Muskarin-Syndrom

Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer. nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei dem Muskarin-Syndrom handelt es sich um eine Art der Pilzvergiftung. Dabei zeigen sich wenige Minuten nach dem Konsum der entsprechenden Pilze die für das Muskarin-Syndrom typischen Symptome. Dazu gehören sowohl vegetative als auch neurologische Beschwerden, die Hinweise auf eine Beeinträchtigung des autonomen Nervensystems geben. Das Muskarin-Syndrom führt unter Umständen zum Tod und stellt aus diesem Grund insbesondere für Pilzsammler eine große Gefahr dar.
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Was ist das Muskarin-Syndrom?
Schon die Bezeichnung des Syndroms deutet darauf hin, dass der Stoff Muskarin das verantwortliche Toxin darstellt. Muskarin ist ein sogenanntes Parasympathomimetikum, das in seiner Struktur dem Acetylcholin stark ähnelt. Aus diesem Grund ist der Wirkstoff in der Lage, sich an den gleichen Rezeptor des Parasympathikus zu binden.
Die entsprechenden Rezeptoren werden auch als muskarinische Acetylcholin-Rezeptoren bezeichnet. Der Unterschied und die Ursache für die Beschwerden liegen jedoch darin, dass die sogenannte Acetylcholinesterase das Muskarin nicht abbauen kann. In der Folge tritt eine dauerhafte Reizung des Parasympathikus auf, woraus die typischen und mitunter lebensbedrohlichen Symptome des Muskarin-Syndroms resultieren.
Der Stoff Muskarin wurde im Jahr 1869 zum ersten Mal in Fliegenpilzen wissenschaftlich nachgewiesen. Da Fliegenpilze zu ähnlichen neurologischen Beschwerden führen, ging die Forschung lange Zeit davon aus, dass auch Fliegenpilze das Muskarin-Syndrom hervorrufen können. Später wurde jedoch entdeckt, dass in Fliegenpilzen andere Toxine vorhanden sind, nämlich Muscimol und Ibutensäure.
Die Konzentration an Muskarin ist im Fliegenpilz allerdings viel zu gering, um eine Vergiftung wie das Muskarin-Syndrom auszulösen. Im Durchschnitt ist der Gehalt an Muskarin in Fliegenpilzen circa 200-mal geringer als in den verantwortlichen Arten von Risspilzen. Die Symptome des Muskarin-Syndroms zeigen sich rasch nach dem Verzehr der Pilze. Sie treten in vielen Fällen bereits wenige Minuten nach deren Verzehr auf, spätestens jedoch nach drei Stunden.
Ursachen
Für Pilzsammler ergibt sich das Risiko vor allem dann, wenn Nelkenschwindlinge gesammelt werden. Denn hier besteht eine leichte Verwechslungsgefahr mit Trichterlingen. Auch das Sammeln von Maipilzen ist problematisch, da diese mitunter mit Ziegelroten Risspilzen verwechselt werden. Rauschpilze werden in einigen Fällen mit dem Erdblättrigen Risspilz verwechselt, der ebenfalls Muskarin enthält.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Im Rahmen des Muskarin-Syndroms zeigen sich zahlreiche verschiedene Symptome und Beschwerden, die typisch für die Vergiftung sind. Erste Symptome zeigen sich in den meisten Fällen bereits wenige Minuten nach dem Verzehr der Pilze und spätestens nach zwei bis drei Stunden. So kommt es unmittelbar nach der Pilzmahlzeit zu einer verstärkten Produktion von Speichel und Tränenflüssigkeit gepaart mit Schweißausbrüchen, Erbrechen und Übelkeit.
Außerdem treten oftmals Sehstörungen und Atemnot auf, während sich der Puls verlangsamt. Diese Symptome sind für die betroffenen Personen überaus unangenehm und ziehen mitunter ernsthafte Komplikationen nach sich. Jedoch existiert ein Gegengift mit guter Wirksamkeit.
Dabei handelt es sich um Atropin, das Gift der Tollkirsche. Wird dieses Gegengift rasch verabreicht, verschwinden die Beschwerden des Muskarin-Syndroms innerhalb von wenigen Minuten. Ist das Gegenmittel nicht sofort verfügbar, besteht die Gefahr von Todesfällen durch Herz-Kreislauf-Versagen.
Da das Muskarin ähnlich wie Neurotoxine wirkt, nimmt es Einfluss auf das vegetative Nervensystem. Dabei wirkt es sich auf den Parasympathikus aus, weshalb das Muskarin-Syndrom mit entsprechenden Symptomen einhergeht. Dazu gehören zum Beispiel Sehstörungen, da sich die Pupillen stark verengen (Miosis).
Außerdem wird vermehrt Schweiß produziert (Hyperhidrose). Es zeigen sich Beschwerden des Magen-Darm-Trakts wie Übelkeit und Erbrechen. Das Muskarin-Syndrom wird oftmals von Tremor und einem langsamen Puls begleitet. In einigen Fällen sinkt der Blutdruck stark ab. Das Atmen wird erschwert, da sich die Atemwege verengen. Zudem werden zahlreiche Patienten panisch.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Da es sich bei dem Muskarin-Syndrom um eine potenziell lebensbedrohliche Vergiftung handelt, ist bereits beim Verdacht auf das Syndrom eine Behandlung angezeigt. Zeigen sich nach einer Pilzmahlzeit Symptome, ist unmittelbar eine Therapie einzuleiten.
Durch einen Labortest ist der Stoff Muskarin im Serum nachweisbar. Die Diagnose lässt sich durch Untersuchungen der verspeisten Pilze oder des Erbrochenen erhärten. Kommt das Gegengift Atropin rasch zur Anwendung, stehen die Überlebenschancen relativ gut.
Komplikationen
Es kommt zu Übelkeit, Erbrechen und weiterhin auch zu Fieber oder zu Schweißausbrüchen. Die Belastbarkeit des Betroffenen sinkt und es kommt zu Störungen der Koordination oder der Konzentration. Auch Sehstörungen können durch das Muskarin-Syndrom eintreten und weiterhin mit einer Atemnot verbunden sein. Durch die Atemnot kann der Betroffene auch einen Bewusstseinsverlust erleiden.
In vielen Fällen kommt es weiterhin zum Tode durch ein Herzversagen. Die Betroffenen leiden an einem Zittern und an einem stark verlangsamten Puls. Die Behandlung des Muskarin-Syndroms muss in jedem Fall akut erfolgen. Dabei kann der Tod des Betroffenen vermieden werden. In einigen Fällen kann die Vergiftung auch die inneren Organe beschädigen. Ob es damit zu einer Verringerung der Lebenserwartung kommt, kann nicht allgemein vorausgesagt werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Treten unmittelbar nach dem Verzehr von Pilzen gesundheitliche Störungen auf, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bei Übelkeit, Erbrechen, einem Unwohlsein oder Durchfall besteht eine Beeinträchtigung des Organismus. Halten die Beschwerden an oder nehmen sie an Intensität zu, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Schweißausbrüche, Schwindel, eine starke Zunahme des Speichelflusses sowie Zittern weisen auf eine Unregelmäßigkeit hin, die untersucht und behandelt werden sollte.
Lähmungen, Muskelstörungen oder ein starker Abfall des Kreislaufs sind einem Arzt vorzustellen. Eine Verengung der Pupillen, ein erhöhte Körpertemperatur sowie eine innere Schwäche sind Anzeichen einer Störung. Da das Muskarin-Syndrom in schweren Fällen zu einem frühzeitigen Ableben des Betroffenen führen kann, sollte rechtzeitig ein Arzt konsultiert werden. Kommt es zu einem akuten Zustand, ist ein Rettungsdienst zu alarmieren. Bei einem Zusammenbruch des Herz-Kreislauf-Systems oder einem Verlust des Bewusstseins, besteht unverzüglicher Handlungsbedarf. Erste-Hilfe-Maßnahmen müssen bis zum Eintreffen des Notarztes eingeleitet werden. Leidet der Betroffene unter einem verminderten Sehvermögen sowie einer Atemnot, wird ein Arzt benötigt.
Ärztliche Hilfe ist ebenfalls in Anspruch zu nehmen, sobald die Beschwerden bei oder nach einem Restaurantbesuch auftreten und kein explizites Pilzgericht verzehrt wurde. Köche können die Pilze zerkleinert als Geschmacksverstärker oder Würzung des Menüs ohne die Kenntnis des Betroffenen verwendet haben.
Behandlung & Therapie
Um das Muskarin-Syndrom zu behandeln, ist bei der betroffenen Person nach Möglichkeit zunächst ein Erbrechen der Mahlzeit herbeizuführen. Eventuell ist eine Magenspülung notwendig. Anschließend werden mehrmals jeweils 20 bis 40 Gramm Aktivkohle verabreicht. Besonders wichtig ist, dass der Patient mit ausreichend Flüssigkeit versorgt wird. Das Gegenmittel Atropin wird in der Regel intravenös verabreicht. Die Therapie wird von einer EKG-Kontrolle begleitet.
Aussicht & Prognose
Bei einer Vergiftung mit Muskarin hängt die Prognose in erster Linie davon ab, welche Menge des Stoffs konsumiert wurde, wie gut die Konstitution des Patienten ist und wie schnell und umfassend interveniert wird. Schon beim Verdacht auf Verzehr eines muscarinhaltigen Pilzes sollten umgehend Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören Erbrechen und Magenspülungen ebenso wie die Verabreichung von Aktivkohle zur Resorption des Giftstoffs. Bei sehr starken Vergiftungserscheinungen muss gegebenenfalls Atropin als Antagonist verabreicht werden.
Werden derartige Maßnahmen übergangen, kann eine schwere Muscarin-Intoxikation zum Tod durch Herz- bzw. Atemstillstand führen. Bei rechtzeitiger Einleitung der Behandlung können die Vergiftungserscheinungen fast immer binnen 24 Stunden beendet werden. Bleibende Schäden sind nicht zu erwarten.
Leichte Muscarinvergiftungen werden mit Magenspülungen und der Gabe von Aktivkohle behandelt und sind oft bereits binnen 2-4 Stunden überwunden. Findet die erste Magenspülung binnen einer Stunde nach dem Pilzkonsum statt, genügt dies meist als Behandlungsmaßnahme. Leichtere Vergiftungen enden in der Regel auch ohne ärztliche Behandlung nach zwei Stunden. Da im Voraus jedoch nie zuverlässig abzuschätzen ist, wie stark eine Vergiftung letztlich ausfällt, sollte in jedem Verdachtsfall umgehend ein Arzt konsultiert werden.
Vorbeugung
Da das Muskarin-Syndrom eine bedrohliche Pilzvergiftung darstellt, sind vorbeugende Maßnahmen und Kenntnisse für Pilzsammler von hoher Bedeutung. Bei Unsicherheit über die Art eines Pilzes ist von dessen Verzehr abzusehen. Unklarheiten beim Sammeln von Pilzen lassen sich zum Beispiel bei erfahrenen Pilzkennern beseitigen.
Nachsorge
Betroffenen stehen beim Muskarin-Syndrom in den meisten Fällen entweder gar keine oder nur sehr wenige Maßnahmen einer direkten Nachsorge zur Verfügung. Bei dieser Krankheit muss schon sehr früh ein Arzt aufgesucht werden, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu anderen Beschwerden kommt. Unbehandelt führt die Erkrankung zum Tod des Patienten.
Eine solche Vergiftung stellt dabei eine ernsthafte Erkrankung dar, die auf jeden Fall von einem Arzt behandelt werden muss. Schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen. Ferner sollte beim Muskarin-Syndrom die Aufnahme der jeweiligen Pilze unterbrochen werden, um den Körper nicht noch weiter zu vergiften.
Dabei kann auch eine Magenspülung durchgeführt werden. Nach einem solchen Eingriff empfiehlt es sich ausruhen und zu erholen. Dabei ist von Anstrengungen oder von anderen stressigen oder körperlichen Aktivitäten abzusehen. Ebenso sollte nur noch leichte Nahrung eingenommen werden, um den Magen nicht zu überfordern.
In vielen Fällen sind die Betroffenen des Muskarin-Syndroms auch auf die Hilfe und die Pflege der eigenen Familie angewiesen. Wird die Krankheit rechtzeitig erkannt und behandelt, kommt es meistens nicht zu weiteren Komplikationen und auch nicht zu einer verringerten Lebenserwartung des Betroffenen.
Das können Sie selbst tun
Wenn Anzeichen des Muskarin-Syndroms bemerkt werden, muss bei dem Betroffenen umgehend ein Erbrechen herbeigeführt werden. Anschließend muss ein Notarzt gerufen werden bzw. muss der Betroffene umgehend in ein Krankenhaus gebracht werden, wo eine Magenspülung und eine medikamentöse Behandlung durchgeführt werden kann.
Nach der initialen Behandlung sollte sich der Erkrankte zunächst schonen. Die Ernährung muss in den ersten Tagen nach der Vergiftung umgestellt werden. Um den Magen nicht zusätzlich zu belasten, sollten vor allem Schonkost und mageres Fleisch verzehrt werden. Auf reizende Speisen sowie Genussmittel gilt es zunächst zu verzichten. Begleitend dazu müssen die vom Arzt verordneten Medikamente eingenommen werden, um einen Rückfall zu vermeiden. Sollten ungewöhnliche Symptome bemerkt werden, muss umgehend der zuständige Arzt informiert werden. Nach einigen Tagen sollten die Beschwerden abgeklungen sein.
Weitere Selbsthilfe-Maßnahmen beschränken sich darauf, den Körper und insbesondere den Magen-Darm-Trakt zu schonen. Zudem sollte beim Sammeln von Pilzen künftig umsichtiger vorgegangen werden. Bei Unsicherheit über die Art der gesammelten Pilze sollte vom Verzehr abgesehen werden. Die bereits gesammelten giftigen Pilze müssen in jedem Fall entsorgt werden.
Quellen
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010