Mesenchym

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Mesenchym umhüllt die Leibesfrucht als embryonales Bindegewebe mit einer Schutzhülle und ist für die Morphogenese relevant. Aus multipotenten Mesenchymzellen differenzieren sich während der Embryogenese unter anderem Bindegewebs-, Muskel-, Blut-und Fettzellen. Wegen der hohen Teilungsrate ist Mesenchym für Tumore anfällig.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Mesenchym?

Auch im Erwachsenenalter sind Mesenchymzellen für Gewebsbildung noch relevant. Das gilt zum Beispiel im Rahmen der Ossifikation, bei der aus retikulärem Bindegewebe Knochengewebe und Knorpel gebildet wird.
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Während der Embryonalzeit entwickelt sich das Stütz- und Füllgewebe des Menschen. Dieses Gewebe ist auch als embryonales Bindegewebe bekannt. Es entwickelt sich aus poliptenten Zellen. Die Polipotenz erlaubt den Zellen die Differenzierung in nahezu alle Zelltypen der drei Keimblätter.

Neben dem gallertartigen Bindegewebe entsteht so das sogenannte Mesenchym. Dabei handelt es sich um Bindegewebe aus dem Mesoderm, das später das lockere, straffe und retikuläre Bindegewebe bildet. Neben den Bindegewebsarten entwickeln sich aus dem Mesenchym Knochen und Knorpel. Auch die glatte Muskulatur und der Herzmuskel sind auf das Mesenchym angewiesen. Das Gewebe bildet außerdem die Basis für die Entwicklung der Nieren und Nebennierenrinde.

Zusätzlich sind die Zellen des Mesenchyms an der Bildung des blutbildenden Systems und der Entwicklung der Blut- und Lymphgefäße beteiligt. Die Entwicklungsprozesse finden über Differenzierung und Determination statt. Die Determination gibt das Entwicklungsprogramm vor, das alle Tochterzellen einer poli- oder omnipotenten Zelle später zu durchlaufen haben. Die Zellentwicklung aus dem Mesenchym ist damit eine Spezialisierung.

Anatomie & Aufbau

Das Mesenchym ist histologisch ein bestimmter Gewebetyp, das aus dem Stammzellcluster des Mesoderms oder Keimblatts entstanden ist. Mesenchym enthält sternförmig verzweigte Zellen.

Diese Zellen heißen auch mesenchymale Stammzellen, mesenchymal stromale Zellen oder Mesenchymzellen. Durch Zytoplasmafortsätze stehen die einzelnen Zellen des Mesenchym in mechanischer und interaktionaler Verbindung miteinander. Mesenchymale Stammzellen haben eine relativ hohe Teilungsrate oder Mitoserate. Es handelt sich bei ihnen um multipotente Zellen. Das heißt, dass sie noch nicht determiniert sind und sich noch immer in relativ viele Gewebsarten differenzieren können.

Die Zwischenzellsubstanz ist eine viskös hyaluronsäurehaltige Flüssigkeit. Ab der achten Entwicklungswoche enthält sie Kollagenfibrillen. Fasern sind allerdings nicht enthalten. Die Faserlosigkeit unterscheidet das Mesenchym von dem voll ausdifferenzierten Bindegewebe. In diesem Gewebe macht eine faserhaltige Zwischenzellsubstanz die Eigenschaften des Gewebes erst aus. Anders als das Epithel weisen die Zellen des Mesenchym außerdem keine oder zumindest geringe Zellpolarität auf-

Funktion & Aufgaben

Das Mesenchym spielt eine entscheidende Rolle für die Differenzierung und die Determination von embryonalen Zellen. Auch im Erwachsenenalter sind Mesenchymzellen für Gewebsbildung noch relevant. Das gilt zum Beispiel im Rahmen der Ossifikation, bei der aus retikulärem Bindegewebe Knochengewebe und Knorpel gebildet wird. Die Determination ist ein Differenzierungsschritt. Beide Prozesse geben dem Organismus während der Embryogenese seine Gestalt. Alle Formgebungsprozesse am mehrzelligen Lebewesen werden unter den Begriff der Morphogenese gefasst.

Neben der Differenzierung ist die Zellteilung für diese Morphogenese entscheidend. Die Mesenchymzellen weisen eine hohe Teilungsrate auf und sind multipotent. Damit können sich aus ihnen verschiedene Gewebe entwickeln. Sie formen am Ende sowohl die Gewebeart des Bindegewebes, als auch die des Muskelgewebes, des Knochengewebes, des Blutes und des Fettgewebes. Der Weg der Differenzierung hängt von äußeren und inneren Faktoren ab. Neben Nachbarzellen und Zellkontakten hat zum Beispiel die Herkunft der Zelle aus ihren Vorläufern einen Einfluss auf den Entwicklungsweg. Auch Wachstumsfaktoren und Hormone üben einen Einfluss aus.

Mit dem Ausdruck des intraembryonalen Mesenchyms sind in der Embryologie die Mesenchymzellen gemeint, die als Ursprung anderer Gewebearten dienen. Davon zu unterscheiden ist das extraembryonale Mesenchym. Die Zellen dieses Gewebes stützen und umhüllen die Leibesfrucht. Sie sind demzufolge als eine Art Schutzhülle um das Embryo angelegt. Seine vielfältigen Aufgaben erfüllt das Mesenchym am Embryo ab der dritten Entwicklungswoche. Es bildet sich kurz zuvor aus Keimblättern wie dem Mesoderm und in geringen Anteilen auch aus dem Ektoderm und Entoderm.


Krankheiten

Wegen seiner hohen Teilungsrate spielt das Mesenchym im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen eine Rolle. Tumore sind letztlich Wucherungen des Gewebes, die durch vermehrte Zellteilung entstehen. Embryonales Mesenchym kann dementsprechend schnell von Mesenchymomen oder bösartigen Sarkomen betroffen sein.

Das maligne Mesenchymom ist ein Malignom der Weichteile. Das benigne Mesenchymom ist dagegen eine gutartige Wucherung der Weichteile oder Knochen. Die Prognose ist umso günstiger, je früher der Tumor erkannt wird. An Erwachsenen treten diese Tumore allerdings kaum auf, da ihr Mesenchym eine ungleich geringere Teilungsrate inne hält als das des Embryonalstadiums. Neben Tumoren können auch Entzündungen und degenerative Erscheinungen im Mesenchym vorliegen. Am Mesenchym ist eine Entzündung unter Umständen als Systemerkrankung zu bezeichnen. Vor allem in embryonalem Mesenchym wird ein entzündlicher Prozess mit der Determination der Zellen unter Umständen ins Programm aller Tochterzellen mit aufgenommen.

Auch primäre Stoffwechselstörungen der Niere hängen oft mit einer degenrativen Erkrankung des Mesenchyms zusammen. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Amyloiddegeneration zu nennen. Durch die Degenration des Mesenchyms kommt es zu Glomeruliduchblutungsstörungen. Das kann unter Umständen den Untergang der sekretorischen Nierenelemente begünstigen. Während der Embryogenese können außerdem Fehler bei der Determination des Mesenchyms eintreten. Solche Fehler lassen sich durch Transdeterminationen unter Umständen wieder ausgleichen. Wenn das nicht geschieht, können schwerwiegende Folgen eintreten.

Quellen

  • Benninghoff/Drenckhahn: Anatomie. Urban & Fischer, München 2008
  • Bommas-Ebert, U. et al.: Kurzlehrbuch Anatomie. Und Embryologie. Thieme, Stuttgart 2011
  • Gerok, W., Huber, C., Meinertz, T., Zeidler, H. (Hrsg.): Die innere Medizin – Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007

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