Medulla oblongata
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Medulla oblongata ist der am weitesten kaudal gelegene Hirnteil und wird auch als Markhirn bezeichnet. Bekannt ist diese Hirnregion vor allem als Zentrum der Atmung, der Reflexe und des Blutkreislaufs. Ausfälle der Medulla oblongata sind mit Hirntod assoziiert und können ein Bulbärhirnsyndrom, ein Mittelhirnsyndrom oder ein Apallisches Syndrom verursachen.
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Was ist die Medulla oblongata?
Das zentrale Nervensystem des Menschen besteht aus Rückenmark und Gehirn. Letzteres ist aus unterschiedlichen Teilen aufgebaut, die alle mit speziellen Funktionsfeldern assoziiert sind. Ein solcher Teil ist die Medulla oblongata, die auch als verlängertes Mark, Bulbus medullae spinalis oder Bulbus cerebri bekannt ist.
Es handelt sich um den am weitesten kaudal gelegenen Gehirnteil mit Lokalisation zwischen Rückenmark und Mittelhirn oder Mesencephalon. Gemeinsam mit der Brücke und dem Gebiet des Kleinhirns formt die Medulla oblongata das Rhombencephalon, das eines der wichtigen Reflexzentren im menschlichen Körper darstellt. Die Medulla oblongata entsteht in der embryonalen Entwicklungsperiode aus dem Myelencephalon, dem sogenannten Nachhirn. Funktionell besteht der Gehirnteil Medulla oblongata aus drei unterschiedlichen Gebieten: Tegmentum, Pyramis und Olive. Bekanntermaßen beheimatet der kaudale Gehirnanteil neben dem Reflexzentrum das Blutdruck- und Atemzentrum des Körpers.
Anatomie & Aufbau
Die Hinterstrangskerne Nucleus gracilis und cuneatus liegen an dieser Stelle und bilden die Enden von epikritisch sensiblen Nervenfasern. Im Ventralanteil der Medulla oblongata sitzen die Pyramides aus Nervenfasern der Pyramidenbahnen. Die Pyramidenbahnkreuzung liegt unmittelbar darunter. Lateral der Zone liegen die Oliven, die mit den Olivenkernen Kerngebiete der feinmotorischen Koordination enthalten. Der Nervus hypoglossus oder XII. Hirnnerv tritt zwischen Oliven und Pyramides aus. Auf der Außenfläche liegt eine Einsenkung, die als Fissura mediana anterior medullae oblongatae bezeichnet wird.
Funktion & Aufgaben
In der Medulla oblongata liegen neuronal wichtige Zentren des Blutkreislaufs, der Atmung und der Reflexmotorik. Reflexe sind automatisierte Bewegungsabläufe, die auf einen bestimmten Reiz folgen und willkürlich nicht kontrolliert werden können. Viele menschliche Reflexe sind sogenannte Schutzreflexe, so zum Beispiel der Nies- und Hustenreflex. Ein lebenswichtiger Reflex ist darüber hinaus der Atemreflex.
Jeder reflektorischen Bewegung geht ein äußerer oder innerer Reiz voraus, der von Sinneszellen der Wahrnehmung registriert wird und über afferente Nervenbahnen das zentrale Nervensystem erreicht. Im zentralen Nervensystem schaltet der Reflexbogen die das ankommende Aktionspotenzial auf efferente Nervenbahnen um, über die die Erregung die Effektor-Organe erreicht. Das Reflexzentrum der Medulla oblongata spielt für diese Vorgänge eine entscheidende Rolle und ist damit zum Beispiel für den Schluck-, den Saug- und den Hustenreflex relevant.
Darüber hinaus liegt das Brechzentrum in der Medulla oblongata: ein weiterer Schutzmechanismus des menschlichen Körpers. Außerdem finden sich in dem kaudalen Anteil des Gehirns viele Rezeptoren, die an der Regulierung des Säure-Basen-Haushalts beteiligt sind. Diese Rezeptoren werden in der Fachsprache auch als Chemo-Sensoren bezeichnet. Durch das Markhirn wandern zusätzlich alle absteigenden Verbindungsbahnen zwischen Hirnbereichen wie dem Großhirn und dem Rückenmark.
Auf der anderen Seite laufen auch aufsteigende Bahnen aus dem Rückenmark durch die Medulla oblongata und werden im Markhirn umgeschaltet, so zum Beispiel die Bahn des Hinterstrangs. Die Medulla oblongata übernimmt mit den genannten Funktionen einen Großteil aller Arbeitsvorgänge, die für das menschliche Leben erforderlich sind.
Krankheiten
Falls das Großhirn des Patienten größtenteils noch funktionsunfähig ist, ist von einem Teilhirntod die Rede. Ein alleiniger Großhirnausfall begründet die Diagnose eines Hirntods nicht, da der Patient mithilfe der Medulla oblongata und der von ihr regulierten Körperfunktionen zumindest körperlich weiterleben kann. Ein Patient mit intakter Medulla oblongata bedarf auch bei Großhirnausfällen keiner künstlichen Beatmung. Die Folge aus einem derartigen Szenario ist allerdings ein tiefes Koma mit meist Apallischem Syndrom. Dabei handelt es sich um ein Krankheitsbild, das durch schwere Hirnschädigungen hervorgerufen wird und einen funktionellen Ausfall der Großhirnfunktion beinhaltet, während Zwischenhirn, Hirnstamm sowie Rückenmark weiterhin funktionieren.
Die Patienten wirken aus diesem Grund wach, aber sind wahrscheinlich nicht zur Kommunikation in der Lage. Bei einem Ausfall der Hirnstammfunktionen innerhalb der Medulla oblongata ist wiederum von einem Bulbärhirnsyndrom die Rede. Dieser Symptomenkomplex ergibt sich meist als Folge eines Mittelhirnsyndroms und beginnt mit ataktischer Atmung oder Schnappatmung bis hin zum Atemstillstand. Der Patient fällt im Verlauf in ein tiefes Koma. Die Muskelspannung am gesamten Körper erschlafft und die lichtstarren Pupillen weiten sich. Reflexe wie der Kornealreflex erlöschen und die Augäpfel nehmen divergente Stellung ein. In den meisten Fällen ist das Krankheitsbild die Folge einer Kompression. Besonders häufig verklemmte sich die Medulla oblongata an den Kleinhirntonsillen. Der Ausgang dieses Phänomens ist meist tödlich.
Quellen
- Lippert, H. et al: Anatomie. Text und Atlas. Urban & Fischer/ Elsevier, München 2017
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
- Weniger, W.: Gehirn und Nervensystem. Facultas, Wien 2019