Niesreflex
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Niesreflex zählt zu den Schutzreflexen und entspricht einem "unechten" Fremdreflex. Niesen reinigt die oberen Atemwege von Nasensekret und fremdkörperlichen Substanzen, um eine freie Atmung sicherzustellen. Störungen des Niesreflexes treten vor allem nach Schädigungen des peripher und zentral beteiligten Nervengewebes ein, zu dem neben dem Atem- und Geschmackszentrum des Gehirns insbesondere das Rückenmark zählt.
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Was ist der Niesreflex?
Jeder Mensch verfügt über Reflexe. Die erste Instanz jedes Reflexbogens ist eine Sinneswahrnehmung. Der wahrgenommene Reiz wird über afferente Nerven Richtung Zentralnervensystem geleitet, wo der Reflexbogen auf bestimmte motorische Nerven verschaltet ist. Durch diese Verschaltung wandert die Nervenerregung efferent Richtung Körperperipherie, wo sie eine motorische Antwort des Körpers auslöst. Diese motorische Antwort entspricht in der Regel einer unkontrollierbaren Muskelkontraktion. Reflexe sind damit Körperreaktionen, die der Organismus unwillkürlich auf bestimmte Reize hin ausführt.
Ein Fremdreflex ist der Niesreflex, dessen Affektoren und Effektoren in unterschiedlichen Organen liegen. An der ersten Stelle des Reflexbogens stehen die Mechanorezeptoren und Chemorezeptoren der Nasenschleimhäute. Diese Sinneszellen des Hautsinns registrieren Berührungen wie Druck und binden an chemische Signale. Für den Niesreflex bildet ein so registrierter Reiz die erste Instanz des Reflexbogens.
Der Niesreflex ist ein "unechter" Reflex, da die Reizantwort unter bestimmten Umständen unterdrückt werden kann. Zu den Effektoren des Reflexes zählen die Atmungs-, Larynx-, Mund- und Rachenmuskulatur.
Die Hauptaufgabe der motorischen Reflexantwort ist die Reinigung der oberen Atemwege. Damit entspricht der Niesreflex einem Schutzreflex, der die Nasenschleimhaut unter anderem von Mikroorganismen wie Bakterien befreit.
Funktion & Aufgabe
Darüber hinaus sitzen diese Sinneszellen im Pharynx (Rachen), in den Bronchien und der Lunge. Die Rezeptoren registrieren neben Berührungsreizen chemische Substanzen, Duftstoffe und Temperaturreize. Diese Impulse transportieren sie über primäre Fasern des Nervus vagus und sekundäre Fasern des Nervus trigeminus an den Nucleus tractus solitarii in der Rautengrube des Hirnstamms. Außerdem erreichen die Impulse über die Fasern das Atemzentrum der Formatio reticularis und das Rückenmark.
Im Rückenmark liegen die Nervenzellen, die die Ausführungsorgane des Niesreflexes über motorische Nerven ansteuern. Zu den Ausführungsorganen zählt neben dem Zwerchfell und der Interkostalmuskulatur vor allem die Bauchmuskulatur.
Die am Niesreflex beteiligten Nervenfasern besitzen unterschiedliche Qualität. Auf eine Reizung der beteiligten Rezeptoren hin wird unwillkürlich eine motorische Antwort ausgelöst, an deren Anfang ein reflektorisch tiefes Einatmen steht. Daran schließt sich ein krampfartiges Ausatmen an. Das Gaumensegel wird dabei so gespannt, dass die Luft vorwiegend durch die Nase entweicht. Das Niesen erreicht Geschwindigkeiten von mehr als 150 Kilometern pro Stunde.
Der Niesreflex reinigt die oberen Atemwege von körpereigenem Sekret und Fremdkörpern, um eine unbeschwerte Atmung zu sichern. Durch die Reinigung von fremdkörperlichen Substanzen ist der Niesreflex in der erweiterten Definition als Schutzfunktion vor Infektionen zu verstehen. Der Niesreflex lässt sich bei einigen Menschen auch durch Lichtreize und sexuelle Erregung auslösen. Bei Lichtreizen ist in diesem Zusammenhang von einem photopischen Niesreflex die Rede.
Krankheiten & Beschwerden
Auch Allergien sind mit einem symptomatischen Niesreflex assoziiert, der wiederum die Allergene aus den oberen Atemwegen treiben soll. Ein gesteigerter Niesreflex besitzt damit pathologischen Wert und kann auf verschiedenartige Erkrankungen wie Infektionen und Allergien verweisen.
Der Niesreflex ist bei Menschen mit Nasennebenhöhlenentzündung gestört. Die Entzündung wird auch als Sinusitis bezeichnet und lässt die Patienten häufiger niesen als eigentlich erforderlich. Das Niesen hängt mit biochemischen Signalen zusammen, die einen Einfluss auf die Aktivität der Flimmerhärchen in den Nasennebenhöhlen zeigen. Diese Flimmerhärchen der Nase transportieren das Sekret der Schleimhäute samt unerwünschter Partikel aus den Nasennebenhöhlen. Dieser Abtransport ist bei Patienten mit Sinnitus von Störungen betroffen.
Nicht nur ein gesteigerter, sondern auch ein verminderter oder ausgefallener Niesreflex kann pathologischen Wert besitzen. Diese Phänomene stellen sich vorwiegend nach Nervenschädigungen ein. Wenn die einzelnen Nerven des Reflexbogens durch Entzündungen, traumatische Ereignisse oder Kompressionen in ihrer Leitfähigkeit beeinträchtigt sind, stellt sich eine Verminderung der Reflexantwort ein. Auch Entzündungen und andersgeartete Läsionen im Rückenmark oder Gehirn können den Niesreflex beeinträchtigen.
Im Gehirn spielen in diesem Zusammenhang vor allem Läsionen im Bereich des Nucleus solitarius oder des Formatio reticularis eine Rolle. Durch Schädigungen in diesen Bereichen ist meist vor allem die Koordination des Niesreflexes beeinträchtigt. Läsionen im Formatio reticularis können generelle Beeinträchtigungen der Atmung hervorrufen und treten vor allem im Rahmen von Schädigungen der rechten Hirnhemisphäre auf. Solche im Nucleus solitatius gehen vor allem mit Beeinträchtigungen des Geschmackssinnes einher. Der Niesreflex kann außerdem durch Erscheinungen wie einem Zwerchfellhochstand oder andere Erkrankungen der Effektor-Organe beeinträchtigt werden.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Boenninghaus, H. G., Lenarz, T.: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2012
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010