Lärmempfindlichkeit
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Lärmempfindlichkeit ist eine hohe Sensibilität gegen Alltagsgeräuschen, die für gesunde Menschen keine Probleme darstellen. Sie ist häufig Resultat eines Traumas, Stress oder einer anderen Verletzung.
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Was ist Lärmempfindlichkeit?
Lärmempfindlichkeit (Hyperakusis) ist eine Störung, die eine Übersensibilität für bestimmte Frequenzbereiche von Umgebungsgeräuschen mit sich bringt.
Einer Person, die an Lärmempfindlichkeit leidet, empfindet alltägliche Geräusche als schwer erträglich und sehr laut, mit denen andere Personen keinerlei Probleme haben. Lärmempfindlichkeit kann das Produkt einer Verletzung des Hörorgans oder des Innenohrs sein. Auch andere Störungen in den Nervenbahnen zwischen Ohr und Gehirn können als Ursache in Erwägung gezogen werden.
Es kann auch eine Störung des Nervensystems oder des Gehirns angenommen werden. In diesem Fall wäre die Lärmempfindlichkeit ein rein neurologisches Problem und beeinträchtigt von der Rezeption und Verarbeitung des Gehirns.
Ernste Formen der Lärmempfindlichkeit sind sehr selten, doch schwächere Formen betreffen viele Menschen. Sie sind nicht selten das Resultat einer längeren Krankheit, Stress oder verwandten Traumata wie Tinnitus.
Ursachen
Andere Menschen wiederum werden mit einer Lärmempfindlichkeit geboren, entwickeln eine Bogengangsdehiszenz, haben eine längere Krankheitsgeschichte mit Ohrinfektionen oder stammen aus einer Familie, in der Hörprobleme verbreitet sind. Lärmempfindlichkeit ist eine überaus häufige Nebenwirkung des Langzeitmissbrauch von Phencyclidin.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Gesteigerte Lärmempfindlichkeit - auch Hyperakusis genannt - kann sich in Aggressionen, Reizbarkeit oder gestressten Nerven äußern. Es kommt aus verschiedenen Gründen zu einer verstärkten Empfindlichkeit gegenüber alltäglichen Geräuschen. Diese können üblicherweise weggeblendet werden. Bei akuter Lärmempfindlichkeit sind die Geräusche aber so vordringlich, dass der Betroffene sich von ihnen überrollt fühlt.
Durch den Umstand, dass Menschen normalerweise den gewohnten Lärmpegel teilweise ausblenden können, wird ersichtlich, dass Lärmempfindlichkeit ein subjektives Empfinden ist. Eine erhöhte Lärmempfindlichkeit kann den Wegfall der üblicherweise funktionierenden Filterungsmöglichkeiten im Gehirn bedeuten. Gesteigerte Lärmempfindlichkeit kann auch durch einen erhöhten Lärmpegel entstehen.
Die Symptomlage ist bei beiden Ursachen die gleiche. Es kommt zu einer störenden Wahrnehmung von Lärm. In Folge dieser verstärkten Wahrnehmung sind die Betroffenen überreizt, verärgert, aggressiv oder gestresst. Der Zustand kann vorübergehend sein oder anhalten. Halten die Symptome der Lärmempfindlichkeit an, sollte der Betroffene medizinischen Rat suchen.
Anhaltende Lärmempfindlichkeit kann die Betroffenen schreckhafter machen. Es kann zu Kopf- oder Ohrenschmerzen kommen. In einem oder beiden Ohren kann ein Tinnitus entstehen. In krassen Fällen kann eine Lärmschwerhörigkeit entstehen. Dies ist beispielsweise nach häufigen Beschallungen mit zu lauter Musik oder einem Knalltrauma der Fall. Beim Registrieren der Symptome einer erhöhten Lärmempfindlichkeit sollten die Betroffenen nach Möglichkeit die Ursachen abstellen.
Diagnose & Verlauf
Die Diagnose von Lärmempfindlichkeit bezieht sich auf die Ausprägungen der Symptome und Anzeichen. Betroffene stören sich plötzlich an Geräuschen, die vorher unproblematisch waren oder die andere Menschen nicht stören.
Sie klagen womöglich über Schmerzen oder andere Irritationen. Betroffene haben eventuell ein gereiztes und rotes Trommelfell, oder ein Trommelfell, das locker oder sehr gespannt ist. Ein Ohrenarzt wird vermutlich Pegelgrenzen für Schmerzen und Unannehmlichkeiten auf beiden Seiten austesten. Bei diesem Verfahren wird mit sehr leisen Tönen begonnen, die graduell ansteigen und lauter werden. Wenn die Toleranzschwelle unter 90 dB für Geräusche und 95 dB für Stimmen fällt, wird in der Regel von einer akuten Lärmempfindlichkeit ausgegangen.
Die Sensibilität ist jedoch sehr individuell, es existiert kein objektiver Test für Lärmempfindlichkeit. Diese Tests sollten regelmäßig wiederholt werden, da die Ursachen und die Erscheinungen der Empfindlichkeit variieren können. Hier spielen häufig psychologische Faktoren wie Stress, Angst und Aufregung eine wichtige Rolle.
Komplikationen
Darüber hinaus können sich bestehende Krankheiten wie Diabetes oder Neurodermitis verstärken, wodurch es zu weiteren Komplikationen kommen kann. Auch seelische Erkrankungen wie Burnout, Angststörungen und Depressionen können sich ausbilden. Ebenso erhöht sich die innere Unruhe und Nervosität. Bestehende Erkrankungen wie ADS und ADHS können verstärkt auftreten und weitere Komplikationen mit sich bringen.
Langfristig stellt eine ausgeprägte Lärmempfindlichkeit eine erhebliche Belastung für die Betroffenen dar, die weitere körperliche und psychische Probleme verursachen kann. Bei der Behandlung einer Lärmempfindlichkeit kann es ebenfalls zu Komplikationen kommen.
So können Schlafmittel und Medikamente zur Stressreduktion Nebenwirkungen hervorrufen, welche die vorhandenen Beschwerden auf Dauer noch verstärken. In Folge von Vermeidungsstrategien kann es außerdem zur sozialen Ausgrenzung kommen, wodurch sich das Wohlbefinden meist noch verschlechtert. Eine professionell unterstützte Behandlung ist bei Lärmempfindlichkeit also unerlässlich.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine Lärmempfindlichkeit ist oft harmlos und geht nach einiger Zeit von selbst zurück. Sollte die Überempfindlichkeit länger als einige Wochen bestehen bleiben oder im Verlauf sogar stärker werden, muss der Betroffene einen Mediziner aufsuchen. Insbesondere wenn die Lärmempfindlichkeit zu Kopfschmerzen, Reizbarkeit oder einem allgemeinen Unwohlsein führt, ist ein Arztbesuch angezeigt. Treten die Beschwerden unmittelbar nach einem Konzertbesuch oder einer anderen Situation auf, in welcher die Beteiligten einer hohen Lautstärke ausgesetzt waren, muss noch am selben Tag die Arztpraxis bzw. das Krankenhaus aufgesucht werden.
Grundsätzlich muss mit einer erhöhten Sensibilität des Hörvermögens zum Arzt gegangen werden, sobald sich dadurch seelische oder körperliche Beschwerden entwickeln. Personen, die eine lange Krankheitsgeschichte mit wiederholten Ohreninfektionen hinter sich haben, sprechen bei Anzeichen einer Lärmempfindlichkeit am besten mit dem zuständigen Arzt. Neben dem Hausarzt kann ein Ohrenarzt hinzugezogen werden. Begleitend dazu sind Verhaltenstherapie und Psychotherapie sinnvoll, immer abhängig von Ursache, Art und Ausprägung der Beschwerden.
Behandlung & Therapie
Auch wenn es bis heute keine invasive Methode gibt, eine Lärmempfindlichkeit chirurgisch zu korrigieren, existieren eine Reihe von Methoden, die den Betroffenen dabei helfen können, mit ihrer Störung zu leben und die Sensibilität gegenüber bestimmter Geräusche langsam zu reduzieren.
Diese Methoden beinhalten in den meisten Fällen eine Akustik-Therapie oder ein gezieltes Umlernen der Empfindung. Diese Therapien zielen darauf ab, die betroffene Person durch die Konfrontation mit bestimmten Geräuschen erneut an Umgebungsgeräusche zu gewöhnen und ihre psychologische und körperliche Reaktion darauf zu beeinflussen.
Die begleitete Verhaltenstherapie möchte hier die Einstellung und den Umgang des Patienten mit den Geräuschen beeinflussen. Die Akustik-Therapie hingegen reduziert in langsamen Schritten die Sensibilität. Zur Ausführung dieser Behandlung existieren spezielle Geräte, die durchgehende Geräusche produzieren.
Die Theorie geht hier davon aus, dass die regelmäßige Stimulation mit einem bestimmten Geräusch in einer sicheren Umgebung, den Patienten vorbereitet diesen Geräuschen auch im Alltag standzuhalten. Diese Therapie erzielt gute Erfolge, doch benötigt drei Monaten bis zu zwei Jahre um zu wirken.
Aussicht & Prognose
Eine Lärmempfindlichkeit hat für die Betroffenen meist keine größeren Einschränkungen zur Folge. Je nach Ausprägung des Leidens kann es bereits genügen, Ohrstöpsel zu tragen oder bauliche Veränderungen an der Wohnung vorzunehmen. Die wichtigste Maßnahme besteht darin, laute und störende Geräusche zu vermeiden. Geschieht dies ausreichend, ist die Prognose relativ gut. Die Betroffenen können ihrem Beruf ohne große Einschränkungen nachgehen und auch Hobbys weiterhin ausüben.
Bei einer plötzlich auftretenden Lärmempfindlichkeit, wie sie beispielsweise durch ein Knalltrauma zustande kommen kann, entsteht häufig großer Stress, der medikamentös behandelt werden muss. Die Lebenserwartung wird durch eine Lärmempfindlichkeit nicht reduziert. Die Betroffenen sollten darauf achten, dass sie laute Geräusche weitestgehend einschränken. Liegt dem Leiden eine seelische Erkrankung zugrunde, muss diese zunächst behandelt werden. In der Folge verbessert sich oftmals auch die Lärmempfindlichkeit.
Bei anhaltenden Beschwerden, die das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen, sind unter Umständen größere Veränderungen im Alltag notwendig. Der Betroffene muss unter Umständen den Beruf oder sogar den Wohnort wechseln, um der ständigen Lärmbelastung zu entgehen. Die Lärmempfindlichkeit stellt in diesem Fall eine große Belastung dar, welche die Lebensqualität erheblich reduziert.
Vorbeugung
Viele Menschen beschreiben das Einsetzen der Lärmempfindlichkeit als Resultat eines Traumas. Folglich sollte sich vor der Konfrontation mit hohen Dezibelwerten geschützt werden. Dies gilt beispielsweise beim Besuch eines Konzertes oder dem Proben beim lauten Musizieren. Ansonsten gilt eine frühe Diagnose und Behandlung der Lärmempfindlichkeit, damit sich die Sensibilität nicht noch verstärkt.
Nachsorge
Eine nicht ausgeheilte Lärmempfindlichkeit kann bei Betroffenen zu verschiedenen Beschwerden und Komplikationen führen, die eine anhaltende Nachsorge erforderlich machen können. Diese Beschwerden verringern zwar nicht die Lebenserwartung, können sich jedoch sehr negativ auf die Lebensqualität des Patienten auswirken und zu deutlichen Einschränkungen im Alltag führen. Daher sollte schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen eine Untersuchung durch einen Arzt stattfinden.
Die Betroffenen sind aufgrund der Lärmempfindlichkeit stark gereizt und leiden nicht selten an starken Depressionen oder an anderen psychischen Verstimmungen. Einfühlsame Gespräche mit Freunden und der Familie helfen, das seelische Leiden zu mindern. Zudem ist es nützlich, wenn Betroffene ihr soziales Umfeld auf ihre Erkrankung aufmerksam machen, um Vorurteilen oder Missverständnissen vorzubeugen.
Denn mitunter kann es dadurch zu Minderwertigkeitskomplexen oder zu einem verringerten Selbstwertgefühl kommen, wenn diese Krankheit dauerhaft anhält und den Alltag des Betroffenen einschränkt. Vor allem in stressigen Situationen oder bei starken körperlichen Aktivitäten können sich die Symptome verstärken, sodass sich der Betroffene nicht mehr richtig konzentrieren kann. Daher ist die gezielte Ansprache an die Mitmenschen ein wesentliches Element der Nachsorge, um den Umgang mit der Erkrankung dauerhaft zu meistern.
Das können Sie selbst tun
Ohrstöpsel oder Ohrenschützer etwa, filtern störende Geräusche zuverlässig und schnell aus. Auf lange Sicht können diese Mittel die Lärmempfindlichkeit jedoch noch verstärken. Darum sollte die hohe Geräuschsensibilität ursächlich behandelt werden. Bewährt hat sich beispielsweise eine Akustik-Therapie oder ein gezieltes Umlernen der Empfindungen und Reaktionen auf Geräusche. Im Rahmen dieser Therapien werden die Umgebungsgeräusche mit positiven Reizen verknüpft, wodurch sich langfristig die psychologische und körperliche Reaktion darauf reguliert. Begleitend dazu bietet sich eine Verhaltenstherapie an, die den Umgang des Patienten mit den Geräuschen schult.
Zeigen diese Maßnahmen keine Wirkung, sollte die alltägliche Geräuschbelastung so gut wie möglich reduziert werden. Hier bietet sich eine Dämmung der Wände ebenso an wie ein aufklärendes Gespräch mit lauten Nachbarn oder Arbeitskollegen. Zuletzt kann auch ein Umzug in eine ruhigere Gegend oder ein Jobwechsel helfen.
Quellen
- Arnold, W.: Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
- Boenninghaus, H. G., Lenarz, T.: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2012
- Reia, M.: Facharztwissen HNO-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2009