Lidschlussreflex

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Lidschlussreflex

Der Lidschlussreflex ist ein sogenannter polysynaptischer Fremdreflex, der dem Schutz der Augen vor Fremdkörpereinwirkung und vor Austrocknung dient. Der Reflex kann durch taktile, optische oder akustische Reize ausgelöst werden, auch Erschrecken kann den Reflex aktivieren. Er betrifft immer beide Augen, auch bei taktilen oder optischen Reizen, die nur an einem Auge auftreten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Lidschlussreflex?

Der Lidschlussreflex ist ein sogenannter polysynaptischer Fremdreflex, der dem Schutz der Augen vor Fremdkörpereinwirkung und vor Austrocknung dient.

Der Lidschlussreflex, der dem unmittelbaren Schutz der Augen gegen das Eindringen von Fremdkörpern (z. B. Insekten oder durch Wind verfrachtete Partikel) dient, wird durch taktile Reize an der Hornhaut oder der unmittelbaren Augenumgebung ausgelöst. Der Reflex kann aber auch durch helle Lichtreize aktiviert werden. In diesem Fall dient er hauptsächlich dem Schutz der Netzhaut und der darin befindlichen Photorezeptoren (Stäbchen und Zapfen) gegen Schädigung durch einen zu starken Lichteinfall.

Bei Auslösung des Reflexes durch akustische Reize, z. B. durch einen lauten Knall, oder durch eine Schrecksituation handelt es sich um eine Art prophylaktischem Schutz der Augen. Auch der unwillkürliche, regelmäßig wiederkehrende Lidschluss, der ohne äußeren Reiz erfolgt und die Augen vor Austrocknung bewahrt, ist Teil des Reflexes.

Der Lidschlussreflex ist ein sogenannter Fremdreflex, weil er nicht von dem Organ, das betroffen ist, ausgeht, sondern weil das agierende Organ ein anderes ist. Es muss eine nervliche synaptische Verschaltung erfolgen, um die Verbindung zwischen dem betroffenen Organ und dem agierenden Teil des Körpers herzustellen. Daher werden Fremdreflexe auch als polysynaptische Reflexe bezeichnet. Der Nachteil besteht darin, dass der Reflex dadurch deutlich schwerfälliger wird gegenüber einem unmittelbaren Reflex, der keine synaptischen Verschaltungen mit dem zentralen Nervensystem benötigt.

Der Zeit vom taktilen Reiz bis zum Lidschluss beträgt etwa 250 Millisekunden.

Funktion & Aufgabe

Der Lidschlussreflex erfüllt wichtige Funktionen zum mechanischen Schutz der Augen vor der Einwirkung von Fremdkörpern und vor plötzlichem starken Lichteinfall, der die Photorezeptoren in der Netzhaut schädigen könnte. Außerdem sorgt der Reflex in Form des regelmäßig wiederkehrenden unwillkürlichen Lidschlusses für den notwendigen Tränenfilm auf der Hornhaut, die das Auge nach außen abschließt. Die Benetzung der Hornhaut mit Tränenflüssigkeit sorgt für eine im wahrsten Sinne des Wortes reibungslose Bewegungsmöglichkeit des Augapfels und für einen klaren Strahlendurchgang des einfallenden Lichts und damit für eine ungetrübte und unverzerrte Projektion auf die Netzhaut.

Die mechanische Schutzwirkung durch den Lidschluss wird noch unterstützt durch das sogenannte Bell-Phänomen. Gleichzeitig mit dem Schließen der Augenlider rollen die Augen völlig unbewusst und unbemerkt nach oben-außen. Hierdurch wird der unmittelbar funktionale Bereich des Auges, Linse und Pupille, aus dem „Gefahrenbereich“ gedreht und so eine weitere prophylaktische Schutzwirkung erzielt. Die Augen rotieren in eine Position, die sie auch während des Schlafes einnehmen.

Zusätzlich stellt sich während des reflektorisch ausgelösten Lidschlusses noch das Westphal-Piltz-Phänomen ein. Zusammen mit dem Lidschluss und dem Bell-Phänomen verengen sich beide Pupillen. Auch dieses Phänomen dient höchstwahrscheinlich einem prophylaktischen Schutz. Die verengten Pupillen schützen die Fotorezeptoren vor eventuell auftretenden starken Lichtblitzen.

Da es sich bei dem Lidschlussreflex um einen Fremdreflex handelt, ist der Reflex bis zu einem gewissen Grad konditionierbar oder er kann durch Präpulsinhibition abgeschwächt werden. Nur deshalb ist es zB möglich, Kontaktlinsen einzusetzen. Kontaktlinsenträger müssen den Lidschlussreflex ein wenig „wegtrainieren“, um überhaupt Kontaktlinsen einsetzen zu können, ohne den Reflex auszulösen. Die Abschwächung des Reflexes durch Präpulsinhibition bedeutet, dass sich der Reflex durch mehrmalige Berührung der Hornhaut insgesamt abschwächt, weil sich das Gehirn auf weitere, stärkere Reize einstellt.


Krankheiten & Beschwerden

Eine Beeinträchtigung oder Ausfall des Lidschlussreflexes einschließlich des sich wiederholenden unwillkürlichen Lidschlusses zur Benetzung der Hornhaut führt bereits kurzfristig zu Problemen mit trockener Hornhaut, die sich in juckenden oder brennenden Augen und in Bindehautreizungen bis hin zu Bindehautentzündungen bemerkbar machen. Die Verletzungsgefahr für die Augen steigt, weil der Schutzreflex wegfällt oder stark reduziert ist.

Als Ursachen für den Ausfall des Lidschlussreflexes kommen die afferenten sensorischen oder die efferenten motorischen Nervenfasern in Betracht oder die Verarbeitungszentren der sensorischen Meldungen. Ebenso können Muskellähmungen (Fazialisparese) der Gesichtsmuskeln und insbesondere der Lidmuskulatur zu einem Ausfall des Lidschlussreflexes führen.

Sensorische taktile Meldungen, die den Reflex auslösen können, laufen über einen afferenten Seitenast des 5. Hirnnervs, des Nervus trigeminus, zu verschiedenen Nuclei bevor sie in das Reflexzentrum des Hirnstamms geleitet werden. Im Falle eines starken Lichtreizes werden die Reize über den Sehnerv weitergeleitet.

Die „Anweisungen“ zum Lidschluss verlaufen über die efferenten Äste des 7. Hirnnervs, des Nervus facialis, zu den Lidmuskeln. Das bedeutet, dass der Gesamtreflex gestört ist, wenn nur ein einziger Teil des Reflexbogens wie in einer elektrischen Reihenschaltung Störungen aufweist.

Nervenkrankheiten wie Gesichtslähmung (Fazialisparese) oder ein paralytischer Lagophthalmus mit Lähmung der Lidmuskeln verursachen einen Teil- oder Totalausfall des Lidschlussreflexes. Die Unterdrückung des Reflexes kann auch durch Anästhetika verursacht werden. Die Wirksamkeit einer lokalen Anästhesie im Bereich der Augen kann durch Provozierung des Reflexes überprüft werden. Falls der Reflex ausbleibt, ist die lokale Anästhesie absolut wirksam.

Bei blinden Personen stellt sich in der Regel ein dauerhafter Lidschluss ein. Ebenso kann ein dauerhafter Lidschluss durch bestimmte Reizstoffe wie Capsaicin provoziert werden. Capsaicin ist der für seine Schärfe berüchtigte Stoff, der in Pfefferschoten vorkommt. Der gleiche oder ein ähnlicher Wirkstoff ist auch Hauptbestandteil der berüchtigten Pfeffersprays. Bei Berührung des Wirkstoffs mit den Augen kommt es zu einem krampfartigen Lidschluss, der mindestens 30 bis 40 Minuten anhält.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

Das könnte Sie auch interessieren