Fehlbildungen werden durch operative Eingriffe korrigiert und können nicht durch Mittel der Selbsthilfe behandelt werden.
Quellen
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Niethardt, F.U.: Kinderorthopädie. Thieme, Stuttgart 2009
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003